E-Books jetzt mit Ablaufdatum, Bibliothekare fordern Boykott
Künstliche Verknappung durch DRM und Lizenzgestaltung ist bei E-Books nicht neu. Wer über den Web-Dienstleister „Onleihe”, der von vielen deutschen Bibliotheken verwendet wird, ein Buch besorgen möchte, wird es kennen: Ein bereits „entliehenes“ E-Book kann nicht ein weiteres mal ausgegeben werden, wenn nicht weitere Lizenzen gekauft wurden.
Der US-Verlag HarperCollins will E-Books für Bibliotheken ab kommender Woche nun auch mit einem Ablaufdatum versehen. Nach 26 Ausleihen soll die Lizenz erlöschen – Bibliotheken müssen die E-Books dann erneut erwerben.
Zuerst war die Nachricht leicht zu übersehen: Der E-Book-Grossist Overdrive schickte letzte Woche ein vierseitiges Schreiben (PDF) an die Bibliotheken. Darin finden sich einige wohlklingende Ankündigungen unter dem Titel „Improved User Experience for your Customers” – gefolgt von einem Absatz, der über neue Lizenzbedingungen informiert. Um den Kunden weiterhin besten Service und einen breiten Katalog anbieten zu können, müsse man die Lizenzbedingungen für E-Books eines teilnehmenden Verlages ändern. Genaueres werde man dazu bald kommunizieren, heißt es.
Das Library Journal berichtete dann, dass es sich bei dem noch ungenannten Verlag um HarperCollins handelt. Bei der festgelegten Zahl von 26 Ausleihen habe man „verschiedene Faktoren” berücksichtigt – zum Beispiel die durchschnittliche Lebensdauer eines gedruckten Buches, wird HarperCollins-Verkaufsleiter Josh Marwell zitiert.
Das war nicht geeignet, unter Bibliothekaren Sympathiepunkte zu sammeln. Die in den folgenden Tagen entstehende Aufregung lässt sich bei Twitter unter dem Hashtag #hcod nachlesen.
Im Zuge dessen kam es auch zu Boykott-Aufrufen gegen HarperCollins, die in einer Website mündeten: boycottharpercollins.com
Darüber hinaus wird in den amerikanischen Blogs zum Thema jetzt eine Bill of Rights für E-Book-Leser diskutiert (unter anderem bei Meredith Farkas, Confessions of a Science Librarian und bei bibliothekarisch.de auf deutsch). Die Forderungen:
- Lizenzen, die statt Beschränkungen Zugang ermöglichen
- das Recht, E-Books auf selbstgewählter Hard- und Software nutzen zu können
- das Recht auf Notizen, Zitate und Drucken sowie das Teilen von Inhalten im Rahmen des Fair Use
- das Recht auf dauerhaftes Speichern, Archivieren, Teilen und Wiederverkaufen.
Bei Overdrive versucht man mittlerweile, mit einem offenen Brief die Wogen zu glätten und kündigte an, E-Books von HarperCollins in einem separaten Katalog zu vertreiben. Am Montag hat auch HarperCollins einen offenen Brief an Bibliothekare veröffentlicht. Beim erneuten Kauf von E-Books nach Lizenzablauf werde es Preisnachlässe wie beim Taschenbuch geben. Na dann.
4 Kommentare
1 Leander Wattig am 3. März, 2011 um 22:16
Es gibt auch ein lustiges Video zum Thema:
http://leanderwattig.de/index.php/2011/03/03/bibliothekare-antworten-auf-harpercollins-ausleihbeschrankung-fur-e-books/
2 David am 4. März, 2011 um 08:26
Sieh an ;)
Danke, kannte ich noch gar nicht.
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