Lass uns das Ding drehn
Während Tauschbörsennutzer als Raubkopierer kriminalisiert werden, organisieren deutsche Zeitungen den umfangreichsten Urheberrechtsklau seit Anbruch des Digitalzeitalters. Ilja Braun berichtet, wie Online-Zeitungsarchive mit Texten freier Autoren umgehen.
Im Frühjahr 2007 begann Ilja Braun, Übersetzer und Journalist in Köln, sich die Praktiken der großen deutschen Verlage genauer anzusehen. Dabei erlebte er die eine oder andere Überraschung. Wie etwa diese: „Meine Texte erscheinen doch nicht im Internet“, sagt Martin Walser leicht verunsichert am Telefon. Der über achtzigjährige Schriftsteller hat mit Datenbanken und Online-Archiven nichts am Hut. Sein Interesse daran, was aus einer seiner Reden oder Artikel wird, nachdem sie in der Zeitung abgedruckt sind, hält sich in Grenzen: Die Zeitungen zahlten ohnehin so schlecht, dass es sich nicht lohne, sich damit noch zu befassen. Um eine genaue Rechteklärung kümmert sich Walser nicht: „Diese Sachen werden ja meistens ohne jeden Vertrag gemacht.“ Tatsächlich verkaufen Spiegel, Süddeutsche Zeitung oder FAZ allesamt Beiträge von Martin Walser über Online-Datenbanken, zu Preisen von bis zu 3,45 Euro – immerhin mehr als eine ganze Zeitung am Kiosk kostet.
Für iRights.info hat Braun seine Recherchen aktualisiert.
Lesen Sie den gesamten Text bei iRights.info und diskutieren Sie ihn hier im Blog.
2 Kommentare
1 Silke Helfrich am 18. Oktober, 2008 um 08:26
Hochinteressanter Text, macht das Problem Interessen der AutorInnen vs. Interessen der Rechteverwerter wunderbar deutlich. Und die Heuchelei der Verwerter gleich mit. Nur schade, dass der Text nicht über diesen Konflikt hinaus geht. Nicht aufzeigt, wie Autoren aus diesem System raus können. Der erste Schritt: Nie die Abtretung der exklusiven Nutzungsrechte gewähren. Sondern eben nur einmalige Nutzung für das entsprechende Medium. Erschütternd natürlich, welches Erpressungspotential damit verbunden ist, aber es gibt Verhandlungskonstellationen, da muss man das durchsetzen – und sei es, um viele, viele Präzendenzfälle zu schaffen, damit das AUS EXKLUSIVER NUTZUNGSRECHTE ohne weitere Honorare für die Urheber “in der Branche üblich wird”. Mittelfristig führt m.E. kein Weg an Freien Lizenzen und Open Access vorbei. (Auch damit kann man Geld verdienen.) Diese Entwicklung wird im Text leider nicht einmal angedeutet.
2 Matthias Spielkamp am 20. Oktober, 2008 um 09:40
@Silke Helfrich
Danke für das Lob. Zu Ihrer Kritik: Der Text hat ein klar abgegrenztes Ziel: auf den Umgang der Verlage mit den Rechten ihrer Autoren hinzuweisen, und er ist ca. 18.000 Zeichen lang. Es würde ihm schaden, ihn mit einer Diskussion der Alternativen zu überfrachten. Bei iRights.info werden Alternativen, wie freie Lizenzen, ausführlich dargestellt, z.B. in dem Beitrag „Texte publizieren: Ich schreibe, also bin ich“, https://irights.info/index.php?id=33, auf den auch verlinkt wird, oder in „CREATIVE COMMONS: Andere Zeiten, andere Lizenzen“ (https://irights.info/index.php?id=147).
Wie Sie schon selbst ansprechen, ist es blauäugig zu glauben, freie JournalistInnen seien in einer Position, in der sie nach Belieben mit den Verlagen die Lizenzierung ihrer Texte verhandeln können. Dass es viele Widerstände gegen die Verlagspolitik gibt und niemand der Ansicht ist, man sollte es unversucht lassen, ist ebenso klar.
Was aber Open Access angeht, so sollte man sich im Klaren darüber sein, dass Wissenschaftler, und um die geht es ja derzeit vor allem bei der OA-Diskussion, für ihre Forschungsarbeit bezahlt werden, nicht für die Lizenzierung ihrer Texte. Das ist im Journalismus anders. Wie ein „OA-Journalismus“ aussehen könnte (z.B. öffentlich-rechtlich finanziert), wird zwar diskutiert, ist aber alles andere als klar. Auch nicht, ob erwünschenswert wäre.
Was sagen Sie dazu?