Liveblog: Enteignung oder Infotopia?
Heinrich-Böll-Stiftung, Goethe-Institut und iRights.info veranstalten heute in Berlin eine Tagung zum Google Book Settlement. Dies ist der Live-Blog der Veranstaltung.
9.00 Uhr Grußworte
Dr. Andreas Poltermann, Heinrich-Böll-Stiftung: Google Books ist 2004 in eine Lücke vorgestoßen und hat große Bestände des Wissens öffentlich zugänglich gemacht. Dabei handelt es sich nicht um eine öffentliche, sondern eine privatwirtschaftlichen Initiative. Muss aber nicht für öffentliche Güter öffentliche Verantwortung übernommen werden? Das fragt sich derzeit die Politik.
Dr. Christoph Bartmann, Goethe-Institut: Was bedeutete geistiges Eigentum heute für die Kultur? Welche Kulturbedeutung hat die Kopie? Begriffe wie “Wissensgesellschaft” oder “informationelle Selbstbestimmung” sind unklar definiert: Von welchem Wissen reden wir dabei? Was ist “neues Wissen”, und wann wird es relevant für die Wissensgesellschaft? Aber auch: Was hat der Wahlsieg der FDP mit der Wissensgesellschaft zu tun? Ist es eine gute oder eine schlechte Nachricht, dass sich “Leistung wieder lohnen muss”?
10.20 Uhr Einführung
Matthias Spielkamp, iRights.info: Ziel der Tagung ist, einen Rahmen schaffen, in dem jeder mitdiskutieren kann – keine hohen Eintrittspreise, keine Zugangsschwellen. Neben Verlegern sollen auch Autoren und Leser zu Wort kommen. Es ist ein hochkomplexes Thema: Es gibt zwischen 400 und 800 Eingaben bei dem zuständigen Gericht. Die US-Vereinigung der Menschen mit Behinderungen, der Internationale Bibliotheksverband, europäische Verlegerverbände – alle schätzen das Settlement unterschiedlich ein. Kaum jemand durchschaut es noch ganz.
10.30 Uhr Was bedeutet das Google Book Settlement für Leser, Autoren und Bibliotheken?
Dr. Nils Rauer, Fachanwalt im Bereich Immaterialgüterrecht Lovells LLP, Frankfurt:
Durch die Stellungnahme der Antitrust-Division vom 18. September hat sich vieles geändert. Das Settlement ist vorerst tot, es wird grundlegende Änderungen geben.
1. Ausgangssituation: Google Library Project, angekündigt 14. Dezember 2004. Digitalisierung von Buchbeständen großer Bibliotheken – in den USA auch solcher, die noch urheberrechtlich geschützt sind. Seit 2004 sind etwa 10 Millionen Werke gescannt worden. Kostenaufwand: 10-12 Dollar pro Buch.
20. September 2005: Class Action Verfahren Autoren & Verleger vs. Google wird angestrengt. Streitgegenstand: “brief excerpts” of copyrighted material on website. Greift dabei der “fair use”-Grundsatz? Im Zuge der Beilegung hat sich der Streitgegenstand auf weitere Nutzungen erheblich ausgeweitet.
2. Class Action Verfahren: Nicht nur die Prozessbeteiligten, sondern auch Dritte sind als Mitglieder der Class betroffen und an Richterspruch oder gerichtliche Einigung gebunden. Class Members können Objections geltend machen, ihr Opt-out-Recht wahrnehmen oder einen Amicus-Curiae-Letter einreichen.
3. Auswirkungen in Deutschland: Auch Werke deutscher Autoren wurden digitalisiert; auch sie haben ein “US-Copyright-Interest”. In Deutschland wäre ein vergleichbares Vorgehen seitens Google zwar nicht möglich gewesen, da es im deutschen Urheberrecht kein “fair use” gibt. Für Nutzungen in den USA gilt jedoch das US-amerikanische Urheberrecht.
4. Google Book Settlement, wie es vorgesehen war: betrifft Bücher und Beilagen, die vor dem 5. Mai 2009 digitalisiert worden sind. Vorgesehen ist auch die Einrichtung einer Book Rights Registry. Google werden darüber hinaus umfangreiche Nutzungen ermöglicht: display-uses, non-display-uses, advertising uses, wobei teils die Genehmigung des Rechteinhabers erforderlich ist. Es geht um eine einfache, nicht um eine ausschließliche Lizenz. Rechte der Class Members: opt-out, removal, right to exclude. Google zahlt 63% aller zukünftigen Einnahmen an die Book Rights Registry.
5. Bedenken:
US Department of Justice: Im Hinblick auf Class-Action-Verfahren keine angemessene Repräsentation der Class Members (Orphan Works / Out-of-Print-Works), keine angemessene Notifikation. Im Hinblick auf Antitrust-Law: Gewinnverteilungsplan für die gesamte Branche könnte kartellrechtswidrig sein. Außerdem erhält Google ein faktisches Monopol auf orphan works. Anregung: Der Gesetzgeber sollte aktiv werden, vor allem bei Orphan Works. Für out-of-print-works sollte ein opt-in gelten. Die Ausschlussfristen sollten verlängert werden. Das BRR sollte besser kontrolliert werden können.
Bundesrepublik Deutschland: Verstoß gegen grundlegende Prinzipien des Urheberrechts. Google entscheidet selbst, ob Werke in-print oder out-of-print ist. Faktisches Monopol für Orphan Works. Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Zensur. Fehlende Transparenz und Kontrole, unzureichende Fixvergütung frü erfolgte und ungenehmigte Nutzung.
Börsenverein: Formerfordernisse für Urheberschutz nach Berner Konvention verboten; Börsenverein teilt auch die meisten der bereits erwähnten Bedenken.
Perspektive: Vermutlich kommt ein Opt-in für out- of- print-books, vermutlich auch ein ergänzender Notifizierungsprozess.
11.00 Uhr Was tut die Bundesregierung?
Dr. Irene Pakuscher, Leiterin des Referats Urheber-und Verlagsrecht im Bundesministerium der Justiz: Die Bundesregierung war nicht untätig. Brigitte Zypries hat dafür gesorgt, dass Google Books in Europa auf die Tagesordnung kam. Die Einwände des DOJ sind berechtigt: Es geht hier nicht nur um die Frage des Zugangs zum Wissen, sondern auch um massive wirtschaftlichen Interessen. Die von Google, aber auch die der Urheber, Intermediäre und Service-Provider. Das Kartellrecht hat hier die Aufgabe, die Vielfalt des Angebots und den Wettbewerb auf dem Informationsmarkts zu gewährleisten.
Kontext des Settlement: 90% der europäischen Bibliotheksverstande sind im Handel vergriffen oder verwaist. Deshalb gibt es die “Europeana”, mit der ein hoher Aufwand verbunden ist. Die Rechte der Rechteinhaber sind dabei von Anfang an gewahrt worden. Ist das bei der Google Buchsuche auch der Fall gewesen? Zunächst nicht. Amerikanische Autoren und Verleger mussten erst klagen, bevor Google zu verhandeln begonnen hat.
Bedenken der Bundesregierung gegen das Settlement: Das Opt-out-Prinzip bedeutet eine Umkehrung des Urheberrechtsprinzips. Sorge, dass Werke vorschnell als vergriffen kategorisiert werden, dass Autoren die sehr kurze Frist zur Registierung verpassen. Sorge auch in Bezug auf verwaiste Werke: Google hätte ein Monopol zur Online-Nutzung bekommen, da Konkurrenten bei ähnlichen Projekten weiterhin mit rechtlichen Auseinandersetzungen hätten rechnen müssen. Eine solche Monopolisierung stellt Gefahren für die kutlurelle Vielfalt dar. Aspekt der Verfahrensfairness: Kläger waren die Author’s Guild und die AAP, die beide keine deutschen Mitglieder haben. Auch datenschutzrechtliche Aspekte spielten eine Rolle.
Die Google Books Story wird in Zukunft auch eine europäische Geschichte sein. Die Europäische Kommission hat am 8. September eine Anhörung durchgeführt, deren Konsequenzen noch nich absehbar sind. Ziel des Amicus-Curiae-Briefs der Bundesregierung war, dass das Settlement abgelehnt wird oder zumindest die deutschen Autoren und Verleger davon ausgenommen werden. Dieses Ziel ist ein gutes Stück nähergerückt. So steht etwa der Vorschlag im Raum, auch Nicht-Amerikaner in den Vorstand der BRR zu berufen. Europäische Berater sollen zudem bei der Bestimmung des Status der Lieferbarkeit eines Buches einbezogen werden. Die grundsätzlichen Bedenken gegen das Opt-out-Prinzip werden dadurch freilich nicht beseitigt.
Die Diskussion um die Zukunft des Wissens wird längst nicht mehr nur in Kreisen von Forschung und Wissenschaft geführt. Das Thema Urheberrecht ist eine zentrale rechts- und gesellschaftspolitische Frage. Der Diskussionsprozess wird auch auf europäischer Ebene fortgesetzt werden. Bei allem Segen der neuen Technologien darf man nicht das Urheberrecht einfach als obsolet abtun. Derzeit wird weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Urheberrecht, insbesondere im Verhältnis Urheberrecht und Wissenschaft, vom BMJ geprüft. Auch die Frage des Umgangs mit verwaisten Werken steht dabei auf dem Programm, ebenso ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Respekt vor geistigem Eigentum ist aber nicht nur eine Sache der Politik, sondern auch eine von Gesellschaft und Wirtschaft.
11. 30 Uhr Zwischen Konzentration und Innovation: Digitale Geschäftsmodelle von Verlagen
Teilnehmer: Dr. Jörg Pfuhl (Verlagsgruppe Random House), Stefan Keuchel (Pressesprecher Google Deutschland), Jan Meine (Meine Verlag, Leipzig). Moderation: Dr. Andreas Poltermann (Heinrich-Böll-Stiftung)
Jörg Pfuhl, Random House:
Wir als große Verlagsgruppe sind vom Google Settlement direkt betroffen: etwa 10.000 unserer Titel sind gescannt. Das Settlement ist eine Geschäftsgrundlage, auf der man zusammenarbeiten kann. Ich fände es bedauerlich, wenn es letztenendes nicht verabschiedet würde. Am Ende stünden wir mit leeren Händen da, weil wir gegenüber Google keine Rechtsposition hätten. Wir werden all unsere Titel bei Google anmelden. Damit vertreten wir auch die Interessen unserer Autoren.
Wir werden von Google getrieben, Probleme mit der Digitalisierung schneller zu lösen, als wir es sonst vielleicht getan hätten. Dass es jetzt noch Probleme mit der Datenbank gibt – soît, man wird sie lösen können. Wir veröffentlichen jährlich 2.000 neue Titel – kein Lagerhaus kann die alle lieferbar halten. Mit Sicherheit ist die Zahl der Bücher aus unserem Hause, an denen wir die Rechte noch halten, die aber vergriffen sind, sechsstellig. Wenn diese auf elektronischem Wege zugänglich werden, umso besser.
Der Marktanteil des E-Books im RH-Programm wächst derzeit dramatisch, durch I-Phones und mobile Geräte. In den letzten sechs Monaten haben wir mehr E-Books verkauft als in den letzten 10 Jahren zusammen. Wir gehen davon aus, dass die E-Books die Hörbücher bald überholt haben werden. Das wird ein signifikanter Marktanteil: Vielleicht ist irgendwann jedes zweite Buch, das verkauft wird, ein E-Book.
Jan Meine, Meine Verlag:
Wir nehmen am Google Partnerprogramm teil, es gibt allerdings Autoren, die emotionale Bedenken gegen die Online-Verfügbarkeit haben. Der kommerzielle Aspekt spielt dabei so gut wie keine Rolle.
Stefan Keuchel, PR Google Deutschland:
Wir haben einen hohen dreistelligen Millionenbetrag in die Google Buchsuche investiert. Die Bayerische Staatsbibliothek beziffert den Wert der bei ihr durchgeführten Digitalisierung urheberrechtsfreier Titel auf 60 Millionen Euro. Die Google Buchsuche enthält derzeit etwa 10 Millionen Titel. 2 Millionen stammen aus dem Partnerprogramm, 8 Millionen aus dem Bibliotheksprogramm. Wir arbeiten in diesem Programm mit etwa 30 Bibliotheken zusammen und seit Kurzem bekanntlich auch mit der Französischen Nationalbibliothek.
Nicht alles, was Google tut, zielt darauf ab, sofort Gewinne zu realisieren. Auch bei der Buchsuche sind wir weit davon entfernt. Aber je besser die Informationen sind, die Google bieten kann, desto mehr Nutzer finden die Dienste, die Google anbietet.
Datenschutz: Google ist mittlerweile sehr groß und erhält deshalb von seinen Nutzern mehr Daten als eine Garagenfirma. Wenn Sie sich ein Buch anschauen bei der Google Buchsuche, werden diese Daten an die Verlage weitergeleitet, die sie auswerten können. Personenbezogene Daten sammelt Google nicht und führt sie schon gar nicht zusammen.
Jörg Pfuhl, Random House:
Angst vor dem Giganten Google haben wir nicht. Wir haben eine Beteiligung am Partnerprogramm bislang abgelehnt, sehen das Settlement nun aber als eine faire Geschäftsgrundlage mit klar definierten Spielregeln an. Auch wir haben in den letzten zehn Jahren einen siebenstelligen Betrag in E-Books investiert, weil wir es unseren Autoren ermöglichen möchten, auf möglichst vielen Vertriebswegen gefunden zu werden.
14.00 Uhr Zwischen Vergütung und Vermarktung: Autorschaft in der Netzökonomie
Teilnehmer: Dr. Florian Cramer (Medienwissenschaftler Willem de Kooning Academie, Rotterdam), Peter Glaser (Autor, Berlin), Wolfgang Schimmel, Justitiar ver.di. Moderation: Jan Engelmann (Heinrich-Böll-Stiftung)
Florian Cramer: Beim “Heidelberger Appell” geht es um die Angst, nicht mehr in Buchform publiziert zu werden. Dabei müssen Wissenschaftler ihre Publikation in der Regel auch noch selbst bezahlen: etwa 4.000 Euro kostet die Publikation einer Dissertation bei den großen Wissenschaftsverlagen (Publikumsverlage wie Suhrkamp oder Fischer ausgenommen).
Wolfgang Schimmel: Bei den Wissenschaftlern hat es sich eingebürgert, dass zubezahlt werden muss. Man hat andere Einnahmequellen und ist nicht darauf angewiesen, von seinen urheberrechtlichen Erlösen zu leben. Bei Belletristen sieht das anders aus: Wenn ein Buch 19,90 Euro kostet, ist der Nettoladenpreis 18,60 Euro, davon bekommt der Autor 10%, also 1,86 Euro. Der Buchhandel verdient etwa 45% daran. Man also ganz ordentlich verkaufen, erst recht beim Taschenbuch, wo die Preise noch niedriger sind, um davon zu leben.
Florian Cramer: Die klassische Autorenbuchhandlung gibt es heutzutage kaum noch. Auch im Verlagswesen hat sich viel geändert, hat eine Konzentration stattgefunden. Google Books und das Internet werden jetzt als Prügelknaben vorgeschoben. Der Literaturbetrieb geht nicht allein an Google zugrunde.
Wolfgang Schimmel: Die VG Wort wollte Google zum Removal der Bestände aus der Google Buchsuche auffordern. Das sollte ein Zeichen gegen die Opt-Out-Praxis sein. Der zweite Auftrag der Autoren und Verleger an die VG Wort lautete, eine weltweite Lizenz auszuhandeln. Der neue Wahrnehmungsvertrag ist so gestrickt, dass nicht nur an Google, sondern auch an Dritte hätte lizenziert werden können.
Es wird nun entweder ein neues Settlement geben, oder der Prozess wird entschieden. Sollte das Settlement tatsächlich abgeschmettert werden, könnten die Werke immer noch an die Europeana lizenziert werden – einschließlich der verwaisten Werke, denn auch diese kann die VG Wort lizenzieren.
Widersprüche: Es gibt zwei Verlage, die der Änderung des Wahrnehmungsvertrags durch die MV der VG Wort widersprochen haben, einen großen und einen mittelgroßen. Es gibt darüber hinaus knapp 100 Wissenschaftsautoren, Anhänger der Open-Access-Lehre, die mit der Begründung, sie seien nicht mit dem Removal ihrer Werke einverstanden, das dem Grundsatz der freien Wissenschaft widerspreche, der Änderung des Wahrnehmungsvertrags widersprochen haben.
Wenn Wissenschaftler Wert darauf legen, dass wissenschaftliche Texte frei zugänglich sind, dann sollten die Wissenschaftler das unter sich ausmachen. Nicht die VG Wort schließt die Verträge mit den Verlagen, sondern die Wissenschaftler selbst. Diese Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Fraktionen in der Wissenschaft sollte nicht auf die VG Wort abgewälzt werden.
Jan Engelmann: Wie wird der Umgang mit Wissen, wie wird die Zukunft mit digitalen Büchern aussehen?
Peter Glaser: Wenn man von den großen Verlagen Lizenzen für digitale Lizenzen bekommen will, kommt man um DRM wohl nicht herum, weil es da große Ängste gibt. Andererseits muss die geräteübergreifende Kompatibilität gesichert sein, und der Nutzer muss die Kontrolle über die Inhalte, die er erwirbt, behalten. Autoren wiederum müssen sich auf ihre Vertragspartner verlassen können. Es ist misslich, dass man sich unter zeitlichem Druck entscheiden muss und dann auch noch unverständliche juristische Formeln zu durchschauen gezwungen ist.
Wolfgang Schimmel: Das Buch wird es noch eine Weile geben, aber es zeigt sich an der ganzen Diskussion ein großer Umbruch der Kulturtechniken. Das Problem bei allen digitalen Medien ist, dass die Information vom Träger abgelöst werden kann. Mit aller Gewalt versucht man künstlich, die Buchstaben wieder auf das digitale Papier festzunageln. Gelingen wird das nicht.
Jan Engelmann: Womöglich wird uns die Modalität des Lesens zukünftig vermehrt beschäftigen. Vielleicht kommt es zu einer kulturellen Revolution, zu kulturellen Remixes, zu einem Umgang mit digitaler Literatur, die dem Leser einen Eingriff in das Werk ermöglicht: Beschreibungsraffer, Adverbienausblender etc. Die kulturellen Konsequenzen dieser neuen Techniken werden erst allmählich kenntlich.
16.00 Uhr Zwischen Daseinsvorsorge und Monopolbildung: Wie regeln wir den Zugang zu Wissen?
Teilnehmende: Prof. Gabriele Beger (Deutscher Bibliotheksverband), Dr. Christoph Bruch (Aktionsbündnis Urheberrecht), Dr. Arnd Haller (Justitiar Google), Andreas Steinhauser (Technikchef Wizpac). Moderation: Matthias Spielkamp (iRights.info)
Prof. Dr. Gabriele Beger, Deutscher Bibliotheksverband:
Bibliotheken haben Bedenken in Bezug auf eine mögliche Zensur durch Google, aber auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht. Last, not least sollten die Digitalisate, wenn Google sie aus welchen Gründen auch immer nicht mehr zur Verfügung stellt, weiterhin für die Öffentlichkeit erhalten bleiben. Es geht nicht darum, Google zu stoppen, sondern rechtliche Rahmenbedingungen in Europa zu schaffen, die das Grundanliegen des freien Wissensaustauschs verwirklichen.
Dr. Arnd Haller, Justitiar Google:
Das Settlement hat nicht Google geschrieben, sondern es ist eine gemeinsame Arbeit von US-Autoren und -Verlegern einerseits, Google andererseits. Es hat sich gezeigt, dass es Überarbeitungsbedarf gibt, aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte.
Dr. Christoph Bruch, Urheberrechtsbündnis:
Das Aktionsbündnis möchte, dass Google rechtlich in die Lage versetzt wird, Werke auf Creative-Commons-Basis zugänglich zu machen. Bei vielen Veröffentlichungen von vor 1995 liegen die Rechte für eine elektronische Veröffentlichung meist noch bei den Autoren. Es sollten die organisatorischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Autoren eine entsprechende Willenserklärung abgeben können.
Die Zustimmung zu Open Access ist innerhalb der Wissenschaftswelt nicht homogen. Im naturwissenschaftlich-technisch-medizinischen Bereich ist OA schon weit verbreiteter als bei den Geisteswissenschaften. Wenn allerdings die Print-Veröffentlichung auch für die Zukunft sichergestellt ist, gibt es auch bei Geisteswissenschaftlern kaum Vorbehalte prinzipieller Art gegen digitale Zugänglichkeit.
Andreas Steinhauser, Wizpac:
Als Produzenten von Lesegeräten sind wir auf digitalen Content angewiesen. Darüberhinaus sollte es aber auch der Gemeinschaft ein Anliegen sein, Wissensschätze in digitaler Form verfügbar zu halten. Wir werden jeden gemeinfreien Content, den wir auftreiben können, auf unserer Plattform, unseren Geräten zur Verfügung stellen. Freier Content ist ein Anreiz zum Kauf von bezahltem content.
Gabriele Beger, Deutscher Bibliotheksverband:
Wir sind angetan von Google, weil kein anderer Anbieter derzeit so weit ist. Das Börsenvereins-Angebot “Libreka” kommt beispielsweise seit zehn Jahren nicht in Gang, weil die Verlage Angst davor haben, ihre Bücher ins Netz zu stellen. Man sollte sich als Bibliothek aber das Recht ausbedingen, von Google eine Kopie zu erhalten und diese Kopie parallel zum Google-Angebot zugänglich zu machen.
Dr. Arnd Haller, Justitiar Google:
Über das Settlement wird in den USA entschieden. Deutschland ist nur am Rande betroffen. Wir sollten uns hier eher Gedanken darüber machen, wie es in Deutschland weitergeht, etwa mit verwaisten Werken. Nicht zuletzt Google hat diese Diskussion angestoßen.
Dr. Christoph Bruch, Urheberrechtsbündnis:
Google sollte Autoren, die ihre Titel zugänglich machen wollen, ermöglichen, dies auf einfache Weise zu tun, statt immer nur mit den Verlagen zu verhandeln.
Andreas Steinhauser, Wizpac:
Wir hängen mit der Diskussion hinterher. In Zukunft wird Content von vornherein digital vorliegen. Für die “Altfälle” gestaltet es sich schwierig, Lösungen zu finden. Die Herausforderung für die Zukunft wird sein, diese Lösungen so zu gestalten, dass die technischen Voraussetzungen dafür möglichst frei verfügbar sind.
Rainer Kuhlen, Urheberrechtsbündnis:
Sowohl Google als auch die deutsche Wissenschaft haben ein Interesse an möglichst freier Zugänglichkeit. Wir werden versuchen, mit Google entsprechende Vertragslösungen zu erarbeiten.
Holm Friebe, freier Autor:
Wie sieht es mit der Zukunftssicherung der Digitalisate aus, wenn Googles Serverfarmen irgendwann nicht mehr arbeiten?
Gabriele Beger, Bibliotheksverband:
Digitale Langzeitarchivierung ist ein großes Problem. Digitalisate sind noch nicht einmal so haltbar wie Filme. Aber die Bibliotheken stellen sich dieser Aufgabe.
Ilja Braun, Autor dieses Blogeintrags:
Wäre es nicht sinnvoller, gesetzliche Schrankenregelungen auszubauen, statt die Sicherung des Gemeinwohls privatwirtschaftlichen Akteuren zu überlassen?
Dr. Arnd Haller, Justitiar Google
Die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen, ist im Zuge des Dritten Korbs eine große Herausforderung für den Gesetzgeber. Die großen Unternehmen haben dabei meistens die besseren Lobbyisten. Es wäre wünschenswert, wenn sich mehr User in die Diskussion um die zukünftige Gesetzgebung einbringen würden.
Dr. Christoph Bruch, Urheberrechtsbündnis:
Wir werden in diesen Dingen einen Fortschritt sehen, aber vermutlich nicht unter der neuen Regierung in den nächsten vier Jahren.
Schlusswort Matthias Spielkamp, iRights.info:
Wir sollten uns nicht von Vorurteilen beirren lassen, sondern Vor- und Nachteile des Google Settlements im Hinblick auf das Gemeinwohl vorurteilsfrei erwägen.
5 Kommentare
1 Stephan am 5. Oktober, 2009 um 08:32
Danke fürs (Live-)Bloggen!
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