Podiumsdiskussion: „Organisation von Kreativarbeitern“ bei der Tagung Kreative Arbeit und Urheberrecht (So 28.09, 11:00 Uhr)
Ein Nachzügler-Bericht von der Tagung „Kreative Arbeit und Urheberrecht“, die vorvergangenes Wochenende in Dortmund stattgefunden hat – aber besser spät als nie.
Kreative sind meist Einzelkämpfer. Doch wie sieht die Praxis aus? Gibt es etablierte oder neue Organisationsformen für Kreativarbeiter in denen diese ihre kollektiven Interessen organisieren? Dies war eine der Fragen, die im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion „Organisation von Kreativarbeitern“ stand. Valie Djordjevic, Redakteurin von iRights.info, hatte zur Klärung dieser und vieler weiterer Fragen, Veronika Mirschel (Leiterin Verdi-Referat Selbstständige, Berlin), Manuela Zechner (Künstlerin, London), Marc Röbbecke (Heimatdesign Dortmund) und Alexandra Manske (Soziologin, TU Berlin) auf dem Podium.
Um aber überhaupt über einen solch verschachtelten Themenkomplex reden zu können, war zunächst eine Ist-Beschreibung der Lage der Kreativen nötig. Die Ergebnisse der Untersuchung „Kreative in Berlin“ zur Arbeitsmarktlage von kreativen Alleinunternehmern wurden von Alexandra Manske vorgestellt. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen dabei nicht die Superstars, sondern „kleine Kreativschaffende“. Diese seien die „neuen Selbstständigen“.
Doch wer sind die „Kreativen“, was versteht man heute unter „Kreativität“? Manske machte deutlich, dass alleine die Begrifflichkeit einem großem Bedeutungswandel unterliegt und stak instrumentalisiert wird: „Der Kreative ist der Prototyp des flexiblen und hyperaktiven Kreativ-Arbeiters.“ Die Frage, ob man dann soweit gehen könnte, die Kreativen zugespitzt als „neoliberale Vorreiter und Vollstrecker“ zu bezeichnen, verneinte Manske allerdings. Denn dies sei eher ein strategischer Moment. Nur weil man sich als Kreative in solche Verhältnisse begebe, müsse man diese noch lange nicht gutheißen.
Manske beschrieb danach den Alltag der Kreativarbeiter. Dieser sei umrahmt von einer „politisch gerahmten Wettbewerbslogik“, zu der unter anderem gehöre, dass kreative Alleinunternehmer nicht mehr als Kreativschaffende, sondern vielmehr wie klassische Selbstständige betrachtet und behandelt werden. Dabei ergebe sich jedoch das Problem, dass Kreative nur in den wenigsten Fällen über die dafür notwendigen unternehmerischen Kompetenzen verfügen. Darüber hinaus existieren hohe Einkommensdiskrepanzen zwischen einzelnen Künstlern, materielle Probleme der Existenzsicherung aber auch Anerkennungsprobleme.
Manske macht viele dieser Probleme an der „Neoliberalisierung des Arbeitsmarktes“ fest. Dieser zeichne sich bei Kreativarbeitern folgendermaßen aus: funktionale Vereinzelung durch ein hoch individualisiertes Erwerbsfeld, sozialpolitische Statuslosigkeit durch eine radikal marktvermittelte soziale Lage, „Berufe“ sind dabei meist „Individualberufe“, die nicht geschützt seien. Bei der Frage der Organisierung stellte Manske fest, dass „Netzwerke in Eigenregie“ zunehmend korporativ Ersatzfunktionen übernehmen. Die klassische Vertretung von Kreativarbeitern durch Dritte existiere kaum mehr. Außer der Künstlersozialkasse (KSK) vertrete niemand mehr die Interessen der Kreativen. Manske berief sich dabei auch auf die Soziologin Christina Teipen (WZB-Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, 2008) die dafür folgende Formulierung wählte: Kreativwirtschaft sei eine gewerkschaftsfreie Zone. Fazit von Manske: Kreativarbeiter müssen sich selbst zusammenschließen und sich ihre eigene Lobby aufbauen.
Nach der theoretischen und wissenschaftlichen Einführung ging es dann um die Praxis der Panel-Teilnehmer. Wer organisiert sich wie? Marc Röbbecke ist in einem Netzwerk aus 150 bis 170 Kreativen aus Dortmund und Umgebung aktiv, Veronika Mirschel organisiert Kreative bzw. Selbstständige im gewerkschaftlichen Auftrag, Manuela Zechner thematisiert und untersucht die subjektiven Erfahrungen von Kollektivität und kollaborativem Zusammenarbeiten in kleinen Netzwerken.
Im Laufe der weiteren Diskussion stellte sich schnell heraus, dass bei vielen Kreativschaffenden oftmals unklar ist, was überhaupt unter Organisierung zu verstehen ist und / oder wie diese aussehen kann. Zechner wies dabei darauf hin, dass sie dazu „keine magische Formel habe“. Sie versuche dies jedoch zur Zeit in London mit Kolleginnen und Kollegen herauszufinden. Röbbecke definierte in der Folge das Dortmunder Netzwerk „Heimatdesign“ als Dienstleister und „Kompetenzzentrum für Kreativschaffende“. Gerade dieses arbeitsteilige Vorgehen sieht Manske als Schlüssel zum Erfolg.
Scheut der Künstler das Marketing wie der Teufel das Weihwasser? Ist er schlicht überfordert und hindert ihn dies an seiner eigentlichen kreativen Arbeit? Gerade diese These wurde in der Folge mehrfach aufgestellt und hart diskutiert. Dem widersprach die Künstlerin Cornelia Sollfrank: „Es gibt fast keine Berufsgruppe, die einen so ausgeprägten Sinn für Marketing haben wie Künstler.“ Die Selbstdarstellung als genialischer Künstler, der sich nicht mit den Niederungen des Marketing abgeben müsse, ja unfähig sei, das zu verstehen, gehöre integral zum Selbstverständnis eines Künstlers. Das nicht zu verstehen, heißt die Genieästhetik unhinterfragt anzunehmen. Zu dieser Genieästhetik gehört auch die Vorstellung, dass nur schlechte Künstler sich organisieren müssten. Wären sie Genies, müssten sie sich nicht organisieren. Sollfrank selbt hält den Geniekult allerdings für nicht zeitgemäß und mythologisierend.
Im Anschluss daran entwickelte sich eine lebhafte Diskussion in deren Mittelpunkt zunächst die Gewerkschaft Verdi stand. Auf der einen Seite schaffe es Verdi nicht, die Künstler und Kreativschaffenden zu vertreten, auf der anderen Seite sei aber auch nicht alles schlecht. Positiv wurde der Rechtsschutz von Verdi für seine Mitglieder oder auch das Vorgehen gegen den Axel-Springer-Verlag und dessen Total-Buyout-Verträge bewertet. Beides sei im elementaren Interesse der Gewerkschaftsmitglieder. Aus dem Publikum wurde Mirschel dann damit konfrontiert, dass Verdi trotzdem nicht als kollektive Interessensvertretung funktioniere. Mirschel antwortete daraufhin, dass es natürlich schwierig sei. Aber es gibt auch viele Beispiele die zeigen, dass die Gewerkschaft als kollektive Interessensvertretung stärker ist als einzelne Gruppen oder Kreativschaffende. Deswegen müsse man sich grundsätzlich vergegenwärtigen wie eine Gewerkschaft funktioniert.
In einer kurzen Abschlussrunde waren die Panel-Teilnehmer dann nochmals aufgefordert, konkret zu benennen, was sich in der Praxis im Rahmen der Frage der Organisierung von Kreativschaffenden konkret ändern muss. Röbbecke machte dabei deutlich, dass genau darauf geachtet werden sollte, wie man die Wirtschaftlichkeit des Künstlers oder Kreativschaffenden mit seiner Kreativität am besten zusammen kriegen kann. Dagegen rief Manske zur stärkeren politischen Debatte auf. Dabei müsse stärker zwischen wirtschaftlichen und künstlerischen Logiken getrennt werden. Künstler müssten keine Unternehmer sein, vielmehr müsse ihnen mehr unternehmerisches Knowhow an die Hand gegeben werden. Doch wessen Aufgabe ist das? Zechner hat dabei mehrere Gruppen im Visier: „Kollektive und Gewerkschaften müssen stärker in einen Dialog treten“. Eine bessere gegenseitige Sensibilisierung für die jeweiligen Probleme der anderen sei dabei dringend nötig. Mirschel von Verdi nahm diese Anregung in der Folge gleich auf. Verdi brauche gerade in diesem Bereich mehr Transparenz. Es müsse sichtbarer gemacht werden, was Verdi für die Kreativschaffenden macht bzw. welche Möglichkeiten der kollektiven Organisierung Verdi biete. Darüber hinaus sei es aber auch wichtig, zu diesen brennenden Fragen eine politische Haltung einzunehmen.
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