Eine kurze Geschichte über Twitter und…über Liebe!
Zu Ostern gibt es ausnahmsweise in diesem Blog einmal einen literarischen Leckerbissen von iRights-Autor Philipp Otto. Es geht um eine Überraschung, einen Kuss (mindestens einen), um Twitter, warme Gefühle und um aufregende Gedanken.
Die 21-jährige Maria erzählt, was ihr neulich an diesem heißen Sommertag passiert ist. Eigentlich wollte sie nur zum Faulenzen runter an den See. Doch dann… Kommentieren und weiterverbreiten ist ausdrücklich erwünscht. Viel Spaß bei diesem Auszug aus dem Leben auf dem Land und dieser „erotischen Liebesgeschichte“ (Simone).
Eine Liebesgeschichte – Als Twitter mein Leben verändert hat
Ich bin Maria. 21 Jahre alt. Voller Lebenslust und ja – ich muss gestehen – ich bin überrascht worden. Und wie hat das alles angefangen und was bedeutet das? Eine berechtigte Frage. Ich will es euch erzählen. Kurz vor meinem 20. Geburtstag hat alles angefangen. Es war dieser verdammt heiße Tag im Juli. Wie so oft hatte ich keine Lust irgendwas sinnvolles zu tun. Also entschied ich mich, an den See zu gehen. Da ich keine Lust hatte, bei meinen Freunden anzurufen, ob mich jemand begleiten will, bin ich alleine los. Bevor ich aber anfange zu erzählen, vielleicht ein bisschen was zu mir. Wie gesagt, inzwischen bin ich 21, sehe, glaube ich, ganz gut aus, zumindest bin ich der festen Überzeugung, dass es so ist, und bin manchmal ganz schön überzeugt von mir. Manchmal natürlich auch nicht. Aber das hat jetzt hier natürlich ganz und gar nichts zu suchen. Mit meinem Schmollmund lächele ich das weg. Ihr werdet nichts merken.
Ich bin mitten auf dem Land aufgewachsen. So richtig mitten auf dem Land. Ich kann alles, was ein Mädchen können muss, das hier aufgewachsen ist. Insbesondere bin ich Spezialistin in der Lösung von hochkomplizierten Beziehungsgeflechten zwischen Jungs und Mädchen aus Nachbardörfern, kann ordentlich Unfug machen und bin mit Abstand die Beste, wenn es darum geht, glitschige Frösche durch die offenen Fenster von Autos, die an Ampeln stehen, zu werfen.
Ein erfülltes Leben also. Allerdings auch mit ein paar Schattenseiten. Zum Beispiel und das ist natürlich furchtbar! Die Jungs… ein Kreuz sage ich euch. Entweder sind sie die Coolsten von der Welt und sobald ein Windhauch kommt, fangen sie an zu jammern. Oder sie sind so richtig voll romantisch. Mit dem ganzen Schnickschnack wie Kerzen, Vollmond und hach, hast du wunderschöne Augen. Ist ja ganz nett, eine Weile. Oder aber sie haben die ganze Welt gesehen, kennen immer alle und alles. Am Anfang ist man dann ganz begeistert, himmelt sie an und malt sich aus, wie man gemeinsam die ganze Welt erobert. Irgendwann kommt aber immer die Erkenntnis, dass doch alles irgendwie nur auf Sand gebaut ist. Der, von dem man dann träumt, der muss ja schließlich alles zusammen haben und ganz vorne dran muss er ein Räuber sein. Gar nicht so einfach. Drunter mache ich es aber nicht, das habe ich mir geschworen. Und um dem Schwur nicht brüchig zu werden, kann ich gerne warten. Ein bisschen streicheln und Illusionen haben dürfen sie, die anderen Jungs, mein Herz kriegen sie nicht! Hah! Eigentlich spielt das ja aber gar keine so große Rolle für meine Geschichte, die ich euch erzählen will. Vielleicht aber doch.
Also dieser heiße Tag. Mit der dicksten Sonnenbrille, die ich auftreiben konnte, in einem gelben schulterfreien Oberteil und mit diesem wunderbaren weißen Rock mit den kleinen roten Blumen bin ich los Richtung See. Ich liebe es, wenn meine Füße dreckig sind, wenn der Staub der Straße von der Plastikschlaufe meiner Flipflops abgerieben wird. Ich merke wie meine Schultern von der Sonne ganz heiß werden und sich in meinem Nacken Schweiß bildet. Ich atme dann erstmal ganz tief durch, fühle mich ziemlich gut und schlendere den Weg entlang. Ab und an kommt meine Tasche mit der Wasserflasche, dem iPod und dem Superbuch mit Lisbeth Salander dann auf die andere Schulter. Zum See ist es gar nicht so weit. Ein paar Meter geht es noch durch einen kleinen Wald, dann liegt er auch schon vor mir. Sofort überkommt mich das Gefühl mich auszuziehen und in das kühle Wasser zu springen. Das mache ich aber natürlich nicht! Wahrscheinlich muss ich dazu noch älter werden. Dann aber bestimmt. So cool wie das coolste Mädchen vom Land schlendere ich zum Ufer, lege mein Handtuch hin und lege mich drauf. Erstmal ankommen und schauen, wer denn noch so alles da ist. Ein paar wenige. Es ist wohl noch zu früh. Wer ist schon kurz nach Mittag am See, nur besonders faule Mädchen. Egal, mir gefällt es.
Er sieht schön aus, der See. Auf seiner Oberfläche und in den leichten Wellen flirren die Sonnenstrahlen und blenden mich trotz Sonnenbrille. Ich lege mich auf den Rücken, schließe die Augen, bewege meinen Oberkörper, strecke die Beine aus und atme ganz tief aus. Wunderbar. Ich genieße den Wind, der meine Beine angenehm kühlt, aber auch eine leichte Gänsehaut hinterlässt. Ich versinke reglos in Gedanken. Fast wäre ich eingeschlafen, doch ein Geräusch auf dem See hält mich davon ab. Ich stütze mich auf meine Ellenbogen und richte mich auf. Zuerst kann ich nichts sehen, doch nachdem sich meine Augen wieder an das helle Licht gewöhnt haben, kann ich einen jungen Mann sehen, der in einem Boot auf dem See unterwegs ist. Mit kräftigen Schlägen treibt er das kleine Ruderboot auf dem Wasser. Ich muss lächeln, als ich mich bei dem Gedanken ertappe, er würde oben ohne rudern. Natürlich ist das nicht so, er hat ein dunkles T-Shirt an. Und: Er rudert in meine Richtung. Das gefällt mir, dann kann ich ihn mir aus der Nähe ansehen.
Ich bin ganz auf ihn konzentriert. Er sieht ganz gut aus, soviel kann ich inzwischen sehen. Und es scheint interessant zu werden, er lächelt in meine Richtung. Nie würde ich zeigen, dass mir das gefiel, jedenfalls am Anfang nicht! Er ruft irgendwas, doch ich verstehe ihn nicht. Ich richte mich auf und rufe ganz laut zurück: „Was? Du bist zu leise!“ Er bedeutet mir zu warten bis er da sei. Da warte ich doch gerne, bis er sein Schiff in den Hafen manövriert hat. Inzwischen sitze ich im Schneidersitz. Unbewusst habe ich mit meinen Armen noch meine Brüste berührt und mich aufrecht hingesetzt. Nun ist er da. Er ruft: “Hej, ich mache mal fest oder hast du Lust mit auf das Boot zu kommen?” Eine Sekunde Schockstarre. Eigentlich wollte ich ihn kommen lassen, nun muss ich schon eine Entscheidung treffen. Wie ungeplant. Ohne Nachzudenken entgegne ich: „Warum nicht?“ Während ich aufstehe und meine Sachen in den Beutel werfe, wundere ich mich über mich selbst, was ich hier gerade gesagt hatte. Kurz überlege ich, meine Antwort zurückzunehmen, muss aber viel zu viel lächeln. Zum Glück sieht er das nicht. Mein Gesicht ist beim Einpacken von ihm abgewandt. Fertig, noch einmal durchatmen, umdrehen und dann ab auf das Boot.
Mit drei Schritten durch das Wasser bin ich am Boot. Mit wenigen Bewegungen bin ich auf dem Boot. Und in einer Situation, wo ich nicht weiß, was ich sagen soll. Zum Glück übernimmt er das: „Willkommen an Bord. Willst du am Ufer entlang und wilde Graureiher beobachten, durch das Schilf und brütende Möven aufschrecken oder auf hohe See?“ Während er mir die Alternativen vorschlägt, blickte ich ihn das erste Mal aus der Nähe an. Er ist groß, leicht gebräunt, hat einen etwas struppigen Bart, dunkle Augen, vom Wind durchwuschelte Haare und lächelt. Ich mustere ihn wie einen Kleiderständer, so perplex bin ich in diesem Moment. „Träumst du?“ Ich komme zu mir und presse zwischen mein Lippen ein „natürlich auf die hohe See“ hervor, „alles andere wäre ja auch fies!“ Er schiebt das Boot mit einem Ruder weg vom Ufer und fängt an zu paddeln. Nach ein paar Schlägen kann man den Grund des Sees nicht mehr sehen und das Boot entfernt sich vom Ufer. Ich sitze völlig unpassend im Boot. Zumindest kam es mir so vor. Tausend Gedanken schwirren durch meinen Kopf. Was mache ich hier? Warum bin ich nicht am Ufer geblieben? Wer ist das? Der sieht schon ziemlich gut aus! Den kenne ich aber gar nicht! oder? Wo fahren wir hin? Wunderschön hier draußen zu sein! Ein schönes Holzboot! Er rudert kräftig, das Boot bewegt sich rhythmisch, aber doch ruhig, der kann das. Warum habe ich ihn hier noch nie gesehen? Ich bin doch öfter am See! Wie er wohl heißt? Das sieht gut aus, wenn er zur Seite schaut, während er rudert… ich fange mich gerade noch rechtzeitig, als ich merke, dass er ansetzt, etwas zu sagen.
Ich blickte ihn lächelnd und mit leicht gesenktem Kopf an. Er lächelte auch. „Hi, schön dass du mitgekommen bist.“ Ja finde ich auch. Er hört mit dem Rudern auf und streckt mir seine Hand entgegen: „Ich bin Ronny, der Fischer vom See.“ Ich muss schlucken. Ronny, der Fischer vom See. Ronny heißt er. Fischer ist er. Seit wann gibt es hier Fischer? Und es gibt also auch viele Fische, sonst würde sich fischen ja gar nicht lohnen. Ich kkomme aber nicht weiter dazu nachzudenken, ich antwortete sofort: „Und ich bin Maria, keine Fischerin, trotzdem aber ab und an am See.“ Ronny lächelt. Ich auch. Wir kommen langsam ins Gespräch. Wir reden über dies und das. Ich frage ihn, ob er öfter einfach junge Frauen vom Ufer mitnimmt, die eigentlich nur im Sinn hatten, ein Buch zu lesen und an ihrer Bräune zu arbeiten. Er lacht und verneint. Das ist das erste Mal. Normalerweise ist er sehr froh auf dem See seine Ruhe zu haben, zu rauchen, über das Leben nachzudenken und zu fischen. Er ist mir sehr sympathisch.
Irgendwann muss ich ja diese dämliche Frage stellen, ist aber ok: „Und, was fischt man als Fischer hier so? Fische?“ Ronny blickt mich tief an. Ich habe einen kurzen Moment das Gefühl, ihn gekränkt zu haben. Die Unsicherheit nimmt er mir aber sehr schnell. „Hier gibt es viele Fische, schöne, hässliche, schnelle und gemächliche. Darf ich dir aber eine Geschichte von einem ganz besonderen Fisch erzählen?“ „Au ja,“ antworte ich. „Es gibt hier in diesem See einen ganz besonderen Fisch. Einen sehr großen Fisch.“ Ich verziehe meine Mundwinkel etwas und blicke ihn skeptisch an. „Leg dich hin, dann erzähle ich es dir.“ Irgendwas war heute gar nicht im Lot. Ohne zu zögern lege ich mich ohne jeglichen Protest auf den Rücken ins Boot und blicke in den Himmel. „Hej, ich sehe dich ja gar nicht mehr!“ „Das macht nichts, du sollst ja auch zuhören.“ Lächelnd und ein bisschen mit einem Hauch von Hingabe antwortete ich: „Na gut, eine Wahl habe ich anscheinend nicht!“ Ronny beginnt zu erzählen.
Vor vielen Jahren hat hier am See mal ein alter Mann gelebt. Seine große Leidenschaft war das Meer. So oft er konnte, war er dort. Irgendwann merkte er, dass sein Körper nicht mehr wollte und er kaum noch laufen konnte. Auf einer seiner letzten Reisen zum Meer brachte er lauter seltene Pflanzen und Tiere mit und setzte sie hier im See aus. Dabei war auch eine große Wasser-Schlingpflanze. Die pflanzte er ganz in der Nähe seines Steges am Ufer des Sees. Was er nicht bemerkt hatte, an einem Blatt der Pflanze war ein großer Kokon. Und darin lebte etwas! Ein Fisch! Er war noch ganz klein. Niemand bemerkte zunächst seine Anwesenheit. Erst als er sich mit seinen Raubfischzähnen aus dem Kokon befreit hatte, konnten es alle anderen Bewohner im See sehen: Es war ein Delphin! Ein echter Delphin! Erst hatten alle furchtbar Angst, da er ziemlich schnell ziemlich groß wurde und manchmal sogar andere Fische auffraß. Mit der Zeit freundeten sich aber alle im See mit ihm an. In Vollmondnächten sieht man ihn oft, wie er springt und durch das Wasser tollt. Voller Lebenslust und gierig nach Abenteuern. Tagsüber versteckt er sich meistens. Wenn ich mit dem Boot unterwegs bin, ist er oft sehr nah. Manchmal blickt er mich durch die Wasseroberfläche an. Und: er lächelt! Wir mögen uns.
Ich höre der Geschichte von Ronny genau zu, schweife aber in Gedanken immer wieder ab. Das war ganz schön schön. Natürlich war das eine große Lügengeschichte! „Hej großer Fischer, hat er denn auch einen Namen, dein Delphin?“ „Natürlich! Weil er so schnell und geschickt ist und zudem auch mit seiner Sprache in Sekundenschnelle alle anderen Fische herbeitrommeln kann, hat er einen ganz besonderen Namen bekommen! Er heißt Twitter!“ Ich muss lächeln. Ein sehr schöner Name. Flipper kannte ich ja schon. Aber Twitter! In meinen Gedanken stelle ich ihn mir vor, wie er durch das Wasser jagt, schnelle Bögen schlägt und vor Lust wild prustend aus den Wellen Richtung Sonne springt, nur um sogleich wieder gurgelnd in den Fluten zu verschwinden. Ich habe meine Augen geschlossen und fühle mich sehr wohl. Ich richte mich auf und blicke Ronny an. Dann klettere ich durch das Boot rüber zu ihm und berühre ihn mit meinen Händen an seinen Schultern. Ich senke meinen Kopf und flüstere ihm ins Ohr: „Lieber unbekannter Fischer, das war eine sehr schöne Geschichte. Und weil Twitter gerade tief unten im See seine Runden dreht und uns nicht ablenkt, küsse ich dich jetzt.“ Ronny kann gerade noch seine Augenbrauen ein bisschen nach oben ziehen, bevor mein Mund seinen berührt. Meine Hände lege ich an seine Schläfen und halte ihn ein bisschen fest. Meine eine Hand fährt in seine Haare. Meine Zunge schmeckt das Salz des Meeres und den Reiz des Abenteuers…
Epilog:
Irgendwann ist es dann dunkel geworden. Auf dem See im weiten Land dümpelt immer noch ein kleines Boot im auffrischenden Abendwind. Maria und Ronny liegen Arm in Arm und blicken in die Sterne. Ab und an berührt Maria das Wasser. In Gedanken immer an eine Berührung mit Twitter. Denn es ist ja Nacht und der Mond scheint auf den See und manchmal hört sie Geräusche im Wasser. Sie weiß dann, Twitter ist ganz nah.
Wer mehr über Twitter oder über die Zukunft von Ronny und Maria oder den unbekannten See in einem weiten Land wissen will, der kann sich gerne an den Autor wenden.
Philipp Otto, 19.02.2010
otto@irights.info
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1 Kommentar
1 Hannes Jähnert am 2. April, 2010 um 11:57
Eine tolle Geschichte. Werde heute wohl den ganzen Tag darüber nachdenken, welche obskuren Parallelen es zwischen dem Süßwasser-Delfin Twitter und dem gleichnamigen Micro-Blogging-Dienst geben könnte …
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