Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft”: Für ein vorwärts, nicht rückwärts gerichtetes Urheberrecht
Das Aktionsbündnis “Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft” hat erneut Stellung zum “Heidelberger Appell” genommen. Hier der Wortlaut:
Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft hat mit Bedauern und Sorge zur Kenntnis genommen, dass die für die Heidelberger Erklärung Verantwortlichen (Referenz dazu am Ende) ihre verantwortungslose Kampagne fortsetzen und sich nun auch direkt an die Bundeskanzlerin gewandt haben, damit diese sich für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte (so im Titel der Erklärung) einsetzen möge.
Ein solcher Appell wäre an sich sicher in Ordnung, wenn nicht, so der Sprecher des Aktionsbündnisses Prof. Rainer Kuhlen, in der Heidelberger Erklärung ein rückwärts gerichtetes und pur individualistisches Verständnis von Freiheit und Rechten deutlich würde, das an den rechts-konservativen Bund Freiheit der Wissenschaft aus den 70er Jahren erinnert.
Das Aktionsbündnis hat sich durch diesen Vorstoß veranlasst gesehen, sich ebenfalls an die Bundeskanzlerin zu wenden, damit die Heidelberger Erklärung nicht weiteren politischen Schaden für Bildung und Wissenschaft anrichtet. Das Aktionsbündnis hat dabei auch die Kanzlerin daran erinnert, dass sich die Regierung in ihrer Koalitionsvereinbarung das Ziel eines wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts vorgenommen hat. Das ist bislang leider nicht erreicht.
Hintergrund
Es ist unverkennbar, dass die Heidelberger Erklärung darauf abzielt, das bestehende Urheberrecht weiter zu stärken. Dieses Urheberrecht, zusammen mit den derzeit dominierenden kommerziellen Publikationsformen, ist jedoch extrem bildungs- und wissenschaftsunfreundlich.
Dabei ist offensichtlich, dass die Heidelberger Initiative im Zusammenhang der Kampagnen der Verlagswirtschaft (des Börsenvereins) zu sehen ist, die nicht zuletzt darauf abzielen, die beginnende Debatte um ein neues Urheberrecht (auch im Dritten Korb) in eine defensive besitzstandswahrende Richtung zugunsten der Verlagswirtschaft zu lenken. Nicht umsonst haben weit über 200 Vertreter der Verlage diese Erklärung unterschrieben. Bedauerlicherweise ist den Nicht-Verlags-Unterzeichnern, vor allem denen aus der Wissenschaft, dieser Zusammenhang offenbar nicht deutlich geworden.
Das Aktionsbündnis bedauert es, dass die Initiatoren der Heidelberger versuchen, die aus der Wissenschaft selber entstandene und von den Wissenschaftsorganisationen unterstützte Open-Access-Bewegung als Enteignung der Kreativen und Bedrohung der Publikationsfreiheit zu diffamieren.
Der Sprecher des Aktionsbündnisses bedauerte es ebenfalls wenn sich durch die Heidelberger Erklärung, mit der Unterstützung der Verlagswirtschaft, eine längst als überwunden geglaubte Kluft zwischen den Geisteswissenschaften und allen anderen Wissenschaften neu auftun sollte. Die Erklärung haben aus der Wissenschaft, neben wenigen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern, fast ausschließlich Geisteswissenschaftler/innen im weiteren Sinne unterschrieben.
Das Aktionsbündnis möchte ebenso deutlich klarstellen, dass Freiheit von Literatur, Kunst und Wissenschaft unbestritten ein hohes und vom Aktionsbündnis stets verteidigtes Gut ist. Dazu gehören auch die im Urheberrecht garantierten Persönlichkeitsrechte der Kreativen. Entschließt sich der Wissenschaftler zum Publizieren seines Wissens, zumal wenn die Produktion dieses Wissens mit öffentlichen Mitteln finanziert bzw. unterstützt wurde, hat jedoch die Öffentlichkeit das Recht, zu diesem Wissen freizügigen Zugang zu erhalten. Dieses Ziel soll durch Open Access erreicht werden.
Das Aktionsbündnis unterstützt alle Anstrengungen, Open Access zum einen mit dem Urheberrecht, zum andern mit den Publikationsmodellen der Verlagswirtschaft kompatibel zu machen. Das Aktionsbündnis sieht im Open-Access-Paradigma auch die Zukunft der Verlage. Das Recht der Urheber in Bildung und Wissenschaft, mit Verlagen Verträge zur Publikation ihrer Werke abzuschließen, ist ein nicht bezweifeltes Recht. Jedoch sollten dazu nur einfache Nutzungsrechte vergeben werden. Die exklusive kommerzielle Verfügung über das mit öffentlichen Mitteln produzierte Wissen ist nicht länger hinzunehmen.
Das Aktionsbündnis sieht, ebenso wie die Allianz der Wissenschaftsorganisationen, die besondere Situation von Bildung und Wissenschaft. Die hier geführten Debatten und Forderungen, auch bezüglich der Sozialpflichtigkeit von geistigem Eigentum, können sicherlich nicht in jeder Hinsicht auf andere Bereiche der Wissensproduktion auf den Publikumsmärkten (Musik, Kunst, Filme, Spiele, Belletristik,?) übertragen werden, auch wenn auch hier der Anspruch der Öffentlichkeit, auf diese Kulturgüter, z.B. über öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken, Archive, Museen, frei zugreifen zu können, erhalten bleiben muss.
Das Aktionsbündnis fordert alle Unterzeichner der Heidelberger Erklärung, aber auch alle Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus allen Disziplinen auf, sich nicht durch eine vermeintliche Solidarität mit den Verlagen fremd bestimmen zu lassen. Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte sollten sie sich nicht von der Wirtschaft vertreten lassen.
Das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft” wurde 2004 im Zusammenhang mit der Novellierung der Urheberrechtsgesetzgebung in Deutschland gegründet. Das Aktionsbündnis setzt sich für ein ausgewogenes Urheberrecht ein und fordert für alle, die zum Zweck von Bildung und Wissenschaft im öffentlichen Raum tätig sind, den freien Zugang zur weltweiten Information zu jeder Zeit von jedem Ort. Grundlage des Aktionsbündnisses ist die Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft vom 5. Juli 2004. Diese Erklärung wurde unterzeichnet von sechs Mitgliedern der Allianz der Wissenschaftsorganisationen (Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V., Hochschulrektorenkonferenz, Max-Planck-Gesellschaft, Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. und Wissenschaftsrat), von 365 wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Informationseinrichtungen und Verbänden sowie von mehr als 7000 Einzelpersönlichkeiten. Sprecher des Aktionsbündnisses sind Prof. Dr. Rainer Kuhlen (Konstanz), Dr. Harald Mueller (Heidelberg), Dr. Wolf-Dieter Sepp (Kassel). Weitere Informationen über Nachfrage an: rainer.kuhlen at uni-konstanz.de, hmueller at mpil.de und sepp at physik.uni-kassel.de.
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