CDU droht Spaltung beim Urheberrecht
Rechtebewahrung um jeden Preis, Rechtsverschärfungen, überzogene Sanktionen mit fragwürdigen pädagogischen Konzepten und ein klarer Lobbyismus für die üblichen Verdächtigen aus Musik-, Film-, Presse-, und Unterhaltungsindustrie – dies war jahrzehntelanger Standard der CDU, wenn es um Fragen des Urheberrechts ging. Man musste nur die Statements der Industrie lesen, um zu wissen, was am nächsten Tag aus den Lautsprecherwagen der CDU schallte. Copy und Paste in seiner ganz traditionellen Form.
Nur vereinzelt und hinter vorgehaltener Hand konnte man aus den Reihen der Unionsfraktion hören, dass es so nicht weitergehen könne und es völlig klar sei, dass ein moderner Ansatz im Urheberrecht dringend nötig sei. Diese vereinzelten Stimmen wachsen gerade zu einem Chor an, einem Chor, der mehr als eine Meinungsverschiedenheit in der Sache ist. Der CDU droht die Spaltung beim Urheberrecht.
Von Sprechautomaten und schwarzen Witwen
Noch gibt es sie – die Sprechautomaten. Siegfried Kauder als zweifelhafter Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag ist so einer; die schwarze Witwe des CDU-Urheberrechts, Günther Krings, ebenso. Zweifelsohne mächtige Granden im parteiinternen Machtgefüge der CDU, unterstützt von einer Phalanx aus Getreuen. Sie haben ihre Partei in den entscheidenden Fragen zur Ausgestaltung von Regulierung und Verteilungsfragen im Internet – vorneweg des Urheberrechts – aber nur noch gerade so im Griff. An allen Ecken und Enden wird ihre eindimensionale und einfache Sichtweise in Frage gestellt. Mehr noch, es wird zunehmend intern und öffentlich ihre Wahrheit deutlich kritisiert. Es entwickelt sich ein Tiefdruckgebiet mit Potential für einen kräftigen anhaltenden Wintersturm.
Diese Entwicklung ist vielfach sichtbar. So hat sich in der Union in diesem Herbst die „Initiative Faires Urheberrecht“ gegründet. In ihren Leitlinien für ein zukünftiges Urheberrecht (PDF) fordern sie als Teil der Bundesregierung einen deutlichen Kurswechsel. Dazu heißt es auf der Website der Initiative: „Gerade im Schatten der jüngsten Rufe nach Netzsperren infolge von Urheberrechtsverletzungen sei es an Zeit, öffentlich zu dokumentieren, dass solche Positionierungen auch von Mitgliedern der Union kritisch gesehen würden.“ Ein Mitinitiator der Initiative, Alexander Kurz, Mitarbeiter des Chefs der CDU-geführten hessischen Staatskanzlei Axel Wintermeyer, erklärt dazu: „Wir sind der Auffassung, dass sich einzelne Abgeordnete hier in Standpunkte verrannt haben, die sowohl gesellschaftlich als auch unionsintern weder gewünscht noch mehrheitsfähig sind. Deshalb muss hier einmal deutlich sichtbar ein Stop-Schild hochgehalten werden.“
„Abweichler“ fordern Fair-Use-Prinzip im deutschen Urheberrecht
Die 30 Initiatoren aus den Reihen der CDU/CSU, unter ihnen auch Bundestagsabgeordnete, trauen sich aus der Anonymität und beziehen klar Stellung gegen den offiziellen Kurs der Union im Urheberrecht. So fordern sie, dass das Fair-Use-Prinzip im deutschen Urheberrecht eingeführt werden muss: „Mit der technischen Durchdringung ändern sich die Verhaltensweisen von Menschen. Was heute noch als Trend für wenige erscheint, kann sich morgen zum etablierten und akzeptierten Verhalten in der Gesellschaft entwickeln. Es ist dem Gesetzgeber nicht möglich, das Urheberrecht jedem dieser Entwicklungsschritte anzupassen. Hierbei muss das urheberrechtliche Schrankenmodell neu justiert werden.“ Und weiter: „Um in Streitfragen flexibel auf neue technologische Entwicklungen reagieren zu können, muss das Fair-Use-Prinzip ins Urheberrecht aufgenommen werden. Die Kriterien für ‚Fair Use’ sind so zu definieren, dass Gerichte Entscheidungen treffen können, die der Lebenswirklichkeit entsprechen.“
Sie halten Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen, die von den Kaudern und Kringsen der Partei immer wieder herbeigewünscht werden, für verfassungswidrig:
„Niemand käme beispielsweise auf die Idee, einem Kaufhausdieb als Sanktion den Zugang zu Zeitungen oder dem Fernsehen zu verbieten. Genauso absurd ist die Idee, im Falle von Urheberrechtsverletzungen, zeitweise Internetsperren zu verhängen. Der hierin liegende massive Grundrechtseingriff erscheint spätestens unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit evident verfassungswidrig.“
Dies sind nur ein paar Ansätze, die der offiziellen Parteilinie diametral entgegenstehen. Bezeichnend auch, dass die Initiatoren mit ihrer Webseite eine neue, öffentlichkeitswirksame Plattform gesucht haben, um ihrer Kritik Ausdruck zu verleihen. Rechnet man den PR-Effekt weg, bleibt es immer noch ein deutlicher Affront gegen die Alteingesessenen. Die öffentliche Bühne der Diskussion wird dem Gekungel in Hinterzimmern vorgezogen.
CDU-Wirtschaftsrat stellt sich gegen Kauder und Krings
Man könnte nun meinen, dass es ja nur 30 Personen in der Union sind, die die grundsätzliche verstaubte Haltung der Union zum Urheberrecht kritisieren, doch weit gefehlt. Gestern hat der mächtige CDU-Wirtschaftsrat die Positionen der Initiative Faires Urheberrecht begrüßt und seine Unterstützung erklärt. Noch vorsichtig in einzelnen Formulierungen und bei aller Kritik an anderen Positionierungen, ist dies trotzdem eine öffentliche Ohrfeige für die Beton-Urheberrechtsvertreter in der Union. Dorothee Belz, die Vorsitzende der Bundesarbeitsgruppe Netz- und Medienpolitik des CDU-Wirtschaftsrates und gleichzeitig Director Law and Corporate Affairs der Microsoft Deutschland GmbH, erklärt dazu: „Die anhaltende Diskussion zum Urheberrecht in der digitalen Welt verdeutlicht allen Beteiligten die Wichtigkeit, schnellstmöglich einen neuen Ansatz für eine zukunftsweisende Lösung zu entwickeln. Dies ist sowohl im Interesse der Privatnutzer wie auch der Netzbetreiber und Anbieter von Inhalten.“ Der CDU-Wirtschaftsrat vertritt nach eigenen Angaben die Interessen von 12.000 Unternehmen aus Deutschland und Europa.
Junge Union gegen Leistungsschutzrecht für Presseverlage
Auch beim Thema Leistungsschutzrecht für Presseverlage reißen die Gräben auf. Noch hinter vorgehaltener Hand gibt es bei vielen Abgeordneten aus Reihen der CDU erhebliche Verbitterung über das tolldreiste Vorgehen der Presseverleger gepaart mit großem Unverständnis über diese Forderung. Die Sorgfaltspflicht und der Quellenschutz gebietet es, hier niemanden zu outen. Dies ist aber verbunden mit dem Wunsch, dass sich viele von denen, die sich angesprochen fühlen, mutig mit ihren Überzeugungen in die Öffentlichkeit stellen. Dies auch verbunden mit dem dringenden Wunsch an die Vertreter der Union die Sachargumente abzuwägen und sich nicht von Drohungen beeinflussen und in ihrer freien Meinungsbildung als Abgeordnete unter Druck setzen zu lassen.
Deutlich gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverlage hat sich die Junge Union ausgesprochen. In Zeile 257 des Beschlusses des Deutschlandrates der Jungen Union im Papier „Freiheit und Verantwortung – Plädoyer für eine moderne Netzpolitik“ (PDF) heißt es: „Wir sprechen uns gegen die Einführung eines speziellen Urheber-und Leistungsschutzrechts für Verlage aus. Anstatt nach neuen urheberrechtlichen Spezialregeln im Onlinebereich zu rufen, fordern wir die Verlage dazu auf, sich dem Wettbewerb im Internet zu stellen und sich der Entwicklung neuer, innovativer Geschäfts- und Vermarktungsmodelle zu widmen.“
Letztgenannter Punkt berührt direkt die Frage, inwieweit marktwirtschaftliche Regelungen Grundlage des unionsinternen Umgangs mit einem solchen neuen Recht sind, oder ob ein neues Gefälligkeitsverhältnis gesetzlicher Unterstützung zugunsten der Presseverlage eingeführt wird. Gerade auch vor diesem Hintergrund gibt es in der Union eine immense Unruhe.
Handpuppe oder Glaubwürdigkeit
Die Union, und besonders die CDU, stehen vor einer Zerreißprobe. Die Reihen sind schon lange nicht mehr geschlossen. Es ist auch viel mehr als ein sachlicher Streit um Fachfragen. Jeder Einzelne in der CDU wird sich entscheiden müssen, ob sein Blick in die Vergangenheit oder in die Zukunft geht. Letztere werden politisch gewinnen, die anderen werden nach der nächsten Wahl gute Jobs in der Medienindustrie bekommen. Es ist also eine sehr persönliche Frage. Aber eine, die am Rande auch mit Glaubwürdigkeit zu tun hat, denn wer lässt sich als Politiker schon gerne als Sprechautomat von Interessen Dritter bezeichnen. Und das auch noch in der Weihnachtszeit.
7 Kommentare
1 tauss am 17. Dezember, 2011 um 17:48
Diese Versuche gab es schon in der letzten Legislaturperiode. Z. B. seitens des damaligen CDU-MdB Müller, der dann allerdings nicht auf der Landesliste abgesichert wurde und aus dem Bundestag flog. Müller hatte sich für bessere Urheberrechtsschranken zugunsten für Bildung und Wissenschaft eingesetzt.
Jörg Tauss
MdB von 1994 – 2009
2 Boomel am 18. Dezember, 2011 um 01:47
Die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht für Presseverleger , das ja im Koalitionsvertrag steht, wird noch spannend bei solchen Vorzeichen. Handpuppe oder Zukunft , eine grandiose Kurzform eines komplexen Themas :)
3 Harry am 18. Dezember, 2011 um 23:15
Was passiert, wenn man auf lobbybedingte Einzelinteressen beharrt, anstatt sich an geänderte Bedingungen anzupassen, kann man ja ganz gut an der FDP beobachten.
Wie die CDU sich hier positioniert, muss sie selber wissen
4 Garry am 20. Dezember, 2011 um 13:52
Ich kann nicht erkennen wo da eine Spaltung vorliegen soll.
Die “Initiative Faires Urheberrecht” ist genauso konservativ wie der Rest der CDU.
Die Grundaussage der “Initiative” ist nämlich weder die Legalisierung von nichtkommerziellem Filesharing wie es die Piraten fordern noch die Einführung einer Kulturflatrate wie es die Grünen und die Linke wollen, sondern: Es soll statt Internetsperren weiter Massenabmahnungen im Millionenhöhe geben.
Ich verstehe nicht wie man da von einer “Spaltung” der CDU in Sachen Urheberrecht sprechen kann. Die “Initiative Faires Urheberrecht” ist da genauso auf Hardliner-Kurs: verfolgen und verklagen…
5 Larry am 22. Dezember, 2011 um 15:44
Politisch schön und gut, aber praktisch ist diese Initiative natürlich nonsens:
Einerseits fordern sie ein einfacheres Urheberrecht, andererseits fair-use. Dabei weiss doch jeder Jurist, der bis drei zählen kann, dass “fair use” Richterrecht ist, das die Rechtslage noch komplizierter und keinesfalls übersichtlicher macht.
Die Familienpolitiker der CDU/CSU müssen sich schon entscheiden: entweder oder – beides geht einfach nicht…
Im übrigen ist der Artikel schlecht recherchiert:
z.B. fordert Krings keine keine gesetzlichen Internetsperren:
http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2011-12/22197941-krings-heveling-warnhinweise-statt-internetsperren-007.htm
Und Kauder hat sich bekanntlich gegen ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage ausgesprochen:
http://carta.info/23539/siegfried-kauder-die-verlage-wittern-morgenluft-aber-sie-haben-noch-nicht-gewonnen/
Auch Herr Otto muss sich also entscheiden: Entweder er erzählt schöne Märchen oder er recherchiert ordentlich ;-)
6 Johannes Döh am 26. Dezember, 2011 um 16:29
Soll das eine Homage an die CDU sein oder will der Autor die CDU- Wähler bei Laune halten, welche die Staarsinnigkeit ihrer Partei im Bezug auf Netzpolitik erkannt haben? In der Provinz, wo als einzig wahre Informationsquelle die Springer- Presse mit den öffentlich- rechtlichen Nachrichtensendungen ein Monopol besitzen, gibt es besonders viele CDU- Anhänger. Hört man sich in diesen Kreisen mal um, wird jedem schnell klar, dass diese Leute, bis auf wenige Ausnahmen, gar nicht wissen, wie ihre Partei zu netzpolitischen Themen steht. Viele wissen gar nicht, was ein Blog ist und Vorratsdatenspeicherung hört sich irgendwie konservativ seriös an. Auch die Zensursula- Propaganda für Internetsperren gegen Kinderpornographie wurde mit Applaus gefeiert. Die wenigen, hier erwähnten Abweichler würden besser auf ihre politische Karriere innerhalb der Union verzichten, wenn man sie für glaubwürdig ansehen soll…
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