Beschränkte Gemeinfreiheit bei Österreichs Nationalbibliothek
Die Österreichische Nationalbibliothek hat einen ersten Schwung digitalisierter Bücher online gestellt: 100.000 gemeinfreie Titel aus dem 16. bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind jetzt im Rahmen des Projekts „Austrian Books Online” frei im Netz zugänglich. Insgesamt soll der komplette historische Buchbestand, um die 600.000 Werke, digitalisiert werden. Eine große Leistung, die so wohl nur durch die Kooperation mit Googles Bibliotheksprogramm möglich wurde.
Die ÖNB hat Fragen und Antworten zum Projekt in einer FAQ zusammengestellt. Ein wenig beachteter Aspekt findet sich in Punkt 11.
Die Digitalisate aus der Kooperation mit Google sind für BenutzerInnen der Digitalen Bibliothek der Österreichischen Nationalbibliothek kostenfrei zugänglich und für nichtkommerzielle Zwecke (inklusive Veröffentlichung) verwendbar.
Der zweite Teil des Satzes verwundert, handelt es sich doch um gemeinfreie Werke, deren Urheberrecht abgelaufen ist. Ob unkommerziell, kommerziell, öffentlich oder privat: Jeder kann die Werke nutzen, wie er will, auch die digitale Form ändert daran nichts. Höchstens würde die Sammlung, aber nicht das einzelne Digitalisat als Datenbank geschützt sein.
Die Einschränkung, wie die Digitalisate angeblich genutzt werden dürfen, geht vielmehr auf den Vertrag mit Google zurück, wie die ÖNB auf Nachfrage erklärt. Sie soll demnach für 15 Jahre gelten. Für Googles Bibliotheksprogramm ist das nicht neu. Der Vertrag mit der ÖNB ist zwar nicht veröffentlicht, aber Verträge mit anderen Bibliotheken sind es.
Die britische Open Rights Group hatte schon 2011 den Vertrag zwischen der British Library und Google per Informationsfreiheitsgesetz erkämpft. Wie die Einschränkung auf nichtkommerzielle Verwendung darin erreicht wird, hat Philippe Aigrain analysiert. Im Ergebnis ist die Bibliothek durch den Vertrag angehalten, ihren Nutzern Freiheiten zu verwehren, die sie sonst hätten.
Betroffen sind von solchen Einschränkungen nur wenige Nutzer. Betroffen sein könnte, wer einen Print-on-Demand-Dienst für gemeinfreie Werke, mit den Digitalisaten neue Anwendungen ausprobiert oder Data Mining betreibt. Für die meisten Nutzer dürfte auch bei der ÖNB der Vorteil überwiegen, dass die Werke überhaupt zum ersten Mal in digitaler Form verfügbar sind.
Aber ein schaler Beigeschmack bleibt. Public-Private-Partnerships werden als Win-Win-Situation für die öffentliche Hand und private Partner dargestellt, doch in den zugrundeliegenden Verträgen sollen der Öffentlichkeit Nutzungen entzogen werden – an dem, was inzwischen allen gehört.
3 Kommentare
1 AndreasP am 9. Mai, 2013 um 21:19
Per Vertrag wird also eine Nationalbibliothek angehalten, den Nutzern vorsätzlich falsche Rechtsauskunft zu geben. Kann so ein Vertrag von einer staatlichen Stelle überhahupt wirksam geschlossen werden? Ich wage das zu bezweifeln.
Was sagen Sie dazu?