Verschleierung verbieten? CDU-Netzpolitiker ernten Mini-Shitstorm
Wenn Empörung als Signal für Relevanz gelten kann, dann ist die Anonymität im Netz eine drängende Frage. „Und wieder ein Schritt in Richtung totale Kontrolle…“ schreibt der User „Nebukadneza“ auf Golem.de. „Rainer Phantasiename“ beobachtet bei Heise.de „Hirnflatulenzen im Subraum“ und drückt seine “Verachtung” aus. Was ist geschehen?
Am 22. Februar 2013 hat die AG Netzpolitik der CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg ein Positionspapier veröffentlicht. Erklärtes Motto der Arbeitsgruppe: „Online muss gelten, was auch offline gilt“. Das klingt nach dem gewohnten Mantra “Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein”. Für Erregung sorgt aber eine ungewohnte Position unter dem Abschnitt „Pseudonyme und Anonymität“. Dort heißt es: „Wir fordern die Untersagung einer vollständigen Verschleierung der eigenen Identität mithilfe von technischen Manipulationen.“
“Der Staat muss Straftäter stellen”
So ein Satz taugt für einen kleinen Shitstorm. Kommentatoren wittern eine Klarnamenpflicht, einen Angriff auf die Anonymität im Netz, ein drohendes Verbot von Verschlüsselungstechniken wie Tor, Proxy & Co. Das Büro des Vorsitzenden der AG Netzpolitik, Andreas Deuschle, erhält unangenehme Post. Neben wütenden Kommentaren auch eine Mail mit Schadsoftware, die zeitweise den Rechner blockiert.
Doch ist alles nur ein Missverständnis? Deuschle bemüht sich gegenüber iRights.info, die Dinge zurechtzurücken. “Wir wollen keinen Klarnamenzwang”, sagt er am Dienstag. “Das geht an der Realität vorbei.” Es gehe auch nicht darum, jeden Internetnutzer pauschal einer Straftat zu verdächtigen.
Doch warum dann die “Untersagung einer vollständigen Verschleierung”? „In dem Moment, wo es kriminell wird, muss der Staat die Möglichkeit haben, den Straftäter zu stellen”, begründet Deuschle. Die Arbeitsgruppe beschäftigt laut Deuschle zum Beispiel die Ankündigung des Amoklaufs in Winnenden im Internet, die sich nicht zurückverfolgen ließ. Auch bei der CDU in Baden-Württemberg ist die Frage der Anonymität also emotional besetzt.
Doch soll das Verbot der Verschleierung die Antwort sein? Wie wäre ein solches Verbot technisch durchsetzbar, ohne prinzipiell auf die Anonymität im Netz zu verzichten? Deuschle probiert es andersherum. „Wir wollen unter gewissen Umständen auch anonymes Surfen zulassen, weil wir wissen, dass dies mehr oder weniger die Praxis ist.“
“Wir haben keinen abschließenden Forderungskatalog”
Ganz sicher scheint sich die AG Netzpolitik ihrer Sache noch nicht zu sein. Das ist offenbar auch nicht ihr Anspruch. „Wenn wir technisch unseren Ansatz nicht verwirklichen können, dann müssen wir im Zweifel auch unsere Position aufgeben”, zeigt sich Deuschle erstaunlich ergebnisoffen. Auch handele es sich mitnichten um eine Forderung der CDU-Fraktion in Baden-Württemberg, sondern nur um einen “Diskussionsentwurf”. „Wir haben keinen abschließenden Forderungskatalog, sondern wir wollen ein Feedback bekommen.“
In jedem Fall hat die AG Netzpolitik einen Nerv getroffen, wie fast 1000 Facebook-Likes bei Golem.de zeigen. Am 7. März 2013 planen Deuschle und seine Kollegen einen Live-Chat zu ihren Vorschlägen, auch zur Anonymität im Netz. Vielleicht ergibt sich ja ein Gespräch abseits der rabiaten Reflexe.
1 Kommentar
1 obendrauf am 16. Juli, 2013 um 14:28
Wieso “Mini”? Da muss Makro oder Giga o.ä. hin! Wo sind wir denn…?
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