Open Excess: Der Heidelberger Appell
In der vergangenen Woche musste man sich nur über den schaurigen taz-Artikel zu OA aufregen. Inzwischen ist es schlimmer geworden, denn nun haben 150 zum Teil sehr bekannte Menschen (Michael Naumann, Daniel Kehlmann) den “Heidelberger Appell” des Literaturwissenschaftlers Roland Reuß unterzeichnet.
Dieser Appell ist haarsträubend und für OA sehr gefährlich. Ich habe mir die Mühe gemacht, das in einem langen Text zu analysieren, der gerade bei perlentaucher erscheinen ist (Links zu den Quellen und Dokumenten dort):
2 Kommentare
1 Wolfgang am 27. April, 2009 um 16:10
Hallo,
Ihre Analyse, besonders der Teil ab “Wissenschaftler, vor allem in den so genannten STM-Disziplinen – Science, Technology, Medicine – […]” trifft den Nagel auf den Kopf.
Ich gehöre selbst zu den betroffenen Wissenschaftlern (Chemiker) und viele Geisteswissenschaftler haben offenbar überhaupt keine Ahnung, wie es dort um die Freiheit zur Veröffentlichung seiner Arbeiten bestellt ist. Die marktbeherrschenden Verlage sind Moloche, die sich ihre Arbeit über horrende Lizenzgebühren bezahlen lassen, sofern man noch von eigener Arbeit sprechen kann, übernehmen wissenschaftliche Autoren doch inzwischen sogar den Großteil der Formatierung ihrer Texte, bezahlen zusätzliche Zuschüsse für die Druckkosten (z.B. bei farbigen Abbildungen) und übernehmen unentgeltlich den eigentlichen Peer-Review Prozess.
Ich persönlich sehe mein Urheberrecht also vor allem durch die Verlage verletzt und weniger durch Google. Mithin habe ich als Naturwissenschaftler ohnehin ein Interesse an der weitestmöglichen, unentgeltlichen Verbreitung meiner Artikel, insofern begrüße ich Googles Digitalisierungsvorhaben. Nicht jede kreative Leistung muß dazu dienen, Geld zu scheffeln! Aber Geisteswissenschaftler scheinen dem Medium Internet und allem elektronischem ohnehinetwas fremd, sie haben es ja auch nicht erfunden und tragen auch sonst wenig zum Fortschritt desselben bei.
Der Heidelberger Appell ist somit ein Appell der etablierten Autoren, literarischer Geldsäcke, die ihre Felle davon schwimmen sehen oder eingebildeter Ignoranten, die den Wert ihrer Arbeit hoffnungslos überschätzen.
Echte Freiheit für die Wissenschaft bestünde in einer radikalen Reduzierung der Urheberrechte. Urheberrecht nur für den Autor, nur während seiner Lebenszeit, nur für das ursprüngliche Medium. Entlohnung nur für die Erstverwertung, ansonsten freie Benutzung, vollständig oder in Auszügen, unter Nennung der Quelle. Abschaffung des Peer-Review, außer dessen Nutzen wird endlich einmal objektiv nachgewiesen.
2 Roland Hoheisel-Gruler am 28. April, 2009 um 22:16
Ob aber die rigorose Beschneidung des Urheberrechts einen Lösungsweg aus dem beschriebenen Dilemma führt und damit der Freiheit der Wissenschaft zum Vorteil gereicht, mag ich hier in Zweifel ziehen. Es mag richtig sein, dass gerade in den Naturwissenschaften bestehende Strukturen einer schnellen Verbreitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen im Wege stehen – grundsätzlich aber gebührt den Rechteinhabern das alleinige und ausschließliche Recht, über die Art und Weise der Verwertung ihrer Schöpfungen zu entscheiden – und damit über Erst- und Zweitverwertungen ebenso wie über damit einhergehende Lizenzbedingungen.
Ich habe meine Gedanken hierzu in meinem blog veröffentlicht: http://anwaltsblog.wordpress.com/2009/04/28/die-digitale-welt-bedroht-die-kultur-wie-wir-sie-kennen/
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