OLG Hamburg: Rapidshare zu Recht als Mitstörer verurteilt
Nach einem Urteil des OLG Hamburg reicht der Einsatz von MD5-Filtern bei Rapidshare nicht zur Vorbeugung gegen Urheberrechtsverletzungen aus. Deshalb haftet der Filehoster ab Kenntnisnahme der Verletzung als Mitstörer.
Ob der Filehoster Rapidshare für Urheberrechtsverletzungen die durch seine Nutzer begangen werden, bleibt unter deutschen Richtern umstritten. Das Oberlandesgericht Köln war im vergangenen Jahr noch der Auffassung (via Golem.de), Rapidshare sei kein Vorwurf der Täterschaft oder Beihilfe zu machen, wenn das Unternehmen den Zugang zu urheberrechtsverletzenden Inhalten sofort nach Kenntnisnahme sperrt. Die Gerichte in Hamburg, bekannt für ihre harte Linie in Streitfragen des geistigen Eigentums, vertraten dieses Jahr in ihren Urteilen eine ganz andere Auffassung.
Das Oberlandesgericht bestätigte Anfang Juli 2008 ein Urteil des Landgerichts Hamburg vom März, wonach Rapidshare sehr wohl als Mitstörer für Urheberrechtsverletzungen der Nutzer zur Rechenschaft gezogen werden kann. Das geht aus dem jetzt veröffentlichten, überaus umfangreich begründeten Urteil hervor. Rapidshare muss laut Urteil bei Androhung einer hohen Geldstrafe für jeden Fall des Verstoßes dafür sorgen, dass die Verletzungshandlungen abgestellt und nicht wiederholt werden.
Rapidshare hatte zu seiner Verteidigung vorgebracht, dass das Unternehmen MD5-Filter einsetze, um das erneute Hochladen und Veröffentlichen von illegalen Dateikopien zu verhindern. Weitergehende Kontrollmaßnahmen seien dem Unternehmen nicht zuzumuten, weil sonst das Geschäftsmodell grundsätzlich in Frage gestellt würde. Das OLG Hamburg gab sich damit aber nicht zufrieden.
Im Gerichtsurteil (via Kanzlei Dr. Bahr) heißt es: “Nicht ausreichend ist es, wenn der Webhosting-Dienst einen MD5-Filter einsetzt, da dieser Filter nur greift, wenn eine absolut identische Datei erneut hochgeladen werden soll.” Rapidshare müsse mehr tun, müsse “alles Zumutbare zu tun, um kerngleiche Verstöße zukünftig zu unterbinden”. Das bedeutet laut Gericht, dass Rapidshare, “wenn es in der Vergangenheit mehrfach zu gleichartigen Rechtsverletzungen gekommen ist […] zu einer umfassenden, pro-aktiven Vorabprüfung verpflichtet” sei. Das Gericht stützt sich dabei in der Argumentation auf §7 Abs. 2 des Telemediengesetzes (PDF, via Gesetze im Internet), wo Lösch- und Sperrverpflichtungen auch für solche Diensteanbieter vorgesehen sind, die nicht für die Handlungen ihrer Nutzer haftbar gemacht werden können.
Das Gericht hat auch ziemlich genaue Vorstellungen, wie angemessene Vorkehrungen aussehen sollten: “Dies bedeutet im Zweifelfall insbesondere auch eine umfassende IP-Speicherung und IP-Auswertung.” Immerhin nahm das OLG eine kleine Einschränkung vor, als es erklärte, “[e]ine Verpflichtung, den Dienst nur noch gegen Registrierung und nicht mehr anonym anzubieten, besteht jedoch nicht.”
Mit anderen Worten soll Rapidshare wohl künftig IP-Adressen, von denen aus wiederholt Urheberrechtsverletzungen begangen worden sind, für den Upload sperren. Voraussetzung ist allerdings, dass Rapidshare von den Verletzungen Kenntnis erlangt. Dazu müssten Rechteinhaber die Aktivitäten bei Rapidshare überwachen und im Fall eines vermuteten Urheberrechtsverstoßes den Filehoster darüber informieren. Ob diese Rechtsauffassung des OLG Hamburg sich mit der Garantie des Schutzes für das Fernmeldegeheimnis in §7 Abs. 2 des Telemediengesetzes verträgt, müsste wohl der BGH beurteilen.
Das Oberlandesgericht lässt in seinem Urteil keine Zweifel an seiner Auffassung über die Rolle von Rapidshare aufkommen. Dessen Geschäftsmodell sei so angelegt, den Verletzungshandlungen “wissentlich und willentlich” Vorschub zu leisten. Und: “Ein Geschäftsmodell, welches nahe liegende Identifikationsmöglichkeiten ungenutzt lässt, um zukünftige Rechtsverletzungen auszuschließen, ist von der Rechtsordnung nicht gebilligt und verdient auch nicht den Schutz der Rechtsordnung…” Ob diese Rechtsauffassung des OLG Hamburg sich mit der Garantie des Schutzes für das Fernmeldegeheimnis in §7 Abs. 2 des Telemediengesetzes verträgt, müsste wohl der BGH beurteilen. Es ist allerdings noch nicht bekannt, ob Rapidshare gegen das Urteil in Berufung gehen wird.
Das Urteil aus Hamburg dürfte der Diskussion um Zwangsfilter bei Internet-Service-Providern (ISPs), wie sie von den Vertretern der Rechteinhaber immer wieder gefordert werden, neuen Auftrieb verleihen. Praktisch jeder ISP oder Hostinganbieter könnte sich bald mit der Forderung nach Überwachung der von seinen Kunden genutzten IP-Adressen konfrontiert sehen. Zumindest diejenigen Unternehmen, die in juristischer Reichweite der Hamburger Gerichtsbarkeit angesiedelt sind, werden sich gründlich überlegen müssen, ob sie einen Ortswechsel nicht dem Damoklesschwert einer Verurteilung als Mitstörer vorziehen.
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