Verband der Übersetzer: keine Einigung mit Verlagen zu angemessener Vergütung
2002 wurde das so genannte Urhebervertragsrecht novelliert. Damit sollten die Urheber gestärkt werden, denn ihnen wurde durch das Gesetz ein Anspruch auf angemessene Vergütung verschafft. Immer wieder wird aus unterschiedlicher Richtung auf dieses Gesetz verwiesen, um zu zeigen, dass man nicht untätig sei dabei, die Position der Urheber zu stärken und ihnen tatsächlich mehr Einnahmen zu verschaffen – wie z.B. vom BMJ gerade wieder auf der internationalen Urheberrechtskonferenz, die vergangene Woche in Berlin stattgefunden hat.
In der Praxis sieht es damit allerdings sehr schlecht aus. In den Verhandlungen zwischen Presseverlegern und Journalisten ist man inzwischen in der 39. Runde angekommen, wie kürzlich jemand beim Branchenhearing Pressemarkt in München berichtete. Und mein iRights.info-Kollege Till Kreutzer hat gerade erst in einem Text zu AGB das Gesetz analysiert – mit eindeutigem Ausgang:
Was bleibt: Schutz durch das Urhebervertragsrecht
Auch heute noch scheint es also mit der AGB-rechtlichen Überprüfbarkeit von Nutzungsrechtklauseln nicht weit her. Neben dem – recht vagen – Schutz aus dem Transparenzgebot und dem Verbot überraschender Klauseln bleiben den Urheber als Schutznormen daher im Zweifel nur die urhebervertragsrechtlichen Regelungen. Diese haben zwar den Vorteil gegenüber den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen, konkreter und auf urheberrechtliche Fragestellungen zugeschnitten zu sein. Eine (ergänzende) Anwendung des AGB-Rechts wäre jedoch aus Sicht der Urheber in vielen Fällen vorzugswürdig. Denn nur diese Regelungen ermöglichen die abstrakte Klauselkontrolle durch Verbände wie den DJV. Nur sie können die Kreativen zudem davor schützen, unfreiwillig und ohne Einflussmöglichkeit alle Rechte durch Formularverträge abzugeben.
Ein Anspruch auf angemessene Vergütung beispielsweise ermöglicht der Urheberin nicht, Zweitverwertungsrechte trotz Buy-out-Klausel selbst auszuwerten oder einem Dritten zu übertragen und dafür ein weiteres Honorar auszuhandeln. Ist die Vergütung – wie so oft – nicht angemessen, nützt dieser Anspruch dem Kreativen außerdem – naturgemäß – nur etwas, wenn er ihn gegenüber dem Verwerter auch geltend macht. Gerade dies wird angesichts der Marktsituation vielen Übersetzern, Journalisten, Grafikern oder Programmierern aber ebenso wenig möglich sein, wie beim Vertragsschluss den AGB zu widersprechen.
[…]
Davon, dass das seit 2002 geltende Urhebervertragsrecht gemeinsam mit dem AGB-Recht einen „lückenlosen Schutz“ bietet, wie es sich der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung die Schulter klopfend selbst attestiert, kann nach alledem keine Rede sein.
Nun berichtet der VdÜ (Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V. / Bundessparte Übersetzer im Verband deutscher Schriftsteller (VS) in ver.di -kann man sich einen noch komplizierteren Namen ausdenken?) in seinem aktuellen Newsletter von den Verhandlungen mit den Verlegern. Und auch da sieht es alles andere als gut aus.
Der Wortlaut:
In der Auseinandersetzung um eine gemeinsame Vergütungsregel im Sinne des 2002 in Kraft getretenen Urhebervertragsrechts sind die Literaturübersetzer leider bislang zu keiner Einigung über eine *„angemessene Vergütung“* mit der Verlegerseite gelangt. Deren letztes Angebot, das sogenannte “Berliner Modell”, sah unterhalb einer Schwelle von 5.000 verkauften Exemplaren keinerlei Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg des übersetzten Werks vor, während die Beteiligung im oberen Auflagenbereich degressiv verlaufen sollte. Gerade die Übersetzer aufwändig übersetzter Literatur, die in kleinen Auflagen erscheint, hätten von diesem Modell also gar nicht profitiert, während die Übersetzer wirtschaftlich besonders erfolgreicher Werke dennoch erhebliche Abstriche hätten hinnehmen müssen – gemessen an dem, was ihnen in früheren Gerichtsverfahren zugesprochen wurde.
Die Literaturübersetzer wollten dieses Angebot nicht annehmen. Nachdem es dem neuen Verbandsvorsitzenden Hinrich Schmidt-Henkel bei seinen seit September 2008 geführten Gesprächen leider nicht gelungen ist, nennenswerte Verbesserungen auszuhandeln, werden nun *am 18. Juni 2009 fünf Übersetzerklagen auf Vertragsanpassung vor dem Bundesgerichtshof* entschieden.
Schwierigkeiten einer „angemessenen Vergütung“ ergeben sich dabei vor allem aus der „Zwitterstellung“ des Übersetzers, dessen Arbeit aus einer werkvertraglichen und einer urheberrechtlichen Komponente besteht. Einerseits arbeitet er im Auftrag eines Verlags und muss in einem festgelegten Zeitrahmen eine gewisse Anzahl von Seiten für ein festgelegtes Grundhonorar übertragen. Andererseits hat seine Arbeit eine schöpferische und daher urheberrechtlich relevante Komponente, weshalb ihm auch eine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg des übersetzten Werkes zusteht. Die Richter werden nun vor allem zu entscheiden haben, ob und wenn ja, wie beide Honorarkomponenten – *das werkvertragliche Grundhonorar und die urheberrechtlich relevante Beteiligung* –– bei der Bemessung einer “angemessenen Vergütung” miteinander verrechnet werden sollen.
Für die Literaturübersetzer ist diese Frage von hoher Bedeutung. Sollte der BGH entscheiden, dass die *Beteiligungen zusätzlich zum Grundhonorar* zu zahlen sind, würden alle Übersetzer von dem Urteil profitieren, weil dann alle ab dem ersten verkauften Exemplar mehr Geld bekämen als bisher.
Entscheidet der BGH hingegen, dass die Beteiligungen voll mit dem Grundhonorar verrechenbar sind, würde eine hohe Zahl von Übersetzern gar nicht von dem Urteil profitieren, da die Auflagen häufig nicht die Schwellen erreichen, ab denen die Beteiligung zum Tragen kommen würde. Die Verleger könnten sich dann überlegen, das Urhebervertragsrecht auch weiterhin nicht in die Verträge umzusetzen, sondern darauf zu* warten, dass sie von einzelnen Bestsellerübersetzern verklagt werden.*
Solche Klagen liegen nicht im Interesse des VdÜ, der nicht einzelne Bestseller-Übersetzer reich machen, sondern eine angemessene Vergütung für alle Literaturübersetzer durchsetzen möchte. Insofern wir jedoch nach einem derartigen BGH-Urteil keine weiteren Mittel in der Hand hätten, die Verleger zu Verhandlungen zu bewegen, wären wir bei unserem Bemühen, das Urhebervertragsrecht in die Praxis umzusetzen, auf die Hilfe des Gesetzgebers angewiesen.
Nach den Autoren sind die Übersetzer die zweite Berufsgruppe, bei denen eine gemeinsame Vergütungsregel und damit die Umsetzung des Vertragsrechts von 2002 in greifbare Nähe gerückt ist. Wenn die *Angemessenheit dank eines BGH-Urteils keine unbestimmte Größe mehr* ist, sollte auch eine Branchenregelung zustande kommen.
Was sagen Sie dazu?