iRights in China: „Lost in Translation” am 24. Juli in Peking
Aus chinesischer Perspektive stellt der Westen eine Drohkulisse dar. Aus westlicher Perspektive macht China Angst. Wie lässt sich spezifisch darüber sprechen? Dieser Frage geht am 24. Juli die Konferenz „Lost in Translation” nach. Das iRights.Lab, das Goethe-Institut China und das Institute for Advanced Studies in Humanities and Social Science der Tsinghua University sind Partner der von dem Künstler und Filmemacher Christian von Borries ins Leben gerufenen Veranstaltung in Peking. Philipp Otto, Partner des iRights.Lab, ist dabei vor Ort auf einem Panel vertreten.
Die Angst des Westens vor China wurde jüngst wieder durch eine Umfrage des Pew Research Center eindrucksvoll bestätigt. Spiegel Online titelte daraufhin: „Ökonomische Supermacht: Chinas Aufstieg macht Deutschen Angst”. Bei allen diskutierten Aspekten fehlt es dabei jedoch insbesondere am Verständnis des gegenseitigen politischen Systems und grundlegender gesellschaftlicher Parameter. Bei der Konferenz geht es um Erfahrungen, Perspektiven und die gegenseitigen Vorstellungen von Gesellschaft in einer globalisierten Welt.
In der Ankündigung heißt es zu den Themenschwerpunkten:
In der Diskussionsreihe LOST IN TRANSLATION werden Fragen zu Eigentum, Menschenrechtsdiskursen, geistigem Eigentum und Arbeitsrechten in ein Verhältnis gesetzt. Diese Rechtsdiskurse bilden eine gute, weil klar umrissene Grundlage für ein ansonsten uferlos erscheinendes Thema, nämlich Unterschiede im chinesischen und westlichen Denken klar zu benennen. Nur so können wir voneinander lernen. Eine konkrete Diskussion über Bilder und Realitäten ist das Ziel.
Neben Christian von Borries wird Wang Hui, Professor für chinesische Literatur an der Tsinghua Universität teilnehmen. Chao-Wei, Filmemacher aus Taiwan und ehemaliger Leiter der Dokumentarfilmabteilung von SunTV moderiert.
Mit der Kunst als Eisbrecher und gleichzeitig als Symptom des gegenseitigen Unverständnisses wird die Konferenz eröffnen. Aus der Ankündigung:
Christian von Borries wird Teile aus Bela Bartoks Ballettpantomime „Der wunderbare Mandarin” aus dem Jahre 1926 erläutern, einen Klassiker westlicher Avantgardemusik, der eine tragische Geschichte um einen reichen Chinesen zum Thema hat. Denn auch in den Künsten gibt es Exotismus, Misstrauen. In Bartoks Geschichte wird der Chinese als undurchschaubare Gestalt ohne Gefühle dargestellt. Die Missverständnisse gehen weit, und das seit langem schon. Aus westlicher Perspektive wird China zu einem Ort, von dem wir lernen müssen.
Die vier Themenschwerpunkte im Einzelnen:
1. Eigentumsverhältnisse
Im Westen ist Grund und Boden käuflich, in China nicht.
Wie wesentlich ist dieser Unterschied für die beiden kapitalistisch organisierten Wirtschaftssysteme?
Eine neue kaufkräftige Mittelschicht in China sucht Perfektion in Geräten wie dem iPhone. Diese Konsumenten verhoffen sich möglicherweise vom Apple-Produkt eine neue Identität, die sie sonst im Alltag nicht finden. Dahinter steht die psychische Kondition eines “to be part of it”, vermutet Chao Wei. Eigentumsverhältnisse werden also unter ökonomischen und symbolischen Gesichtspunkten betrachtet. Anhand von Bildmaterial über Deng Xiao Ping und über Steve Jobs wird die Thematik diskutiert. Im Shop des Nationalmuseums am Tiananmen Platz liegen Mao-Biografien neben Steve Jobs-Biografien aus. Daraus ergibt sich die Frage, welche Bedeutung die (visuellen) Narrationen, die in diesen Büchern festgehalten sind, für das heutige China haben.Diskutanten:
Wang Hui, Professor für chinesische Literatur an der Tsinghua Universität
Oliver Wang, Immobilienentwickler Guanfang Estate Group und Fotograf in Beijing2. Menschenrechte
Hier geht es um den sogenannten Menschenrechtsdiskurs, und wie er zu einem Instrument des Westens wurde um Demokratie weltweit zu vermarkten. Der chinesische Staat beobachtet westliche NGOs skeptisch, weil er dahinter das Durchsetzen westlicher Werte in China vermutet und deren Universalismusanspruch ablehnt. Wenn westliche Regierungsvertreter nach China reisen, wird im Heimatland berichtet, dass in Gesprächen mit chinesischen Politikern die Menschenrechte angesprochen wurden. Der Moralisierung von Menschenrechten lässt sich folgende Aussage von Brecht entgegen halten, „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“. Welche Interessen werden anhand von Menschenrechten verhandelt? Was ist die Schattenseite der Menschenrechte? Dieser Menschenrechtsdiskurs steht in direktem Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht.
Als Bildmaterial wird eine Auswahl von Clips eingespielt, die in China aktive NGOs produziert haben.Diskutant:
Zhang Kai, Anwalt für die Rechte entrechteter chinesischer Bürger
3. „Geistiges Eigentum”
Warum entsprach vor hundert Jahren Made in Germany dem heutigen Made in China? Wie und was können wir aus dieser Entwicklung lernen? Obwohl China seit einigen Jahren Mitglied der WTO ist, ist die Umgangsweise mit dem Recht auf geistiges Eigentum kulturell bedingt, bis heute dem westlichen Umgang mit dieser Frage diametral entgegengesetzt. Deutlich wird dieser Umstand am Vorwurf des Westens, dass in China alle westlichen Produkte kopiert werden. Andererseits drückt sich im Phänomen Shanzhai ein ökonomisch notwendiger Umgang und eine kreative Aneignung mit diesen westlichen Vorlagen aus. In der westlichen Idee vom Urheberrecht geht es um Eigentumsverhältnisse. Deswegen steht die internationale Durchsetzung von Urheberrechten ganz oben auf der Agenda westlicher Industrien, insbesondere im Vergleich zu Arbeitsrechten.
Diskutanten:
Shen Dong, Zentrale Universität für Kommunikation Beijing und CCTV Reporter
Philipp Otto, Partner des iRights.Lab und Redaktionsleiter von iRights.info, Berlin4. Arbeitsrechte
Im Westen können wir einen Trend zur Selbstausbeutung beobachten, der mit einem Gefühl von Freiheit einhergeht. Wird das ein weltweiter Trend werden? Wie unterscheidet sich die Situation in China? Was lässt sich aus der Doppelmoral schließen, wenn der Westen in China einerseits zu Billiglöhnen produzieren lässt und andererseits die Missachtung von Menschenrechten kritisiert? Welche Rolle spielen der Staat, NGOs und Gewerkschaften in Situationen, in denen Arbeiter ausgebeutet werden? Wang Hui argumentiert, dass aus westlicher Sicht Urheberrechten ein wesentlich höherer Wert eingeräumt wird als Arbeitsrechten.
Ein Interview, das Christian von Borries zusammen mit Debby Chan mit einem Foxconn-Mitarbeiter geführt hat, liefert an diesem Abend die Diskussionsgrundlage.Diskutanten:
Li Qiang, Direktor von China Labor Watch, New York
Debby Chan, ehemalige Project Officer SACOM (Students & Scholars against Corporate Misbehavior), Hong Kong
Zum Abschluss wird es noch die chinesische Erstaufführung des chinesisch-amerikanischen Dokumentarvideos HIGH TECH LOW LIFE geben. In diesem Film werden zwei chinesische Blogger begleitet und ihr Alltag beschrieben. Während der Veranstaltung wird Christian von Borries zudem erste Sequenzen aus seinem aktuellen, aber noch nicht ganz fertigen Dokumentarfilm iPhone China vorstellen.
Ort der Veranstaltung ist das Institute for Provocation in Peking, Konferenzsprachen werden Mandarin, Englisch und Deutsch sein. Die Veranstaltung wird auf Video mitgeschnitten und im Nachgang online zur Verfügung gestellt. Alle Interessierten, die sich in Peking und China aufhalten, sind herzlich eingeladen.
Dieser Beitrag ist ein Crosspost der Ankündigung von der Website des iRights.Lab. Mehr Informationen zur Veranstaltung auch auf der Website des Goethe-Instituts.
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