Podiumsdiskussion “Wer bezahlt Kreativität?” bei der Tagung Kreative Arbeit und Urheberrecht (Fr 26.9.)
„Wer bezahlt Kreativität?“ war die Frage, auf die Matthias Spielkamp zusammen mit Paul Keller vom niederländischen Creative-Commons-Projekt, der Hamburger Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Meike Richter, Peter Grafe vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sowie Martin Juhls, Musiker und Kulturmanager aus Dortmund Antworten suchen wollte.
Für Meike Richter spielt die im Internet entstandene „Aufmerksamkeitsökonomie“ bei der Finanzierung ihrer persönlichen Kreativität eine Schlüsselrolle. Die freie Verfügbarkeit vieler ihrer Werke im Internet würde ihr Aufmerksamkeit bei potentiellen Auftraggebern verschaffen und so indirekt für Einkommen sorgen, legte Richter dar. Wie viele andere Kreative auch, bezieht sie ihr Einkommen aus vielen unterschiedlichen Quellen – ganz im Sinne des von Martin Kretschmer empirisch nachgewiesenen Risikomanagements von Autoren.
Ganz und gar nicht einverstanden zeigte sich Meike Richter damit, wie Suchmaschinen und Aggregatoren von den Leistungen der Kreativen profitieren, ohne diese angemessen zu beteiligen. YouTube, MySpace & Co. sollten gefälligst Abgaben an diejenigen zahlen, auf deren Leistungen sie ihren Geschäftserfolg aufbauen, fand Richter. Zu wissen, daß diese „Monopolisten“ auch mit der zumindest indirekten Verwertung ihrer Werke Millionen scheffeln, ohne daß sie dafür auch nur einen Cent sehe, frustriere sie schon sehr. Das sei im Grunde „Ausbeutung 2.0“, so Richter.
Martin Juhls hat als Mitbegründer des Netlabels Thinner bereits vor Jahren Erfahrungen mit der Monetarisierung kostenlos angebotener Musik machen können. Die Aufmerksamkeit, die er mit kostenlos zur Verfügung gestellter Musik erreichen konnte, führte zu bezahlten Auftritten als DJ und Lizenzvergaben zur Nutzung seiner Werke als Filmmusik. Allein von Musik könnte er aber nicht leben, stellte Juhls nüchtern fest. Das müsse er aber „zum Glück auch nicht“, da er als Kulturmanager über weitere Einkommensquellen verfüge. Juhls wies in der Frage der Finanzierung von Kultur auch auf die Eigenverantwortung von Musikern und Kreativschaffenden im Allgemeinen hin. Diese müssten sich professionalisieren und besseres Marketing in eigener Sache betreiben.
Deutliche Kritik übte Juhls an der Verwertungsgesellschaft GEMA, die sich in seinen Augen gegen den Trend stemmt und Musikern nicht ausreichend Platz zur Selbstvermarktung im Internet einräumt. Er wünschte sich von der GEMA mehr Akzeptanz für Creative-Commons-Lizenzen. Auch die Verteilung der Einnahmen innerhalb der GEMA sei hoch problematisch, weil ungerecht. Als Musiker „dritter Klasse“ werde er nur ungenügend bei der Ausschüttung der Verwertungsabgaben beteiligt. Daran müsse sich in Zukunft etwas ändern.
Hinsichtlich der immer wieder geäußerten Kritik an den Verwertungsgesellschaften blieb Peter Grafe deutlich zurückhaltend. Forderungen nach Strukturveränderungen müssten gut begründet sein und dürften auf keinen Fall das Konzept der Verwertungsgesellschaften in Frage stellen.
Die Professionalisierung von Kreativen befürwortete Grafe hingegen nachdrücklich. Management, Marketing und Coaching dürften für Kreative keine Fremdworte bleiben. Zugleich konstatierte er eine Überversorgung des Marktes mit Kreativen, die dazu führe, dass nicht alle Künstler von ihrer Kunst leben könnten. Jedoch seien die spezifischen Fähigkeiten von Künstlern auch außerhalb des Kunstbetriebes gefragt und er empfahl den Kreativen, solche Möglichkeiten wahrzunehmen.
Aus dem Publikum wurde dann an die Diskussionteilnehmer die schwierige Frage nach der Kulturflatrate als Finanzierungsmodell für Kulturarbeit gestellt. Die Antworten darauf fielen eindeutig zwiespältig aus. Sicher würde eine Kulturflatrate von der Idee her toll klingen, aber…Wie solle die Erfassung und Abrechnung einzelner Nutzungsvorgänge in der Praxis funktionieren? Erste Versuche beispielsweise von YouTube, mittels Fingerprinting die Nutzung von Musik in Filmen zu erfassen, die von Nutzern hochgeladen wurden, stecken noch in den Kinderschuhen, von der Übertragbarkeit auf andere Arten von Medien ganz zu schweigen. Auf der anderen Seite würde man wohl irgendeine Art von Kulturflatrate benötigen, um die Kreativen überhaupt erst einmal an der Verwertung ihrer Werke im Internet zu beteiligen, argumentierte Till Kreutzer. So, wie sich die Lage gegenwärtig präsentiere, gingen die meisten von ihnen ja ganz leer aus. Eine Flatrate mit Ausschüttung über die Verwertungsgesellschaften sei dann wohl doch der bessere Weg.
Für Matthias Spielkamp zeichnete sich am Ende der Diskussion das Leitbild vom „Künstler als Dienstleister“ ab, dessen Dasein wohl weiterhin „kompliziert“ bleiben werde. Vom romantischen Bild des „Künstlers als einsamem Schöpfer“ könne man sich jedenfalls getrost verabschieden. Bei den Verwertungsgesellschaften herrsche Reformbedarf — und ebenso im Urheberrecht –, um dem Wandel Rechnung zu tragen.
2 Kommentare
1 Meike Richter am 28. September, 2008 um 20:17
Ich habe meine Position nochmal genauer erläutert: http://www.commonspage.net/2008/wenn-ich-sergey-und-larry-beim-backer-treffen-wurde/
Was sagen Sie dazu?