England und Europäische Kommission wollen mehr Open Access
Großbritannien soll ab 2014 auf Open Access in der Wissenschaft umsteigen, gerade hat der Staatsminister für Universitäten und Wissenschaft, David Willetts, entsprechende Pläne angekündigt, wie unter anderem der Guardian berichtet:
The government is to unveil controversial plans to make publicly funded scientific research immediately available for anyone to read for free by 2014, in the most radical shakeup of academic publishing since the invention of the internet. Under the scheme, research papers that describe work paid for by the British taxpayer will be free online for universities, companies and individuals to use for any purpose, wherever they are in the world.
Grün oder Gold?
In Open-Access-Terminologie geht es dabei um die „Golden Road” zum freien Zugang, also die Erstveröffentlichung von Artikeln und anderen Publikationen. Die Kosten für die Publikation von Artikeln würden also nicht mehr von den Bibliotheken getragen werden, sondern auf die Autorinnen und Autoren – indirekt also auf die Forschungseinrichtungen – umgelegt. Ein Gesetzenwurf ist noch nicht bekannt, das grundsätzliche Argument für Open Access dagegen schon lange: Die öffentliche Hand bezahlt für Forschungsergebnisse doppelt, in dem sie Forschung finanziert und deren Ergebnisse dann von den Wissenschaftverlagen zurückkaufen muss.
Argumentative Rückendeckung für die Regierung (und Anlass für die jüngste Ankündigung) bietet der im Juni veröffentlichte Finch-Report, den ein Team um die Soziologin Janet Finch erarbeitet hat. Dort schlagen die Autoren ebenjenen „goldenen Weg” vor und betonen die volkswirtschaftlichen Gewinne durch Open Access. Die Regierung hat sich den Folgerungen des Berichts nun weitgehend angeschlossen.
Aber auch die Auseinandersetzungen um Wissenschaftsverlage wie Elsevier, die im breit unterstützten Boykottaufruf „The Cost of Knowledge” mündeten, dürften zum Umschwung beitragen haben. Zuletzt gab etwa Winston Hide, einer der Herausgeber des Elsevier-Journals „Genomics”, demonstrativ seinen Rückzug bekannt.
Aus dem Open-Access-Lager gibt es aber auch Kritik am Vorhaben, genauer gesagt: am Weg dorthin. Im Blog „Impact of Social Sciences” der LSE verteidigt Steven Harnard die „Green Road”, also den Weg der Zweitveröffentlichung unabhängig von den Verlagen. Ähnlich äußert sich Peter Suber, der Direktor des Harvard Open Access Project, über den Finch-Report:
One can see the effect of publisher lobbying on the group’s misinformed disparagement of green OA and the group’s high priority to save incumbent publishers from risk.
Eine andere, weiter gehende Kritik am Modell der „Golden Road“ zielt darauf, es würde lediglich die Kosten eines ineffizient gewordenen Systems umverteilen. So schreibt etwa die Historikerin Maria Pretzler in ihrem Blog:
In the end, the question is whether we do need a much more radical overhaul of academic publication. Journals originally were the best (and often the only) way to make research results known to the scholarly community. (…) In the age of the internet, journals are, however, non longer the most efficient mode of disseminating research, and scholars continue to use them because they need the recognition which only publication in a reputable journal can provide.
Auch EU-Kommission will Open Access fördern
Daneben hat heute auch die Europäische Kommission bekannt gegeben, bei den von ihr finanzierten Forschungsprojekten verpflichtende Open-Access-Publikationen einzuführen. Die Presseerklärung spricht von einem „allgemeinem Grundsatz, der zunächst beim Förderprogramm „Horizon 2020” (Gesamtumfang etwa 80 Mrd. Euro) umgesetzt werden soll. Ob grün oder gold, ist der Kommission dabei gleich:
As of 2014, all articles produced with funding from Horizon 2020 will have to be accessible:
– articles will either immediately be made accessible online by the publisher (‘Gold’ open access) – up-front publication costs can be eligible for reimbursement by the European Commission; or
– researchers will make their articles available through an open access repository no later than six months (12 months for articles in the fields of social sciences and humanities) after publication (‘Green’ open access).
Und hierzulande? Passiert nicht viel, obwohl der freie Zugang zu Forschungsergebnissen in der Urheberrechtsdebatte noch das größte Konsenspotenzial haben dürfte. Vom dritten Korb, ursprünglich als Wissenschaftskorb angekündigt, hat man schon lange nichts neues mehr gehört. Übrig geblieben ist im Moment nicht viel mehr als das Leistungsschutzrecht.
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