Anhörung des Justizministeriums zum 3. Korb der Urheberrechtsnovelle: Open Access
Das Bundesjustizministerium veranstaltet heute die zweite Anhörung zum so genannten 3. Korb der Urheberrechtsnovelle. Ich werde versuchen, die wichtigsten Diskussionspunkte mitzubloggen, so lange es um Open Access geht.
Hubert Weis vom BMJ führt ein, warum das Thema Open Access auf die Tagesordnung gekommen ist. Er nennt die Stichworte Publikationskrise, Anbietungspflicht, Zwangslizenz, Zweitverwertungsrecht. Hintergrund hier.
These sei, dass es gibt keine ausreichende freie Publikation von Forschungsergebnissen gebe. Weis: “Fragen wir un erster Runde die Wissenschaftsverlage, ob es in ausreichendem Maß freien Zugang zu wiss. Publikationen gibt.”
Los geht’s:
Christian Sprang vom Börsenverein des deutschen Buchhandels: Ich erlaube mir eine kleine Korrektur: es kann nicht sein, dass es um kostenfreien Zugang zu wissenschftl. Publikationen geht. Das ist der Fall bei der Golden Road, die es bei den meisten Verlagen gibt. Der Autor oder sein Arbeitgeber trägt die Publikationskosten, dann ist der Beitrag unentgeltlich verfügbar. Unentgeltlich kann nicht bedeuten, dass etwas kostenlos angeboten wird, wofür der Verlag selber eine Leistung erbringt, die nicht von der öffentlichen Hand bezahlt wird. Selbstverständlich kostenlose Angebote, wenn die Kosten bezahlt sind, nicht, wenn der Verlag selber eine Leistung erbringt, die Geld wert ist.
Barbara Kalumenos, Director of Public Affairs bei STM, einem Verband wissenschaftlicher Verlage, weist darauf hin, dass es heute “neue Entwicklungen wie HTML, mobile Computing” gebe, da muss es für die Verlage die Chance geben, dass sie die Investitionen wieder verdienen.
Rainer Kuhlen vom Aktionsbündnis für Urheberrecht und Wissenschaft weist darauf hin, dass es keine Institutionen gibt, die Wissenschaftler über eine Publikationspflicht dazu verpflichten wollen, ihre Erstveröffentlichungen Open Access zu publizieren. Es gehe lediglich um eine Anbietungspflicht für Zweitveröffentlichungen, wenn die Erkenntnisse mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden. Niemand habe etwas dagegen, dass Autoren in kommerziellen Verlagen publizieren. Das sei aber eine andere Frage, ob der Gesetzgeber Geschäftsmodelle der Verlage über das Urheberrecht schützen wolle.
Vertreter Deutscher Bibliotheksverband: Wir beobachten so etwas wie Marktversagen. Bestimmte Titel sind Monopolstrukturen. Keine Bibliothek kann auf diese Titel verzichten, das zeigt sich in der Preisgestaltung. Der Gesetzgeber muss diese Monopolstrukturen aufbrechen
Vertreter des Open Access-Arbeitskreises der Helmholtz-Gemeinschaft: In der Wissenschaft sind Autoren gezwungen, bei bestimmten Publikationen zu veröffentlichen. Sie sind gezwungen, in einem der so genannten Core Journal des Verlags Thomson Reuters zu publizieren. Es gibt zwar inzwischen gute OA-Journals, aber das reicht nicht aus.
Timo Ehmann Aktionsbündnis Urheberrecht: Es besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Beispiel: GRUR, Auflage 3500 Exemplare, Einzelheft 44 Euro, pro Ausgabe mehr als 120.000 Euro Einnahmen; ich habe etwas veröffentlicht, dafür gab’s 350 Euro, d.h. ca. 1-3% Autorenhonorare in den Produktionskosten. Aber es geht nicht nur um Ökonomie, es bestehen auch sehr lange Wartezeiten, bis etwas veröffentlicht wird.
Christoph Fiedler, VDZ: Finde es problematisch zu sagen, das Urheberrecht soll dem Verleger nicht ermöglichen zu entscheiden, wie er etwas veröffentlichen will. Die Vorschläge laufen auf ein Parallelveröffentlichungsrecht hinaus. Da muss man vorher sehen, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt.
Lipp, Leiterin Informationsversorgung, DFG: Es gibt einen Handlungsbedarf dort, wo der Grüne Weg unterstützt werden soll, also die Veröffentlichung des Originalformats nach einer gewissen Frist. Derzeit müssen Autoren fast immer ausschließliche Verwertunsgrechte abtreten. Nach einer gewissen Embargofrist soll das einfach Verwertungsrecht an den Autoren zurückfallen. Zweck der Publikation ist Verbreitung, nicht Kommerzialisierung.
Werner, Wissenschaftsministerium Sachsen und KMK: Auch die Länder sehen Handlungsbedarf. Es muss schnelle Verbreitung gewährleistet sein. Das allein über Verlage zu ermöglichen, geht nicht, es ist ein Zweitveröffentlichungsrecht einzuräumen. Horrende Preissteigerungen lassen große Probleme entstehen.
Weis (BMJ): Soll es eine Anbietungspflicht geben?
Kuhlen: Veröffentlichung soll vertraglich so geregelt werden, dass nach Peer Review Publikationen zur Verfügung stellen, also eine Art Minus-Embargo. In der Berlin-Brandenburgsichen Akademie der Wissenschaft hat das offenbar über eine einfache Änderung der Arbeitsverträge funktoniert. Vor Jahren hat man ähnliches bei der Patentierung getan durch das Arbeitnehmererfindergesetz. Der Aufschrei, das sei das Ende des Abendlandes, Wissenschaflter werden nicht mehr erfinden, wenn es das gibt – nichts ist passiert. Wenn es dann keine Geschäftsmodelle der Verlage gibt, tant pis – dann gibt es eben keine.
DFG: Anbietungspflicht widerspricht Grundsätzen der Wissenschaft. Es darf keinen Zwang geben, weder zu Erst-, noch zu Zweitveröffentlichung.
Wolfgang Schimmel, verdi: Anbietungspflicht hat im Urheberrecht nichts zu suchen, das ist rein Sache von Arbeits- und Tarfiverträgen.
VDS Bildungsmedien: Es steht jedem Wissenschaftler frei, sein Werk der Universität anzubieten. Vermischt wird die Frage nach der Informationsfreiheit und ob ich in einem renommierten Journal veröffentlichte Beiträge weiter verwerten darf.
Kuhlen: In anderen Ländern ist es sehr deutlich, dass es Anbietungspflichten gibt – in Ländern, in denen die Wissenschaftsfreiheit nicht bedroht ist, z.B. in den USA, aber auch in Förderrichtlinien der EU.
Sprang: Wäre ein eindeutiger Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit.
Helmholtz-Gemeinschaft: Muss dem widersprechen. Die Gemeinschaft schreckt vor Anbietungspflicht zurück, weil sie keine Spitzenwissenschftler mehr anziehen können, da die Wissenschaftler gezwungen sind, in Zeitschriften mit Monopolstrukturen zu veröffentlichen und daher keine Bedingungen akzeptieren. Kein Wissenschaftler beklagt einen Eingriff in seine Wissenschaftsfreiheit.
Pflüger, Wissenschaftsministerium Stuttgart: Anbietungspflicht ist ganz klar nicht verfassungswidrig.
Jetzt Frage nach Zwangslizenzierung: keine Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt
Also TOP 3: Zweitverwertungsrecht (Änderung des §38 UrhG) – Hintergrund: Gerd Hansen: Zugang zu wissenschaftlicher Information – alternative urheberrechtliche Ansätze (PDF)
Sprang: Urheber unbenommen, mit Verlag zu verhandeln, wie er Beiträge zweitvertwerten kann und ob er einen Verlag haben will. Wenn er das tut, wird er es mit Blick auf optimale Sichtbarkeit tun. Wenn das ein Verlagspartner ist, muss er in Sichtbarmachung investieren, und diese Inv. muss er verdienen, in einem harten Wettbewerb. Das setzt voraus, dass der Verlag Rechtspositionen rechtssicher erwerben kann. Aus Sicht des Verlags kann es nicht von vornherein so sein, wann seine Veröffentlichung zum Freigut wird. Dann hätten wir nicht nur eine Schranke im UrhG des Urhebers, die in der EU nicht verankert ist, sondern auch noch eine Enteignung der Verlage. Dort rentieren sich bisweilen schon jetzt Publikationen nicht mehr. Letzlich würde es dem Autor schaden, weil er keinen Partner mehr finden kann. Sprang spricht davon, dass der Autor “frei kontrahieren” kann.
Gabriele Beger, Dt. Bibliotheksverband: Änderung des §38 will Wissenschaftler genau nicht zwingen, etwas zu tun, was er nicht will. Es muss stattdessen genau der Urheber sein, der gestärkt werden soll. Er darf nicht mehr in einer schwächeren Situation sein, und es soll auch nichts parallel veröffentlicht werden. Veröffentlichungen in Zeitschriften sind nach einem halben Jahr ohnehin oft obsolet. Es geht nicht um eine Zwangslizenz und Druck auf Urheber. Er kann, wenn er es will, darauf verzichten. Aber Monopolisten können keinen Druck mehr ausüben.
Anke Nordemann-Schiffel, Bundesrechtsanwaltskammer: Diskussion um Open Access zieht die Diskussion vom Nutzer her auf. Es geht um ein Zweitverwertungsrecht, nicht um Zweitverwertungspflicht. Hat aber mit Open Access nichts zu tun. Es geht nicht um Stärkung der Autorenrechte.
Kuhlen: §38 hat mit Schrankenregelungen nichts zu tun. Natürlich wissen wir, dass Elsevier und andere schon Zweitveröffentlichungen erlauben, aber das ist eine Art Gnade, die jederzeit wieder entzogen werden darf, und auf die wir Wissenschaftler uns nicht verlassen wollen. Mit §38 ist nicht geholfen.
Till Jaeger, IFROSS: §38 ist keine OA-Regelung. Aber er ist als Missbrauchsschutzregelung erforderlich. Er sollte auch nicht nur für Wissenschaftspublikationen gelten. Die kleinen Verlage haben damit überhaupt kein Problem. Das tatsächliche Problem ist die Internationalisierung der Verlagsszene. Publikationen sind in Zukunft nur noch online über u.U. sehr teure Repositorien zugänglich, d.h. §38 kann Schutz davor bieten, dass Werke gar nicht mehr zugänglich sind.
Dt. Bibliotheksverband: Wissenschaftler sind verunsichert, welche Verträge sie unterschrieben haben. Es wäre eine große Hilfe, wenn die Universität sicher wüsste, was der Status ist.
Ehmann: Müssen kollisionsrechtliche Bedenken ausklammern, denn wenn wir im dt. Recht etwas regeln, dann machen wir das im dt. Recht. Mit dem hohen Lied auf die maximale Freiheit, das Herr Sprang singt, könnte man das gesamte Arbeitsrecht abschaffen mit dem Hinweis darauf, jeder Arbeitnehmer kann sich den Arbeitgeber, der ihn ausbeutet, selber aussuchen.
Schimmel, verdi: Wer nicht bei einem renommierten Verlag publizieren kann, kommt nicht voran. Das nutzt der Verlag aus in Richtung auf Autoren und Käufer (Bibliotheken). Ich wundere mich über die Treuherzigkeit, mit der die Wissenschaftler immer wieder zu denen laufen, die sie ausbeuten. Der Gesetzgeber sollte mit den mildesten Mitteln herangehen. §38 bietet da eine gute Möglichkeit. Das hausgemachte Problem darf nicht damit gelöst werden, dass man das Selbstbestimmungsrecht der Urheber beschränkt. Gehen sie in die Bibliothek, da haben sie Open Access.
Sprang: Kollisionsrechtliche Probleme bestehen schon mit der Schweiz, worauf Hilty und Peukert hingewiesen haben. §38 ist eben doch eine Schranke. Der Urheber kann seine Rechte nicht mehr uneingeschränkt auf den Verlag übertragen, damit ist eine Entscheidungsfreiheit genommen. Schauen sie doch mal bei Subito nach, wann dort Zeitschriftenbeiträge bestellt werden. Ein Großteil der Erlöse wird erst spät erwirtschaftet.
Jaeger, IFROSS: Kollisionsprobleme gibt es schon so lange wie das Urheberrecht, man denke nur an Urheberpersönlichkeitsrechte, die es in anderen Ländern nicht gibt.
Barbara Kalumenos, STM: Wir haben durchschnittlich drei Autoren pro Artikel. Embargozeit: Es ist nicht richtig zu sagen, nach sechs Monaten wird nicht mehr genutzt, bei Life Sciences ist das so, aber in der Mathematik sind es drei Jahre.
Pelzer, Justiziarin Leipniz-Gemeinschaft: Wenn Wissenschaftler einheitlich Zweitverwertungsrecht hätten, hätten wir einen größeren Handlungsspielraum. Wir sind für Embargofrist, Unterscheidung nach Dsiziplinen ist nicht sinnvoll wg. interdisziplinärer Forschung. Wir müssen weg von den Knebelverträgen der Wissenschaftsverlage.
Weis (BMJ) weist darauf hin, dass man in der Kollisionsfrage nicht immer defensiv sein muss, man könne auch mit Gesetzesinitiativen Vorreiter sein. Aber für den Gesetzgeber ist es schon wert zu fragen, ob man mit einem Zweitverwertungsrecht 5% deutsche Verlage zum Adressaten macht, aber 95% des Marktes (ausländische Verlage) nicht. Allein die Tatsache, dass man von der Richtigkeit des eigenen Konzeptes überzeugt ist, reicht nicht aus.
Pflüger, Wissenschaftsministerium BaWü: Aus Romeo-Sherpa-Liste ist zu entnehmen, dass Großteil int. Verlage Zweitverwertung zulassen.
Kuhlen: Man bringt dt. Urheber in bessere Vertragsposition. Man muss aber auch deutlich solche Regelungen in andere Länder tragen. Da hilft es immens, wenn Deutschland Vorreiter wäre. Wir haben dazu ja auch das European Network for Copyright in Support of Education and Science gegründet. Sammelbände und Proceedings sollten mit eingeschlossen werden in Regelung, nicht nur Zeitschriften, evtl. auch Bücher.
Schluss.
6 Kommentare
1 Harald Mller am 13. Juli, 2010 um 13:31
Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen hat eine klare Position: Stärkung des Urhebers über § 38, aber kein Zwang. Wie die Ministerin in ihrer Berliner Rede sagte: Das Urheberrecht gehört dem Urheber.
2 HvD am 13. Juli, 2010 um 23:45
Gibts denn davon vielleicht eine Aufzeichnung?
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