Leistungsschutzrecht: Marshallplan für alte Träume
Gestern hat die Redaktion von iRights.info das monatelange Katz-und-Maus-Spiel der Presseverlage gegenüber der Öffentlichkeit, der Politik und der Wirtschaft mit der Veröffentlichung eines bislang geheimen Gesetzentwurfs zum ominösen neuen Leistungsschutzrecht beendet. Der Entwurf beinhaltet höchst problematische Vorschläge, die bei Umsetzung zu „einer nie dagewesenen Rechtsverwirrung“ führen würden. Auch haben sich die Gewerkschaften ver.di und DJV grundsätzlich dazu entschlossen, die Einführung eines solchen rechtssystematisch höchst fragwürdigen Rechts zugunsten der Presseverlage und zu Lasten von Nutzern und Urhebern mitzutragen.
iRights.info hat dazu eine sehr lesenswerte Analyse des gemeinschaftlichen Vorhabens von Presseverlagen und Gewerkschaften verfasst. In ihr wird aufgezeigt, wie widersprüchlich und widersinnig dieses Vorhaben ist. Dass der Entwurf nun durch iRights.info erstmals veröffentlicht wurde, schlägt Wellen. Schließlich warten alle seit Monaten darauf, dass die Presseverlage endlich einmal sagen, was sie wollen. Dass die Forderung nach einer Einführung eines solchen Leistungsschutzrechts 1:1 im Koalitionsvertrag der Regierungskoalition steht und auch gestern der Pressesprecher des Bundesjustizministeriums Schütt nochmals betonte, eines sei sicher „das Leistungsschutzrecht wird kommen“, wirft weitere Fragen auf. Möglicherweise bar jeder Kenntnis des genauen inhaltlichen gemeinschaftlichen Vorstoßes von Presseverlagen, ver.di und DJV sollen unter Ausschluss der betroffenen Öffentlichkeit Fakten geschaffen werden.
Die eigentliche Frage ist aber nicht, wie ein solches Recht aussehen soll, sondern warum es ein solches Recht überhaupt braucht. Auf diese Frage gibt es keine zufriedenstellende Antwort. Dies nicht einmal von den Befürwortern. Spötter würden sagen, das ist eine Mövenpick-Aktion der Presseverlage, weil sie ihren eigenen Geschäftsmodellen nicht mehr vertrauen. Spott ist aber nicht angebracht, dazu sind die Pläne zur Einführung eines solchen einseitigen Monopolrechts viel zu gefährlich. Vielen Industrieverbänden, Interessenverbänden, Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Nutzern ist noch gar nicht bewusst, was da in den letzten Monaten hauptsächlich in Fachgremien spekuliert und diskutiert wurde. Die Auswirkungen hinsichtlich hoher Kosten für Unternehmen wie auch öffentliche Einrichtungen dürften dramatisch sein. Wie dies konkret geregelt werden soll, wird von den Presseverlagen und den Gewerkschaften bislang ebenfalls verschwiegen. Zudem droht ein nie dagewesenes Rechtschaos, das der vielfach beschworenen Forderung, die deutsche Gesetzeslandschaft fit für das Internetzeitalter zu machen, einen Bärendienst erweisen dürfte.
Man kann nur hoffen, dass die Diskussion über Sinn und Unsinn eines solchen Marshallplans für die Presseverlage nun auch in der breiten Öffentlichkeit ankommt. Die Argumente der Befürworter sind so schwach, dass es tragisch wäre, wenn die nun veröffentlichten unausgegorenen Elaborate ihren Weg in das Urheberrechtsgesetz finden würden. Dies wäre zudem ein Katalysator und eine enorme Beschleunigung des vielfach beschriebenen Akzeptanzverlusts des Urheberrechts. Zwanghafte Besitzstandswahrung wird nicht zum Erfolg führen. Ich bin gespannt, wann Presseverlage und Gewerkschaften das verstehen.
11 Kommentare
1 Torsten am 8. Mai, 2010 um 13:32
Blöde Frage – wo ist die Parallele zum Marshall-Plan?
2 Philipp Otto am 8. Mai, 2010 um 13:56
Der Marshallplan historisch als externe Aufbauhilfe für darniederliegende Wirtschaftszweige. Hier für einen darniederliegenden Industriezweig -zumindest nach Aussage der Presseverlage selbst- kombiniert mit dem Ruf nach vermeintlich notwendigem externen Schutz -hier durch den Gesetzgeber- und der damit einhergehenden externen Finanzierung ohne auf die eigenen marktwirtschaftlichen Geschäftsmodelle zu vertrauen. Die Parallele ist also eher eine Zuspitzung.
3 Hans Carlos Hofmann am 8. Mai, 2010 um 14:27
Das Problem der Verlage ist, das historisch gesehen Ihr Geschäftsmodell schlicht und einfach Überflüssig geworden ist, weil die Kosten für Transport und Verteilung von Informationen so gefallen sind, das man sie vernachlässigen kann (Siehe Link)
4 Mathias am 8. Mai, 2010 um 21:52
@Torsten: http://lmgtfy.com/?q=Marshall-Plan
5 Torsten am 10. Mai, 2010 um 15:03
Mathias: Ich kenne den Marshall-Pan und deswegen erscheint mir die Heutung von Phillipp Otto hier doch etwas weit hergeholt.
Phillip: “darniederliegende Wirtschaftszweige” ist doch eine allzu freie Beschreibung für ein zerbombtes Europa. Die Parallele ist einfach historisch falsch.
6 Rayne am 11. Mai, 2010 um 07:32
Er ist in sofern richtig als dass sowohl damals das Land als auch heute der Industriezweig zumindest bedingt “selbst schuld” an ihrer Misere waren bzw. sind.
7 Torsten am 12. Mai, 2010 um 08:36
Rayne: Und damit sind wir bei Godwin’s Law angekommen und haben endgültig aus dem Blick verloren, worum es bei Mashall ging.
Was sagen Sie dazu?