Prof. Holznagel: Medienpolitik ungleich Netzpolitik, Urheberrecht reformieren
Das Urheberrechtsgesetz wird zu restriktiv ausgelegt und ist damit kaum geeignet, die Interessen der Öffentlichkeit angemessen abzubilden. Zu diesem Ergebnis kommen die beiden Münsteraner Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Bernd Holznagel, Direktor des dortigen Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht, sowie sein Kollege Dr. Pascal Schumacher.
In ihrem Blog „digital constitution” haben sie einen spannenden Beitrag veröffentlicht, der auch in der Zeitschrift Funkkorrespondenz erschienen ist. In diesem schildern die beiden Autoren, wie eine zeitgemäße Medienordnung aussehen könnte. Sie berücksichtigen dabei den grundlegenden Strukturwandel der Medien durch das Internet, der eine klare Trennung von Medien- und Netzpolitik zur Folge hat. Ziel der Neuordnung muss laut den Autoren die Ausbalancierung dieser beiden gegensätzlichen Bewegungen sein. Dabei behandeln sie in einem Abschnitt ihres Artikels auch den Bereich des Urheberrechts.
Kritik üben Prof. Dr. Bernd Holznagel und Dr. Pascal Schumacher vor allem an der Ausgestaltung des Urheberrecht in seiner jetzigen Form. Besonders die Interessen der Nutzer würden dabei nicht ausreichend berücksichtigt. Grund dafür sei die dominierende Rolle der Verwertungsindustrie in der Medienlandschaft. Als besondere Konfliktfelder nennen die Rechtswissenschaftler die Ausweitung des Schutzumfanges auf Software und Datenbanken, das Rechte-Buyout bei Urhebern durch Verlage und die Ausdehnung von Schutzfristen.
Dieser medienpolitische Zustand stehe im Konflikt zum an Bedeutung gewinnenden Politikfeld der Netzpolitik. Das Internet spiele dabei eine besondere Rolle. Durch die Möglichkeit der schnellen Interaktion untereinander, verlören klassische Medien an Bedeutung. Internet-Dienste wie Blogs, Facebook oder Twitter sind heutzutage maßgebend für die eigene Meinungsbildung. Klassische Medien können mit den Vorteilen der direkten Kommunikation und der schnellen Verbreitungsgeschwindigkeit von Nachrichten über das Internet, nicht mehr mithalten, so die Autoren.
Mumbai und New York seien dafür Musterbeispiele. Via Twitter informierten Augenzeugen die Weltöffentlichkeit über den Terroranschlag von Mumbai am 26.11.2008 und die Notlandung eines Airbus auf dem Hudson River in New York im Januar 2009. Bevor auch nur die erste Nachrichten-Agentur über einen der beiden Vorfälle berichtete, gab es schon Tausende von Tweets auf Twitter, die erste Fotos und Videos von den Ereignissen zeigten.
Die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung, verändern nicht nur unsere Verhaltensweisen, sondern auch die Bedingungen und Voraussetzungen, in denen das Urheberrecht in unserer Gesellschaft wirkt. Die Folge ist dem Artikel nach ein Konflikt der Netzpolitik mit der Medienpolitik, um den Schutzumfang eines moderneren Urheberrechts. Dies erkläre auch, warum die ARD und das ZDF sich für ACTA ausgesprochen haben und eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung fordern, wie Markus Beckedahl auf Netzpolitik.org kritisierte.
Die ARD-Vorsitzende Monika Piel, sowie ZDF-Intendant Prof. Markus Schächter und weitere Vertreter der Deutschen Content Allianz forderten in einer Pressemitteilung „die Bundesregierung gemeinsam dazu auf, das ACTA-Abkommen zum Schutz vor Internetpiraterie ohne weitere Verzögerung wie bereits beschlossen zu unterzeichnen und mit größerem Nachdruck als bisher eine zukunftsorientierte Reform des Urheberrechtes sowie dessen Schutz im digitalen Zeitalter in Angriff zu nehmen.“ Die Forderungen des öffentlichen Rundfunks sind für die meisten Netzpolitiker nicht akzeptabel, bedeutet ACTA für sie nicht den Schutz von Werken im digitalen Zeitalter, sondern die Einschränkungen der Freiheit im Internet.
Prof. Dr. Holznagel und Dr. Schumacher sind sich sicher, dass es ohne einen Dialog zwischen den beiden Parteien keine Lösung für den Konflikt geben wird. Eine Neuordnung der jetztigen Verhältnisse sei aber zwangsläufig notwendig. Ein Kompromiss scheint aber nicht zum Greifen nah zu sein. Die Proteste gegen ACTA und für ein modernes Urheberrecht, sowie die drastischen Reaktionen der Verlegerverbände auf Kritik am Koalitionsbeschluss über das Leistungsschutzrecht und Forderungen zeigen, wie verhärtet die Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern einer Modernisierung des Urheberrechts sind.
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