Nach 6 Jahren Rechtsstreit: Urteil zu FAZ & SZ gegen Perlentaucher
Einige der Rezensionsnotizen des Online-Literaturmagazin Perlentaucher verstoßen gegen das Urheberrecht, hat heute das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main entschieden. Im Prinzip sei aber gegen das Vorgehen und auch das Geschäftsmodell des Perlentauchers, Rezensionen verschiedener deutschsprachiger Tageszeitungen in eigenen Worten zusammenzufassen und an Internetbuchhändler zu lizenzieren, nichts einzuwenden.

Foto: UHDL, PD
Mehr als sechs Jahre ist es nun her, dass dem Online-Literaturmagazin Perlentaucher am 18. März 2005 die erste Unterlassungsaufforderung von FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und SZ (Süddeutsche Zeitung) zugestellt wurde, mit der der Perlentaucher aufgefordert wurde, keine der so genannten Rezensionsnotizen zu vertreiben. Das sei ein Verstoß gegen das Urheberrecht und bestimmte Aspekte des Marken- und Wettbewerbsrechts, so die Verlage.
In dem sich entwickelnden Rechtsstreit ging es um viel, wie iRights.info-Redakteur Till Kreutzer anlässlich der Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) im Juli 2010 analysierte:
Letztlich geht es hierbei um die Frage, ob und inwieweit das Urheberrecht nicht nur Texte, Musik oder Filme, sondern auch Inhalte und Informationen schützt. Konkreter: Wie weit gehend das Urheberrecht Sekundärmärkte reguliert und Leistungen von Vermittlern und sonstigen Mehrwertdiensten ermöglicht, die über geschützte Werke informieren, sie ordnen oder auffindbar machen.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass FAZ und SZ nicht generell verbieten können, die Buchrezensionen in Rezensionsnotizen zusammenzufassen und weiter zu lizenzieren. Im Gegensatz zu Landgericht und Oberlandesgericht vertrat der BGH aber die Auffassung, dass die Übernahme der Rezensionen im konkreten Einzelfall die Urheberrechte der Verlage verletzten könnte. Der BGH hob daher die Berufungsurteile teilweise auf. Das OLG musste nun prüfen, ob die Verbreitung einzelner konkreter Rezensionsnotizen des Perlentauchers das Urheberrecht verletzen.
Das ist der Fall, entschied das OLG: Neun von zehn der beurteilten Notizen zu FAZ-Rezensionen und vier von zehn der Notizen zu SZ-Rezensionen verletzen die Urheberrechte der Verlage, sagt das Gericht, wie der Perlentaucher berichtet. Daher muss der Perlentaucher die Notizen aus der Datenbank entfernen und den Verlagen Auskunft über die Einnahmen geben, die er mit diesen insgesamt 13 Abstracts erzielt hat, und Entschädigung leisten.
Mit den heute vorhandenen Informationen gibt es in den grundsätzlichen Fragen allerdings noch immer keine Klarheit, denn die Urteilsbegründung liegt bisher nicht vor. In der Pressemitteilung des OLG heißt es:
Diese Abstracts bestünden mehr oder weniger aus einer Übernahme von besonders prägenden und ausdrucksstarken Passagen der Originalrezensionen, von denen lediglich einige Sätze ausgelassen worden seien. Sie stellten deshalb eine unzulässige “unfreie” Bearbeitung im Sinne des Urhebergesetzes dar und hätten ohne die Einwilligung der Klägerinnen nicht übernommen werden dürfen. In diesem – eingeschränkten – Umfang gab das Oberlandesgericht den Berufungen deshalb statt und änderte die vorausgegangenen Urteile des Landgerichts ab.
Die Verurteilung der Beklagten lässt keine allgemeine Aussage darüber zu, in welchem Umfang die Übernahme von Buchrezensionen urheberrechtlich zulässig ist. Jede Übernahme oder Verarbeitung muss vielmehr im Einzelfall daraufhin überprüft werden, ob sie eine zulässige freie Bearbeitung des Originaltextes darstellt.
Nach Angaben des Perlentauchers handelt es sich bei den beanstandeten Formulierungen um Ausdrücke wie “weltanschauliches Anliegen” oder “langatmige Ausbreitung von Altbekanntem”, die von FAZ und SZ als besonders “originell”, “einprägsam” oder “künstlerisch” dargestellt worden waren. Dem schloss sich das OLG jetzt an.
Wie in Zukunft zwischen Ausdrücken, die urheberechtlich geschützt sind, und solchen, die es nicht sind, unterschieden werden kann, und welche Anstrengungen unternommen werden müssen, das zu tun, ist also bislang offen. Ob das Urteil dazu generelle Klarheit schaffen kann, ist mehr als fraglich.
Zu der eng mit dem Perlentaucher-Fall verknüpften Debatte um ein Leistungsschutzrecht hat die Redaktion von iRights.info ein ausführliches Dossier erstellt.
7 Kommentare
1 Design Pavoni Verlag am 3. April, 2012 um 18:00
Und das nach Guttenberg & Co … Mensch Meier, wie ist es nur inzwischen in diesem Land um das Urheberrecht gestellt?
Es kommt noch so weit, dass die Verlage und Portale überhaupt nichts mehr an Fremdmaterial aus den Medien verwenden dürfen. Dabei fragt man sich doch, welchen Nutzen die FAZ und SZ von einem 6-jährigen Prozess haben und vor allem wie soll man den als Verlag oder Unternehmen in der Literaturwelt überhaupt noch ein Buch anpreisen, wenn keiner mehr darüber sprechen oder schreiben darf. Meiner Meinung nach wird die Sache mit dem Urheberrecht ganz schön hochgeschaukelt und wie man sieht vorzugsweise von exakt den Mannen, die sich selber doch nur zu gerne des fremden Gedankengutes bedienen. Und wenn ich es mir so richtig überlege, ist das vielleicht auch nur ein strategischer Schachzug der Printmedien, um es den kostenlosen Anbietern der aktuellen Berichterstattung im World Wide Web nur deshalb schwieriger zu machen, um die eigene Existenz und bisweilen doch sehr fragwürdige und überaltete Daseinsberechtigung zu sichern.
Nein, in diesem Land gibt es nicht das Leben und leben lassen des Mitbewerbers und gerade die Erfahrung der letzten 3 Jahre in der Verlagswelt haben mir gezeigt, dass es dringenst an der Zeit, ist die alten Seilschaften in der Literaturszene ala “La Familia da Printa” aus den Angeln zu heben.
Nicole J. Küppers
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