Schwarzer Tag für das Urheberrecht: Lobbyismus setzt sich vorerst durch
Gestern hat der Koalitionsausschuss der Bundesregierung getagt. Die Anwesenden haben sich entschieden, dass der Gesetzentwurf zum 3.Korb bald kommen soll. In diesem Gesetzentwurf befinden sich Regelungen zur Neueinführung des sogenannten Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Seit zwei Jahren warnen nahezu sämtliche Experten vor der Einführung dieses Leistungsschutzrechtes. je nach Standpunkt des Betrachters hätte diese Urheberrechtsverschärfung massive Auswirkungen auf die Online-Wirtschaft, auf Blogs und den Umgang mit Überschriften und Links zu und mit digital verfügbaren Informationen.
Bislang ist noch offen, was am Ende genau in diesem Gesetz stehen wird. Klar ist aber, sollte eine solche Einführung tatsächlich den Gesetzgebungsprozess erfolgreich meistern, wäre dies ein Kniefall der Bundesregierung vor den Lobbybemühungen der deutschen Presseverlage. Und dies bar jeder Kenntnis.
Im Protokoll des Koalitionsausschusses vom 04. März heißt es:
2. Urheberschutz – Leistungsschutzrecht für Presseverlage
Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass Verlage im Online-Bereich nicht schlechter ge- stellt sein sollen als andere Werkvermittler. Deshalb sollen Hersteller von Presseerzeug- nissen ein eigenes Leistungsschutzrecht für die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge oder kleiner Teile hiervon erhalten.
Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen. Damit werden die Presseverlage an den Gewinnen gewerblicher Internet-Dienste beteiligt, die diese – mit der bisher unentgeltlichen – Nutzung der Verlagserzeugnisse erzielen. Auch die Urheber sollen eine angemessene finan- zielle Beteiligung an der Verwertung des Leistungsschutzrechts erhalten. Einzug und Verteilung der Entgelte soll über eine Verwertungsgesellschaft erfolgen. Die Schutzdauer soll ein Jahr betragen.
Die private Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet wird nicht vergütungspflichtig, normale User werden also nicht betroffen sein. In der gewerblichen Wirtschaft bleiben das Lesen am Bildschirm, das Speichern und der Ausdruck von Presseerzeugnissen kostenfrei.
Bis heute ist völlig ungeklärt, welche wirtschaftlichen Folgen die Einführung eines solchen massiven Eingriffs in den Markt hätte. Es existiert bis heute keine wirtschaftliche Folgeabschätzung. Der Entwurf soll sich nach dem Wunsch der Zeitungsverleger insbesondere gegen Google News richten. Natürlich kann man diskutieren, wie kooperative Beteiligungsmodelle zwischen verschiedenen Playern im digitalen Sektor aussehen können. Ein gesetzlicher Zwang ist aber ein verheerender Schritt.
Zudem drohen durch die im Urheberrecht sehr weit gefasste “Gewerblichkeitsschwelle” auch Blogs und eine Vielzahl von anderen Angeboten in eine neue Kostenpflichtigkeit zu fallen. Da hilft es nichts, wenn die KOA im Protokoll vermerken lässt, “die private Nutzung von Presseerzeugnissen wird nicht vergütungspflichtig”. In der Praxis wird völlig offen sein, ob beispielsweise ein Flattr-Button auf der Website schon die Gewerblichkeit positiv indiziert. Das sollen dann die Gerichte entscheiden? Komplett offen ist je nach Ausgestaltung des Gesetzes auch, ob dadurch möglicherweise eine neue Abmahnindustrie geboren wird, oder wie die Umsetzung in der Praxis beispielsweise durch das Eintreiben des Geldes durch eine eventuell zu gründende Verwertungsgesellschaft aussehen soll.
Die gestrige Entscheidung des Koalitionsausschuss ist ein schwarzer Tag für das Urheberrecht und den Umgang mit verwandten Schutzrechten in Deutschland. Die Entscheidung ist rückwärtsgewandt, brandgefährlich und zeigt auf beeindruckende Weise die Macht der Presseverlage über die Vernunft und Handlungsfähigkeit der Regierungskoalition.
Es bleibt zu hoffen, dass die Bundestagsabgeordneten diesen Pläne und dem tolldreisten Lobbyismus der Presseverlage im bald folgenden Gesetzgebungsprozess Einhalt gebieten. Selbst aus den Reihen der Abgeordneten der Regierungskoalition gibt es dazu ersten Widerstand.
Alle Informationen zu den Plänen und Diskussionen rund um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage gibt es auf der Sonderseite von iRights.info und auch bei der Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL) [Disclaimer: Ich bin dort ebenfalls dabei].
4 Kommentare
1 vera am 5. März, 2012 um 08:47
Alles nicht so wild. Sagt Christoph Keese.
2 Martin am 5. März, 2012 um 12:31
Interessant. Nicht klar ist mir allerdings, inwieweit die geplanten Änderungen die Aussage “schwarzen Tag für das Urheberrecht” rechtfertigen. Entweder profitieren die Urheber finanziell (für “kleinere” Urheber eher unwahrscheinlich, denke ich), oder sie bekommen (wie auch jetzt schon) nichts, weil ihre Werke nicht mehr zitiert werden. Urhebern, denen das nicht gefällt, steht es natürlich frei, ihre Werke unter einer Lizenz zu verbreiten, die eine kostenlose Übernahme der Texte erlauben. Wo sollte also (für die Urheber) das Problem liegen? Schlecht wäre eine solche Gesetzesänderung doch eher für diejenigen, die die Werke anderer nutzen wollen und es bisher nicht so genau genommen haben mit der Grenze des im Rahmen eines Zitat erlaubten. Ob das gut ist oder schlecht, darüber könnte man sicher diskutieren, aber dann doch sicherlich nicht unter der Überschrift “Schwarzer Tag für das Urheberrecht”. “Schwarzer Tag für Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren”, trifft die Sache dann doch eher, oder nicht? Autoren und Publizisten müssten sich doch eher freuen, denke ich. Aber vielleicht fehlen mir auch einfach nur weitergehende Informationen, keine Ahnung…
3 harry am 5. März, 2012 um 18:01
Die BRD darf nichts über uns und für uns enrscheiden!Denn die BRD ist eine eingetragene Firma , im Handelsregister / Frankfurt und somit kein staat, sondern eine Nichtregierungs organisation , mit der Geschäftsführerin Angela Merkel!
4 Peter am 5. März, 2012 um 20:42
“eine eventuell zu gründende Verwertungsgesellschaft”? Dann gibt es neben GEZ und GEMA noch einen Verein zum Geld eintreiben (abzocken).
Was sagen Sie dazu?