Fundstücke zur Kreativwirtschaft
Die Kreativwirtschaft kennt keine Krisen, nur Herausforderungen. Während in den USA die Leute in die Kinos strömen, die von minder anspruchsvollen Filmen überquellen, verschickt das britische Finanzamt Gespenster aus Deutschland. Dem ZDF droht die Erblindung auf dem zweiten Auge, Michael Jackson droht mit einem weiteren Comeback und der Börsenverein des deutschen Buchhandels droht mit Höchstpreisen für eBücher. Spannende Zeiten!
Krisenzeiten sind Kinozeiten
Ist es die Flucht in eine bessere Welt, die Erinnerung an die vergangene Präsidentenwahl oder der Wunsch nach der Gemeinschaft im Dunkeln, der die Menschen in den USA scharenweise in die Kinos treibt? Liegt es womöglich sogar am Prozeß gegen die „Pirate Bay Four”? Wir wissen es nicht und können uns deshalb hemmungslos der Spekulation hingeben.
Fakt ist jedenfalls, daß die US-amerikanischen Kinobetreiber seit Jahresbeginn einen Zuwachs bei den Besucherzahlen von sage und schreibe 16 Prozent verzeichnen können. Da die Kartenpreise zugleich gestiegen sind, liegt der Umsatzzuwachs sogar bei 17,5 Prozent. Das berichtet jedenfalls die New York Times.
In dem Artikel wird ein Zusammenhang zwischen der Zahl der Arbeitslosen und der Anzahl der Kinobesuche hergestellt:
“In 1982, theater attendance jumped 10.1 percent to about 1.18 billion . . . as unemployment rose sharply past 10 percent. Then admissions fell nearly 12 percent, an unusually sharp drop, in 1985 . . . , as the economy picked up – suggesting that theater owners have sometimes found fortunes in times of distress, and distress in good times.”
Es sind also gar nicht die Filmpiraten, die Schuld sind an gegebenenfalls sinkenden Besucherzahlen, sondern die Konjunktur. Wenn das doch jemand den Anwälten der Hollywood-Studios beibringen könnte. . .
Keine „Three Strikes”-Lösung im EU-Telekompaket
Der Heise Newsticker hat eine erfreuliche Botschaft aus dem EU-Parlament zu verkünden, sogar noch vor Ostern. Demnach hat die Berichterstatterin Catherine Trautmann einen Tanz nach der Pfeife der Musikindustrie abgelehnt und dem Vorschlag zur EU-weiten Einführung einer französischen Regelung – d.h. der zwangsweisen Internetsperre bei wiederholten Vorwürfen der Urheberrechtsverletzung, ohne Gerichtsverfahren und Appellationsmöglichkeit – eine Abfuhr erteilt. Das ist zwar ein begrüßenswerter Vorstoß zur Rettung des Rechtsstaates aber noch lange nicht das Ende vom Lied. Die Verhandlungen zwischen EU-Parlament, -Rat und -Kommission gehen weiter.
Bald italienische Verhältnisse im deutschen Fernsehen?
Die GEZ — Motto: Heute schon GEZahlt? — sammelt bekanntlich von allen Besitzerinnen und Besitzern von Radios, Fernsehern und sonstigen Empfangsgeräten Gebühren ein. Diese fließen dann an Staatsfernsehen und -rundfunk . . . äh . . . an das öffentlich-rechtliche Fernsehen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die ÖR-Sender werden jeweils von einem Verwaltungsrat und einem Rundfunk-/ bzw. Fernsehrat (via Wikipedia) gesteuert . . . äh . . . verwaltet, oder so. Diese Gremien sollen die Interessen der Parteien . . . äh . . . der Allgemeinheit, das heißt der durchschnittlichen Bevölkerung — “Gewerkschaften, Frauenverbänden, Kirchen, Fraktionen” (Wikipedia) usw. usf. — durchsetzen. (Was ist eigentlich mit den Anglern? Ist der Deutsche Anglerverband repräsentiert?)
Weil der ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch nicht allgemein genug ist, oder nicht durchschnittlich genug, oder was auch immer nicht genug, soll nun sein Vertrag nicht verlängert werden. Daran, daß dabei alles mit öffentlich-rechtlichen Dingen zugeht, zweifelt laut Netzeitung der Medienrechtler Werner Hahn („der im Hauptberuf Justiziar des NDR ist”) in der Fachzeitschrift epd medien an. Hand zufolge sei der ZDF-Staatsvertrag “verfassungswidrig”, weil er der Politik zuviel Einfluß garantiere.
Der Deutsche Journalisten-Verband hat sich derweil für die Unabhängigkeit des ZDF ausgesprochen. Der DJV-Vorsitzende Michael Koken:
“Wenn journalistische Spitzenpositionen in einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt Gegenstand parteipolitischer Geplänkel werden, ist die Unabhängigkeit des Senders in Gefahr.”
Wohl wahr. Allerdings scheinen wir darüber schon längst hinaus zu sein, wenn die Netzeitung Werner Hahn richtig wieder gibt. Laut Hahn werden 72 von 77 Mitgliedern des ZDF-Fernsehrates durch die Politik ernannt. Und weiter:
“Dem 14-köpfigen ZDF-Verwaltungsrat gehören laut Konken zehn aktive und ehemalige Politiker an. Damit sei die Politik «mitten im ZDF angesiedelt».”
“Mit dem zweiten sieht man besser?” Es müßte wohl eher heißen: “Auf dem zweiten Auge blind.”
Silvio Berlusconi läßt schön grüßen.
(Pardon für den verwirrten Beginn. Aber bei der Angelegenheit kann man leicht den Überblick/Ausdruck verlieren . . .)
Flohzirkus vom britischen Finanzamt
Nicht nur die französische Regierungspartei UMP geht unter die „Rabkopierer” sondern auch das britische Finanzamt HMRC. Und auch im Falle des HMRC heißt es nun es sei alles ein Versehen gewesen.
Wie die Newssite The Register berichtet, verschickte das HMRC an eine Reihe von Unternehmen eine CD mit insgesamt 16 deutschen Geschichten darauf, vorgelesen von “a kindly-sounding woman”. Unter den Geschichten für Kinder fanden sich unter anderem “Zwei ordentliche Kinder” (sic!), “Der Flohzirkus” und “Gespenster”. Dazu The Register:
“Which is nice, but isn’t going to help with tax bureaucracy.”
Die Werbeaktion für deutsches Erzählgut sei ein Versehen des Herstellers der CDs, erklärte das HMRC auf Nachfrage. Der Produzent hätte statt der Steuersoftware an einige wenige Steuerzahler die falsch etikettierten Geschichten-CDs verschickt.
Versehen hin oder her, das britische Finanzamt hatte keine Lizenz für die Geschichten-CD. Die CD in hundertfacher Ausführung ohne Lizenz zu kopieren und zu verbreiten, stellt nach üblichem Sprachgebrauch der Medienkonzerne einen Akt der Piraterie dar. Zumal die Aktion auch noch mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgte, da das Finanzamt ja Steuern eintreiben wollte. Privatkopien gibt es in Großbritannien nicht. Damit dürften sich das HMRC und sein Auftragnehmer wegen Copyright-Verstößen strafbar gemacht haben.
Ob der Börsenverein bereits Strafanzeige gegen die britische Regierung erstattet hat und/oder eine zivilrechtliche Musterklage vorbereitet, ist nicht bekannt. (Vielleicht ist man dort auch zu sehr mit der Klage gegen die Universität Würzburg beschäftigt . . .)
Preisphantasien für eBücher
Apropos Börsenverein und Buchhandel. Demnächst findet ja die diesjährige Leipziger Buchmesse statt. Das Thema E-Books wird sicher viel diskutiert werden. Bisher haben eBücher in Deutschland keine große Verbreitung gefunden, jedenfalls nicht über offizielle Kanäle. Wer sich deutsche eBücher beschaffen möchte, wird eher in der Piratenbucht fündig als im Buchhandel.
Und das soll auch so bleiben, wenn es nach dem Börsenverein geht.
Nun hat sich am Erfolg von Amazons Kindle gezeigt, daß sich die Nachfrage nicht ohne weiteres bremsen läßt. Dazu muß schon schweres Kaliber herhalten. Verlage und Buchhandel haben sich für eine zwiespältige Strategie entschieden: 1. Angebot knapp halten und 2. Preise hoch halten. Das ist aus ökonomischer Sicht nahezu die ideale Strategie, um kostenlose Angebote in den Schmuddelecken des Internets Kunden zuzutreiben.
Die praktische Umsetzung der Strategie beschreibt Helmut Merschmann bei Telepolis. Der Clou: eBücher werden genauso teuer sein wie gedruckte Bücher. Detlef Bluhm, Geschäftsführer der Landesstelle Berlin-Brandenburg im Börsenverein, erläutert dazu:
“Wir sind der Meinung, und es gibt da auch keine nennenswerte rechtliche Stimme, dass elektronische Bücher preisgebunden sind. Man muss die Bücher jetzt erst mal einzeln verkaufen, weil die Investitionen so hoch sind. Betriebswirtschaftlich wäre es Wahnsinn, E-Books preiswerter anzubieten. Man spart zwar den Prozess der körperlichen Herstellung, hat aber ganz andere Vorlaufskosten.”
Für das Lesegerät kommen natürlich noch einmal ein paar hundert Euro “Vorlaufkosten” für den potentiellen Leser dazu. So steigt der Preis für die Lektüre eines durchschnittlichen eBuches locker auf 50 bis 100 Euro (je nach Anzahl konsumierter Bücher). Wow! Wow! Wow!
Anders als bei Amazon wird man die deutschen eBücher wohl verleihen können. Sie sollen zwar mit digitalem Wasserzeichen aber ohne DRM und Kopierschutz angeboten werden.
Last and least: Michael Jackson plant sein nächstes Comeback
Das berichtet die Berliner Zeitung und dabei belasse ich es auch für heute.
1 Kommentar
1 Robert A. Gehring am 5. März, 2009 um 13:42
Roland Koch hat sich inzwischen laut SZ mit folgenden Worten gegen Kritik verteidigt:
Was sagen Sie dazu?