Warum ACTA nicht in Kraft treten darf
Auf Einladung der Berliner Initiative gegen das ACTA-Abkommen hielt iRights.info-Mitgründer Matthias Spielkamp bei der Berliner Anti-ACTA-Demonstration eine der Eröffnungsreden. Wir dokumentieren:
ACTA sieht keine Netzsperren vor. ACTA schreibt nicht vor, dass Internet-Serviceprovider den Datenverkehr überwachen. ACTA allein würde keine Internetzensur mit sich bringen. ACTA würde wohl nicht dafür sorgen, dass unser Laptops am Flughafen darauf kontrolliert würden, ob wir eine DVD darauf gespeichert haben, die man nicht rippen darf.
Und nicht zuletzt: ACTA ist kein Gesetz.
ACTA ist ein internationales Abkommen, das gerade in der EU in einem komplizierten Prozess zuerst in eine Richtlinie verwandelt werden müsste, anschließend in nationale Gesetze. Bis das, was in ACTA festgehalten ist, bei uns ankommt, wird die Gesetzgebung also noch mehrfach demokratisch kontrolliert.
Kein Grund zur Aufregung also, wie uns einige ACTA-Kritik-Kritiker weis machen wollen? Lieber mal die Kirche im Dorf lassen und den Vertragstext studieren, der ja doch bei weitem nicht so schlimm ist, wie viele sagen? Statt den vielen Polemikern zu glauben, die doch in Wirklichkeit nur das Urheberrecht abschaffen wollen, weil sie zur Alles-Umsonst- oder Geiz-ist-Geil-Generation gehören und hoffen, kein Geld mehr für Musik und Filme ausgeben zu müssen?
Warum nicht auf die Parlamente vertrauen?
Warum sind wir denn überhaupt hier? Warum lassen wir die EU-Staaten, die USA, Mexiko, Japan und viele andere Länder nicht einfach ACTA abnicken und verlassen uns darauf, dass in unseren Ländern der Gesetzgeber schon nicht die strikteste Auslegung des internationalen Abkommens zum Gesetz machen wird?
Weil wir es besser wissen. Weil wir immer und immer wieder erlebt haben, dass mit jedem Schritt, den sie uns näher kommen, solche Regelungen nicht abgeschwächt werden, sondern verschärft.
Weil, um nur ein einziges Beispiel zu nennen, aus dem WIPO-Copyright-Treaty eine Regelung im deutschen Gesetz hervorgegangen ist, die es verbietet, einen wirksamen Kopierschutz zu umgehen, wie es dort heißt. Die es verbietet, Werkzeuge und Dienstleistungen anzubieten, die es ermöglichen, einen solchen Kopierschutz zu umgehen. Und die es verbietet, solche Dienstleistungen oder Werkzeuge zu bewerben.
Ich will gar nicht darauf eingehen, dass mir bis heute niemand erklären konnte, warum ein wirksamer Kopierschutz gesetzlich geschützt werden muss.
Die Folge früherer internationaler Abkommen – eine Gefahr für die Freiheit
Aber ich will darauf eingehen, dass die Rechteindustrie mit der Hilfe dieses Gesetzes nicht nur versucht hat, kopiergeschützte CDs einzuführen, die niemand wollte, die nicht funktioniert haben, und die auch für ihre treuesten Kunden der beste Anreiz waren, doch mal auszuprobieren, was es denn mit diesen sagenumwobenen Tauschbörsen auf sich hat.
Ich will darauf eingehen, dass die Unternehmen mithilfe dieses schlechten Gesetzes, das aus einem internationalen Abkommen hervorgegangen ist, noch viel weiter gegangen sind, als nur ihre Kunden zu enttäuschen. Dass sie versucht haben, journalistische Berichterstattung zu verhindern. Dass sie Abmahnungen verschickt und versucht haben zu verbieten, dass Links gesetzt werden zu Unternehmen, deren Produkte Universal und Warner und Sony und Bertelsmann nicht gefallen. Und dass diese Unternehmen es auch in vielen Fällen geschafft haben, diese Berichterstattung und diese Links verschwinden zu lassen. Und dass der Heise-Verlag, den man nicht genug dafür loben kann, bis vor den Bundesgerichtshof gehen musste, um dafür zu sorgen, dass die Rechteindustrie in ihre Schranken gewiesen wird.
Heißt das denn nicht aber, dass unser System der Gewaltenteilung funktioniert? Dass wir uns darauf verlassen können, dass ja am Ende doch wieder alles ins Lot kommt, weil die Richter freiheitsliebender sind als die Regierungen?
Natürlich nicht. Sondern es heißt, dass wir dafür sorgen müssen, dass misslungene internationale Abkommen, die hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden, gar nicht erst unterzeichnet werden – damit wir eben nicht darauf hoffen müssen, dass ein Heise-Verlag, oder ein Bündnis gegen die Vorratsdatenspeicherung den Jahre dauernden Weg durch die Instanzen antritt, um dann irgendwann darauf zu hoffen, dass die Richter das richtige tun werden.
Wir müssen unser Freiheit so früh verteidigen, wie wir können.
Viel ist inzwischen darüber gesagt und geschrieben worden, dass ACTA gegenüber früheren Fassungen stark entschärft worden ist. Das ist richtig. Aber wem haben wir das zu verdanken? Unseren Regierungen, die an den Verhandlungen beteiligt waren, und die dafür gesorgt haben, dass zwar die Lobbyisten der Rechteindustrie mit am Tisch sitzen durften, aber keine Bürgerrechtsorganisationen? Unseren Regierungen, die Jahre lang versucht haben, möglichst keine Informationen an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, damit die Verhandlungen nicht „gestört“ werden? Die eine Anfrage nach der anderen, doch bitte den Stand der Verhandlungen offen zu legen, damit beantwortet haben, dass das den Erfolg dieser Verhandlungen gefährdet?
Selbstverständlich nicht. Wir haben es denjenigen zu verdanken, die seit Jahren an den verschlossenen Türen dieser Hinterzimmer gerüttelt haben, die Anfragen mithilfe von Informationsfreiheitsgesetzen gestellt haben, um unsere Regierungen dazu zu zwingen, uns, dem Souverän, Auskunft darüber zu geben, unter welchen Regelungen wir denn in Zukunft zu leben haben.
Wir haben es Organisationen zu verdanken wie European Digital Rights, der Electronic Frontier Foundation, Knowledge Ecology International, der Digitalen Gesellschaft und vielen, vielen anderen.
Wir sind heute hier – heute, in dieser eisigen Kälte an einem Samstagmittag Anfang Februar, an dem man auch gemütlich zuhause sitzen und heißen Tee trinken könnte – wir sind heute hier um zu zeigen, dass es nicht nur diese Organisationen sind, die etwas gegen ACTA einzuwenden haben. Sondern zehntausende Bürgerinnen und Bürgern, stellvertretend für noch viele mehr, die ihre Freiheit so sehr lieben, dass sie sich dafür die Füße abfrieren. Viel Spaß also uns allen also, und viel Erfolg!
3 Kommentare
1 FindFiles.net am 11. Februar, 2012 um 23:48
Und wie (das wird nie diskutiert) soll ein Webseiten Betreiber überprüfen, ob ein gemeldeter Copyright Anspruch echt ist? Dieser Punkt muss geklärt werden.
Was sagen Sie dazu?