In eigener Sache: Philipp Otto schlägt Bundestagsausschuss „Digitale Agenda“ gesetzliche Mindestbeteiligung für Urheber vor
Heute Nachmittag führt der Bundestags-Ausschuss „Digitale Agenda“ eine Anhörung durch, die sich dem „Stand der Urheberrechtsreform auf deutscher und europäischer Ebene“ und dem „weiteren Vorgehen beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage“ widmet.
Zur Sitzung, die als „Öffentliches Fachgespräch“ angekündigt ist, sind fünf Urheberrechtsexperten geladen, um eine Stellungnahme abzugeben und sich den Fragen des Ausschusses zu stellen. Neben den Rechtswissenschaftlern Gerald Spindler (Universität Göttingen), Thomas Hoeren, (Universität Münster) und Axel Metzger, (Humboldt-Universität zu Berlin) sowie der Bitkom-Justiziarin Judith Steinbrecher (Bitkom) gehört auch Philipp Otto, Redaktionsleiter bei iRights.info, dazu.
Eine Übertragung der Anhörung als Internet-Live-Stream ist auf der entsprechenden Website des Bundestages zwar angekündigt, doch auf Nachfrage von iRights.info erklärte das Ausschuss-Sekretariat, dass dieser wohl doch nicht angeboten werde. [Update: Der Live-Stream wird angeboten und funktioniert].
Im Vorfeld der Anhörung erhielten die von fünf Sachverständigen, die von den Bundestagsfraktionen erklärtermaßen einvernehmlich ausgewählt wurden, einen umfangreichen Fragenkatalog (PDF) zur Beantwortung. Die insgesamt 19 Fragen greifen zahlreiche urheberrechtsrelevante Themen auf, etwa die angemessene Vergütung, die geplante Bildungs- und Wissenschaftsschranke, die Regelungen zu verwaisten Werken, die Förderung von offenen Lehrmaterialen in Bildung, Wissenschaft und Forschung, Maßnahmen gegen illegale Plattformen, die Bewertung einer „Kulturflatrate“, das Leistungsschutzrecht für Presseverlage und weiteres.
Vorbemerkung: „Das Urheberrecht benötigt nichts weniger als eine umfassende Generalrevision“
Mittlerweile liegen von den Experten die Antworten schriftlich vor. In der Stellungnahme von Philipp Otto heißt es in der Vorbemerkung:
„Das Urheberrecht benötigt nichts weniger als eine umfassende Generalrevision. Jede einzelne Regelung und jedes dahinter stehende Legitimationskonstrukt müssen auf ihre Aktualität und Zukunftsfestigkeit hin abgeklopft werden. Das Urheberrecht in seiner heutigen Fassung ist ein Schlag ins Gesicht der Urheber, behindert die Fluktuation und die Verfügbarkeit von Werken und begünstigt in nicht mehr zu legitimierender Weise einzelne Rechteinhaber.“
Vorschlag: eine gesetzlich festgeschriebene Mindestbeteiligung von 75 Prozent für Urheber
Frage 3 des Fragenkatalogs geht auf die angemessene Vergütung für Kreative, die Erlöse der Verwerter sowie auf die Balance zwischen den widerstreitenden und sich verändernden Interessen zwischen Kreativen, Verwertern und Nutzern ein. Dazu heißt es bei Philipp Otto:
„Um aus diesem grundsätzlichen Dilemma für die Urheber herauszukommen, mache ich folgenden neuen Vorschlag für die Diskussion:
Eine gesetzlich festgeschriebene Mindestbeteiligung von 75 Prozent für Urheber.
Urheber brauchen eine gesetzlich vor- und festgeschriebene Mindestbeteiligung an den Erlösen der Dienstleister, mit denen sie eine Vertragsbeziehung eingegangen sind. Diese Mindestbeteiligung sollte bei mindestens 75 Prozent liegen. Die restlichen 25 Prozent bekommt der Dienstleister im Rahmen seiner vertraglich ausgehandelten Leistung. Es kann vertraglich zugunsten des Urhebers je nach Leistungserbringung und -umfang davon abgewichen werden.
Eine solche Regelung schützt den Urheber durch Gesetz davor, von seinem mächtigen Verhandlungs- und Vertragspartner ausgebeutet und unter Druck gesetzt zu werden und sich Vertragsbestimmungen zu beugen, die für ihn ökonomisch und strategisch nur begrenzt sinnvoll und damit unerwünscht sind. Eine solche Regelung sorgt auch dafür, dass mehr Wettbewerb zwischen den Dienstleistern entsteht, da diese stärker um die Urheber werben müssen. Eine wie bisher freiwillige Regelung inkl. freier Festsetzung der Honorare ist vollumfänglich gescheitert. Eine solche neue Beteiligungsregelung stärkt die Interessen und Belange des Urhebers massiv und sollte Kern einer Urheberrechtsreform sein.
Die Festsetzung von konkreten Prozentanteilen für Beteiligungen des Urhebers ist dem Urheberrecht nicht fremd. Im Rahmen der Richtlinie zur Schutzfristverlängerung für Tonträgerhersteller von 50 auf 70 Jahre wurde festgelegt, dass der ausübende Künstler ab den Verwertungsjahren 51 bis 70 nach Veröffentlichung des Werkes mit 20 Prozent an den Einnahmen zu beteiligen ist. In diesem konkreten Fall wurde die Regelung zwar nur sehr halbherzig verankert und betrifft zudem relativ wenige Personen, es soll durch dieses Beispiel aber deutlich werden, dass die konkrete gesetzliche Festlegung von Beteiligungsansprüchen bereits heute dem Urheberrecht immanent ist.“
Forderung: Leistungsschutzrecht für Presseverlage ersatzlos streichen
Frage 12 behandelt das Leistungsschutzrecht für Presseverlage und dessen derzeitige Durchsetzungspraxis. Dazu Philipp Otto:
„Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage schadet gerade den deutschen Presseverlagen massiv. Nehmen Sie sich ein Herz und tun Sie den Presseverlagen, insbesondere auch den Lokalzeitungen etwas Gutes und streichen Sie dieses Gesetz ersatzlos. Zudem sei der Hinweis gestattet, dass dies voraussichtlich ansonsten die Europäische Kommission indirekt tun wird.
Wider besseren Wissens wurde bei der Einführung des Gesetzes seitens der Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission behauptet, dass dieses Gesetz nicht notifiziert werden muss. Das Gegenteil dürfte der Fall sein.
In der Richtlinie 98/34/EG sieht die EU ein Notifizierungsverfahren „auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft“ vor. Es geht hierbei um die Pflicht von Nationalstaaten bei entsprechenden Gesetzesänderungen im Anwendungsbereich – der unzweifelhaft beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage gegeben sein dürfte – die EU-Kommission zu informieren und klären zu lassen, ob bspw. eine Beeinträchtigung des Binnenmarktes vorliegt.
Bereits heute sehen wir, dass diese Beeinträchtigungen vorliegen. Zudem besteht die Gefahr, dass es zu weiteren Beeinträchtigungen kommt. Dies war direkt absehbar. Aller Voraussicht nach dürfte das Gesetz wegen fehlender Notifizierung deswegen europarechtswidrig sein. Der Ausschuss ‘Digitale Agenda‘ des deutschen Bundestags sollte gegenüber der Kommission auf eine zügige Überprüfung drängen.“
Der Bundestags-Website bietet sowohl den Fragenkatalog als auch alle Stellungnahmen zum Herunterladen an, wir dokumentieren im folgenden die entsprechenden Links:
Stellungnahme von Judith Steinbrecher – BITKOM (PDF)
Stellungnahme von Thomas Hoeren – ITM, Universität Münster (PDF)
Stellungnahme von Axel Metzger – Humboldt-Universität Berlin (PDF)
Stellungnahme von Gerald Spindler – Universität Göttingen (PDF)
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