Bundestags-Gutachten: Informationsfreiheit gilt nicht für Bundestag
Darf ein Bürger soviel wissen wie ein Abgeordneter? Diese Frage hat neben dem Bundestag auch schon Gerichte beschäftigt, wenn es um den Zugang zu Dokumenten der wissenschaftlichen Dienste des Bundestags geht. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte im Fall von Gutachten, die Karl-Theodor zu Guttenbergs Doktorarbeit inspiriert haben sollen, entschieden: Dokumente der wissenschaftlichen Dienste muss der Bundestag nach dem Informationsfreiheitsgesetz herausgeben, auch Urheberrechte stehen dem nicht entgegen. Ähnlich beim leicht abseitigen Thema „Ufo-Unterlagen“. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Doch soviel Transparenz scheint dem Bundestag offenbar zuviel; so hatte er sich das mit der Informationsfreiheit nicht vorgestellt. Er hat zum Thema ein Gutachten beauftragt. Das kommt zum gegenteiligen Schluss: Dokumente der wissenschaftlichen Dienste fielen nicht unter das IFG, so der Verwaltungsrechtler Matthias Rossi darin. Denn die Arbeit der Dienste gehöre zur Mandatsausübung der Abgeordneten, nicht zur Verwaltung des Bundestags. Außerdem gelte:
Das Informationsfreiheitsgesetz zielt nicht darauf, jedem dieselbe Informationsbasis zur Verfügung zu stellen wie Abgeordneten.
Auch das Thema Urheberrecht wird im Gutachten gestreift. Immerhin: Einem pauschalen Verweis aufs Urheberrecht, um den Zugang zu verwehren, erteilt Rossi eine Absage:
Der Zugang zu amtlichen Informationen darf deshalb nicht vorschnell unter pauschalem Verweis etwa auf das Urheberrecht abgelehnt werden. Vielmehr ist im Zweifel eine urheberrechtlich Prüfung vorzunehmen, die hinreichend zwischen den Urheberpersönlichkeitsrechten und den Verwertungsrechten differenziert.
Die eigentliche Einschränkung aber kommt danach: Auch wenn Dokumente nicht veröffentlicht werden, sondern Bürgern nur individuell zugänglich gemacht, sei über kurz oder lang dennoch das Veröffentlichungsrecht des Urhebers tangiert:
Das Erstveröffentlichungsrecht steht deshalb schon der ersten Preisgabe einer begehrten Information entgegen, auch wenn sie zwangsläufig nur an einen einzelnen Antragsteller erfolgt, denn entscheidend ist nicht die tatsächliche Kenntnisgabe an eine Vielzahl von Personen, sondern deren abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme.
Das Gutachten über die Anwendbarkeit des IFG auf Bundestags-Gutachten darf allerdings – wiederum – nicht veröffentlicht werden, wie der Bundestag mitteilt. Interessierte können unter fragdenstaat.de aber ihr persönliches Leseexemplar des Gutachtens anfordern.
5 Kommentare
1 Walter Keim am 13. Juni, 2013 um 23:06
Mir ist dieses Gutachten besonders da suspekt, wo andere Länder ins Spiel gebracht werden um Begrenzungen des Zugangs zu begründen
Die Bewertung der Qualität von Informationszugangsgesetzen (RTI rating) erfolgt aufgrund internationalen Standards: http://home.broadpark.no/~wkeim/RTI-Rating-de.htm zeigt, dass dort bessere Einsichtsrechte herrschen.
2 Walter Keim am 14. Juni, 2013 um 07:07
Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht , Berlin
2004, S. 216 ff beschreibt das Grundrecht des Informationszugangs so:
Das IFG aktiviert – um eine Begriffsbildung von Rossi zu verwenden – das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG der
Informationsfreiheit. Der Gesetzgeber erklärt nunmehr für
gewisse Informationen, nämlich solche, die nach dem IFG
zugänglich sind, dass diese im Sinne des Art. 5 Abs, 1 Satz 1 GG
“allgemein zugänglich” seinen. (
Mecklenburg/Pöppelmann, Informationsfreiheitsgesetz, 2009, S. 17ff).
Dies hat auch die Unterstützung anderer Experten in der Anhörung zur Evaluation des IFG des Bundes gefunden. Im Gutachten für den Bundestag rückt er von seiner eigenen Habitilationsschrift ab: Wess’ Brot ich ess’ dess’ Lied ich sing?
3 David Pachali am 14. Juni, 2013 um 17:28
@Walter Keim, #1: Interessanter Hinweis. Deutschland: 52 von 150 Punkten.
http://www.rti-rating.org/index.php
4 Walter Keim am 20. Juni, 2013 um 10:27
@David Pachali, #4: Ja stimmt. 88 Staaten mit 5,4 Milliarden Einwohnern, d. h. 78% der Weltbevölkerung haben bessere Informationsfreiheitsgesetze.
Was sagen Sie dazu?