Störerhaftung für WLAN-Betreiber: SPD, Linke und Grüne wollen Reform
Nachdem der Bundesrat vor kurzem eine Initiative beschlossen hat, die mehr Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber bringen soll, landet das Thema heute auch im Bundestag – allerdings noch ohne Aussprache. Hintergrund des Streits sind die Probleme, die sich für WLAN-Betreiber ergeben haben, seit das Urteil des Bundesgerichtshofs im Fall „Sommer unseres Lebens” offene Funknetze zum Haftungsrisiko erklärte. Wer eines betreibt, kann demnach für Urheberrechtsverletzungen von Dritten als Störer haften, bleibt also im Zweifelsfall auf Abmahnkosten und Unterlassungsanspruch sitzen.

Foto: woodleywonderworks, CC BY
Mit der jetzt diskutierten Gesetzesänderung sollen „Mini-Provider” nun gleichsam aus der Schusslinie der Abmahnindustrie gebracht werden: Café-Betreiber, die Freifunk-Commnunity und kommunale WLAN-Projekte, auch Bürger, die ihr WLAN für Gäste offen lassen wollen. Vor allem das gerade gestartete Berliner Pilotprojekt für ein Innenstadt-WLAN ist auf eine solche Änderung angewiesen.
Erreicht werden soll das – darin sind sich die bislang bekannten Vorschläge einig – durch eine Änderung an Paragraf 8 des Telemediengesetzes (TMG). Durch ihn werden Diensteanbieter, die Informationen nur durchleiten, von der Störerhaftung befreit – eindeutig ist das bislang aber nur für die großen Zugangsprovider. Weil an der politischen Willensbildung bekanntlich Parteien mitwirken, gibt es den Vorschlag dennoch in drei Geschmacksrichtungen: Rot, noch einmal Rot (bzw. Lila) und Grün.
- Die Linke hat einen Gesetzentwurf vorgestellt, der auf einem Vorschlag von Digitale Gesellschaft e.V. basiert. Er wurde als „Copy-&-Paste-Lösung” vorgestellt und von der Linken größtenteils übernommen, in einigen Punkten – bei der Begründung und kleineren Details – jedoch geändert. Mit ihm sollen WLAN-Betreiber von der Störerhaftung ausgenommen werden und insoweit den großen Zugangsprovidern gleichgestellt werden. Dem Wortlaut nach würde die Haftungsprivilegierung auch dann gelten, wenn es „gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten”, betrifft. Und es soll klargestellt werden, dass das auch für Unterlassungsansprüche gilt.
- Die SPD hat keinen Gesetzentwurf, sondern einen Antrag vorgelegt, der an die Bundesratsinitiative anschließt. Auch im SPD-Antrag wird eine Ergänzung von Paragraf 8 TMG vorgeschlagen. Darüber hinaus will die SPD, dass die Vorkehrungspflichten gegen Missbrauch konkretisiert werden. Digitale Gesellschaft kritisierte an diesem Ansatz, damit blieben Hintertürchen für Abmahnungen und Filterpflichten weiter offen. Linke, Grüne und Digitale Gesellschaft wiederum monieren insgesamt, allgemeine Anträge gebe es inzwischen genug.
- Die Grünen haben
erst gesternschon länger angekündigt, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, heute ist er noch nicht Gegenstand im Bundestag. Die Bundesratsinitiative bezeichnet man als der Idee nach begrüßenswert, sie sei aber nichtmehr nötigausreichend, weil auch die Justizminister der Länder schon im Juni einen Beschluss mit Adressat Regierung formuliert haben. Ebenso hält man es dem Grundsatz nach mit dem Entwurf von Digitale Gesellschaft, wie Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher, bei Grün Digital schreibt. Die Idee sei gut, doch nach „reiflicher Überlegung” wolle man jetzt doch einen eigenen Entwurf vorlegen. Worin diese Überlegung besteht, erfährt man leider nicht. Die Formulierung, dass den Digiges-Entwurf „nun” die Linke eingereicht habe, legt parteitaktisches Kalkül nahe, abzuwarten bleibt letzten Endes aber der konkrete Entwurf.
Die Situation erinnert damit schon jetzt an den Hick-Hack zum geplanten Berliner Transparenzgesetz, für das Grüne, Piraten und Linke die Urheberschaft beanspruchten. Aber man kann es natürlich auch positiv sehen: Zumindest die Oppositionsparteien liefern sich nun ein Wettrennen um die Änderung der Störerhaftung, die Reformbereitschaft wächst – beim Bundesratsantrag war auch die Berliner CDU schon mit im Boot.
Wie man vorgeht, wenn man – auch als WLAN-Betreiber – abgemahnt wird, erklärt übrigens der Text: Post vom Anwalt – was tun? aus der gemeinsamen Reihe von iRights.info und klicksafe.de.
Update, 26.10.2012: Beim Bundestag ist das Protokoll (PDF) veröffentlicht, die Vorlagen gehen jetzt in die Ausschüsse.
2 Kommentare
1 JoernPL am 26. Oktober, 2012 um 12:51
Lieber David,
leider geht bei dem Part zu den Grünen doch einiges durcheinander.
1) Wir haben nicht erst gestern angekündigt, eine eigene Initiative vorzulegen, sondern haben dies bereits während den Diskussionen um die Bundesratsinitiative getan.
2) Wir sagen nicht, dass die Bundsratsinitiative, die wir ihrer Intention nach begrüßen, nicht mehr nötig war, sondern weisen lediglich darauf hin, dass es bereits eine solche Aufforderung an die Bundesregierung gibt, nämlich die der Bundesjustizministerkonferenz.
3) wir schreiben eben NICHT, dass wir den Gesetzentwurf der Digiges ebenfalls aus diesem Grund ablehnen. Das Gegenteil ist richtig: Wir begrüßen es ausdrücklich, dass – anders als die SPD es mit ihrem Antrag macht – nun ein KONKRETER Gesetzesentwurf vorgelegt wird. In seiner gestrigen Rede hat Konstantin explizit darauf hingewiesen, dass wir es ganz bestimmt auch nicht verwerflich finden, dass eine Fraktion eine Anregung aus der Mitte der Zivilgesellschaft aufnimmt.
4) den Antrag der Linken unterstützen wir ausdrücklich und haben dies auch gestern in der Rede sehr deutlich gemacht. Daher verstehen wir den Vorwurf des “parteitaktisches Kalkül” nicht ansatzweise. Wir behalten uns lediglich vor, während der nun beginnenden (gestern war lediglich die erste Lesung!) parlamentarischen Beratungen, noch einen eigenen Vorschlag zu unterbreiten – auch, um der Bundesregierung zu verdeutlichen, dass alle drei Oppositionsfraktionen der Meinung sind, dass es hier eine dringenden Handlungsbedarf gibt. Das ist ein vollkommen übliches parlamentarisches Verfahren und eröffnet zudem die Möglichkeit, eventuell doch noch an etwas prominenterer Stelle als gestern Abend über dieses so wichtige Anliegen auch tatsächlich zu debattieren (gestern handelte es sich ja lediglich um Protokollreden!).
Die Rede von Konstantin findest Du hier:
http://gruen-digital.de/2012/10/protokollrede-zur-wlan-stoererhaftung/?preview=true&preview_id=12353&preview_nonce=db980e815e
Beste Grüße!
JoernPL
Gestern Abend beriet der Bundestag in erster Lesung zwei Initiativen, die das Ziel verfolgen, Betreiber von öffentlichen WLANs von der Störerhaftung auszunehmen. Während die SPD einen entsprechenden Antrag hierzu vorlegte, legte die Fraktion Die Linke einen konkreten Gesetzesentwurf vor, der das Ziel verfolgt, das Telemediengesetz (TMG) zu ändern. Als Grüne, das könnt Ihr meiner unten stehenden Rede, die wir hier dokumentieren, entnehmen, begrüßen wir die beiden Initiativen. Wir hoffen, dass die Bundesregierung, die dies bereits angekündigt hat, sich nun ebenfalls dem Problem der großen Rechtsunsicherheit bei Betreibern von WLAN-Netzwerken annimmt und behalten uns gleichzeitig vor, im Zuge der nun beginnenden parlamentarischen Beratungen noch einen eigenen konkreten Gesetzesvorschlag zu unterbreiten.
2 David Pachali am 26. Oktober, 2012 um 13:53
Lieber Jörn,
vielen Dank für deine Anmerkungen und Klarstellungen, ich habe 1) und 2) korrigiert.
Zu 3) Das habe ich auch nicht geschrieben.
Zu 4) Ich habe geschrieben, dass die Erklärung ein parteitaktisches Kalkül nahelegt und der Entwurf abzuwarten bleibt. Worin sich der Entwurf unterscheiden soll, bleibt aber auch nach der Protokollrede offen.
Was sagen Sie dazu?