GVU: „Wir waren’s nicht, also bitte seriös mit den Tatsachen umgehen!” Machen wir gern.
Am Freitag haben wir auf unserer Seite auf das Symposium „Verbotene Filme“ hingwiesen, das iRights.info und Deutsche Kinemathek gemeinsam am 9. und 10. September 2010 in Berlin veranstalten werden. Stars der internationalen Mashup-Szene treffen dort auf Filmemacher, deren Filme nicht gezeigt werden dürfen, und auf solche, deren Projekte aus rechtlichen Gründen gar nicht erst verwirklicht werden konnten.
Eine interessante Mischung, zu deren Ankündigung der aktuelle Streit zwischen der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) und den Filmemachern Mario Sixtus und Alexander Lehmann passte. Filme von Sixtus und Lehmann waren vom Video-Hoster Vimeo vom Netz genommen worden. Anschließend waren Mails an die beiden verschickt worden, in denen Folgendes stand:
This is to notify you that, as a result of a third-party notification by Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen claiming that the material is infringing, we have removed or disabled access to the material that appeared at http://www.vimeo.com/[hier die jeweiligen Video-IDs].
Auf Deutsch:
Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass, aufgrund einer Mitteilung der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen, in der behauptet wird, das Material sei rechtsverletzend, wir Material entfernt oder unzugänglich gemacht haben, das sich hier befunden hat: http://www.vimeo.com/[hier die jeweiligen Video-IDs]
Ganz abgesehen davon, dass die Formulierung im Englischen ähnlich furchtbar wie in der Übersetzung ist, sieht das recht eindeutig aus. Ebenso wie auf der Vimeo-Seite (Screenshot via):
Das Pikante daran: Weder Sixtus noch Lehmann hatten fremde Rechte verletzt; die Filme waren sogar größtenteils unter Creative-Commons-Lizenzen veröffentlicht, die es explizit erlauben, sie weiter zu verbreiten.
Heise meldete im Artikel unter der Überschrift Videoportal sperrte Filme wegen falscher GVU-Behauptungen entsprechend
Ein aktueller Fall zeigt einmal mehr, dass die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) wenig zimperlich gegen vermeintliche Rechtsbrecher vorgeht. Per Mitteilung hatte sie am gestrigen Montag den Videohoster Vimeo dazu aufgefordert, eine Reihe von Filmdateien für den Zugriff zu sperren, weil die Verbreitung angeblich Urheberrechte Dritter verletzt.
Wie zu erwarten war, ging es anschließend hin und her, auch ziemlich hoch: Der Fall schaffte es auf die Startseite von Digg. Ein Desaster für die GVU.
Aber halt: Sie war es gar nicht! Sondern die Firma OpSec Security GmbH, die im Auftrag der GVU das Netz nach Filmen durchstöbert, die – vermeintlich oder tatsächlich – das Urheberrecht verletzen. Nur nicht in diesem Fall: Beim Vorgehen gegen Sixtus und Lehmann hat die OpSec Security GmbH ohne direkten Auftrag der GVU gehandelt. Zumindest war das die Aussage, auf die sich beide Unternehmen nach etwa einem Tag Bedenkzeit gegenüber Mario Sixtus einigen konnten.
Sixtus und Alexander Lehmann, die über ihren Anwalt Udo Vetter von OpSec und GVU eine Unterlassungserklärung gefordert hatten, bekamen sie entsprechend nur von der Firma OpSec Security GmbH. Denn, so Vetter:
In einem Prozess gegen die GVU müssten Sixtus und Lehmann beweisen, dass die GVU doch Auftraggeber war und somit für die eingestandenen Fehler der OpSec Security GmbH mit haftet. Weder Sixtus noch Lehmann haben Einblick in die (Vertrags-)Beziehungen zwischen GVU und der OpSec Security GmbH. Somit dürfte es ihnen kaum möglich sein, den Nachweis zu führen.
Der Geschäftsführer der GVU, Dr. Matthias Leonardy, hat uns nun wiederholt per Mail “zum seriösen Umgang mit den Tatsachen” aufgefordert, die darin bestehe, von unserer “verzerrenden Darstellung” abzurücken und nicht länger zu schreiben, es handle sich um ein Vorgehen der GVU gegen die Filmemacher Sixtus und Lehmann. Leonardy schreibt:
Wenn Sie sich mit dem Vorgang, den Sie in Bezug nehmen — die Löschung von Links zu online gestellten Filmbeiträgen der Autoren Sixtus und Lehmann — in der gebotenen Seriosität befasst hätten, hätten Sie zunächst festgestellt, dass die GVU die Löschung weder selbst durchgeführt noch veranlasst hat. Auch wenn dies zunächst fälschlich medial so kolportiert wurde, ist dies zwischenzeitlich hinlänglich öffentlich richtiggestellt worden; auch Herr Sixtus selbst hat dieses aufgenommen: http://sixtus.cc/ .
Ebenso unmissverständlich ist klargestellt worden, dass es sich bei den genannten Löschungen um einen bedauerlichen Irrtum gehandelt hat, der umgehend korrigiert wurde. Sie suggerieren stattdessen, es handle sich bei der Löschung um eine Freiheitsbedrohung gegen das Machen und Veröffentlichen von Filmen. Gemeint ist offenbar die Kunst-, Meinungs-, Presse, Berufs- und allgemeine Handlungsfreiheit der Filmschaffenden. Das kann man nur so interpretieren, als würde die GVU gezielt durch Löschungen o.ä. gegen Meinungen oder Kunstformen vorgehen.
Indessen wissen Sie – oder sollten es zumindest wissen – dass die GVU keinerlei Kontrolle von Film- oder sonstigen Kreativ-Werken dahingehend vornimmt, ob der Inhalt der Werke selbst rechtskonform oder etwa (wem auch immer) “genehm” ist, sondern ausschließlich dahingehend, ob die Verbreitung Leistungsschutzrechte der GVU-Mitglieder verletzt.
Wir haben daher die Formulierung von “Das Vorgehen der GVU gegen die Filmemacher Mario Sixtus und Alexander Lehmann” geändert zu “Das Vorgehen der OpSec Security GmbH gegen die Filmemacher Mario Sixtus und Alexander Lehmann”. Wir freuen uns natürlich, dass der GVU eine präzise Darstellung bei iRights.info am Herzen liegt, fragen uns allerdings gleichzeitig, ob Herr Leonardy bei Spiegel Online, Heise und anderen auch schon vorstellig geworden ist, wo weiterhin vom Vorgehen der GVU gegen die Filmemacher die Rede ist.
Erfreulicherweise haben sich Matthias Leonardy und Mario Sixtus bereit erklärt, den Fall bei der Abendveranstaltung des Symposiums in der Berliner Homebase Lounge zu diskutieren. Wir sind gespannt auf eine erhellende Auseinandersetzung.
1 Kommentar
1 Hardy Prothmann am 17. August, 2010 um 17:35
Guten Tag!
Gute Zusammenfassung.
Viel Erfolg heute Abend.
Gruß
Hardy Prothmann
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