Symposium: Archive und Museen zwischen Urheberrecht und Kriminalisierung
Unter dem Titel “Zwischen technischem Können und rechtlichem Dürfen – Filme und Digitalisierung in Museen und Archiven” veranstaltete die Deutsche Kinemathek an den vergangenen beiden Tagen ihr zweites juristisches Symposium. Dabei trafen hochrangige Referenten auf Museumsdirektoren, Schauspieler, Regisseure und Archivleiter.
In der öffentlichen Debatte konzentriert sich dabei alles auf die Auseinandersetzungen zwischen Piraterie, Filesharing und Peer-to-Peer-Netzwerken auf der einen Seite und den Interessen der Unterhaltungs-, Musik-, und Filmindustrie auf der anderen Seite. Dazwischen befinden sich die Archive und Museen, deren Belange nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die prekäre und unsichere Lage im Umgang mit dem Urheberrecht und der Wahrnehmung ihrer Aufgaben wurde sowohl von den Referenten als auch von den Gästen als katastrophal bezeichnet.
Peter B. Kaufmann, CEO Intelligent Television, fand in einem Live-Skype-Interview am Anfang auch gleich deutliche Worte für den status quo der digitalen Revolution. Die freie Verfügbarkeit von Informationen und der weltweite Zugang zu Daten sei eine unumkehrbare Bewegung. Gerade auch Archive und Museen müssten daher neue Verwertungs- und Geschäftsmodelle entwickeln. Das aktuelle Urheberrecht sei nur noch bedingt geeignet, um diese Herausforderungen zu meistern. Dagegen argumentierte der Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), Dr. Matthias Leonardy, dass das geltende Urheberrecht ausreichend sei, um geistiges Eigentum zu schützen. Auf der Suche nach dem Anknüpfungspunkt zum Thema des Symposiums warf Lütger Landwehr, Leiter des Digitalisierungsprogrammes digiCULT der Museen Schleswig Holstein, dann das Problem auf, dass den Museen oftmals der Urheber von Photos von Ausstellungstücken nicht bekannt sei, sie diese aber trotzdem ohne Erlaubnis in ihrem Online-Katalog veröffentlichten. Seien die Museen dann auch Verbrecher, die von der GVU verfolgt werden? richtete er seine Frage in Richtung GVU. Dies verneinte Leonardy dann jedoch.
Archive und Museen sind die klassischen Mittler zwischen den Kreativschaffenden und der Gesellschaft, so jedenfalls die traditionelle Funktion. Durch die Digitalisierung verschwindet diese Barrierefunktion jedoch zunehmend, erläuterte Jürgen Keiper von der Deutschen Kinemathek. Daran anschließend forderte Claudia Dillmann, Direktorin des Deutschen Filminstituts und Mitglied im Beratungsgremium zur Einrichtung der European Digital Library Europeana, die Anwesenden deshalb auf, in der Diskussion um die Auswirkungen der Digitalisierung nicht nur über das “Können” und “Dürfen” zu reden, sondern die Bedürfnisse von Museen und Archiven auch politisch durchzusetzen.
Danach ging es nochmal dezidiert um die juristischen Probleme, die sich aus dem geltenden Urheberrecht ergeben. Prof. Raue, von der Kanzlei Hogan & Hartson Raue LLP, dozierte in seinem Vortrag über die völlig unzureichende Ausgestaltung des Paragraphen 52 a UrhG. In amüsanter Art und Weise zerlegte er die einzelnen und höchst umstrittenen Tatbestandsmerkmale der Vorschrift. Daran anschließend ging Dr. Till Kreutzer, Mitorganisator des Symposiums, Rechtsanwalt beim Büro für informationsrechtliche Expertise und Redakteur bei iRights.info, auf die Frage ein, ob und in welcher Weise der Gesetzgeber die Interessen der Museen und Archive überhaupt gesichert habe. Er betonte dabei, dass es nicht nur um das Bewahren von Kulturgütern gehen dürfe, sondern gerade auch um die Schaffung eines Zugangs für die Öffentlichkeit. Ernürchterndes Fazit: Wenn man sichergehen will, darf man nur sehr wenig. Der Gesetzgeber sei vielmehr, beispielsweise durch das Verbot der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen, gescheitert, die Archive und Museen aus der rechtlichen Grauzone herauszuholen. Dr. Till Jäger, Rechtsanwalt, stellte anschließend die rechtlichen und praktischen Vorteile durch den Einsatz von Open Source Software im Gegensatz zu proprietärer Software vor. Das Konzept und die Funktionsweise von Creative Commons wurde in der Folge von Markus Beckedahl vorgestellt.
Prof. Kuhlen von der Universität Konstanz kritisierte in der Folge die bestehende Schrankensystematik des deutschen Urheberrechts, die keine ausreichenden Antworten auf die Belange von Museen und Archiven gebe. Das Urheberrecht garantiere heute in erster Linie die Interessen der Verwertungsindustrie und nicht mehr der Kreativen und Urheber. Es entwickele sich vergleichbar mit dem anglo-amerikanischen Copyright zu einem reinen Handelsrecht. Er schlug deswegen vor, beispielsweise für öffentlich geförderte Werke nur noch ein einfaches Nutzungsrecht zu erteilen, damit der zukünftige Zugang gewährleistet sei. Matthias Spielkamp, Journalist und Redakteur bei iRights.info, erläuterte danach das Konzept und die Bewegung Open Access, das in der Lehre und Forschung eine Verfügbarkeit wissenschaftlicher Artikel sicherstellen kann. Dabei ging er auch auf den Widerspruch zwischen mangelnder Kenntnis vieler Wissenschaftler über die Vorteile und gleichzeitiger Selbstverpflichtung aller großen deutschen Forschungseinrichtungen und Universitäten ein, Open Access zu fördern.
Ob Regisseure und Schauspieler Interesse an der Archivierung ihrer Werke haben, wurde danach von den Kreativschaffenden Ottokar Runze, Ulrike von Ribbeck, Lars Kraume, Christopher Buchholz und Cay C. Wesnigk ausnahmslos bestätigt. In der Frage, wie dann eine notwendige Zugänglichmachung durch Archive aussehen kann, gingen die Meinungen auseinander. Eine interne Nutzung im Archiv für Forscher sei dabei in Ordnung, allerdings sei es bei der Einrichtung eines öffentlichen Zugangs schon schwieriger. Sofern keine massenhafte Verbreitung stattfinde und die betreuenden Archive integer seien, könne dies gerade noch in Ordnung sein. Es wurde klar, das hierfür neue Modelle entwickelt werden müssen, diese aber noch nicht existieren. Filesharing und Tauschbörsen sind natürlich auch für Regisseure ein großes Thema. Buchholz beschrieb das ambivalente Verhältnis wie folgt: “Wenn ich meinen aktuellen Film nicht in einer Tauschbörse finde, denke ich, er ist scheiße, weil ihn keiner sehen will”.
Prof. Dr. Pfennig, Chef der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, brach dann zunächst eine Lanze für die Kreativen: “Die letzte Waffe die die Filmurheber noch hatten, die Verfügbarkeit über “unbekannte Nutzungsarten” (ihrer Werke), wurde ihnen mit der letzten Änderung des Urheberrechtsgesetzes buchstäblich aus der Hand geschlagen”. Daneben berichtete er über aktuelle Verhandlungen der VG Bild-Kunst im Rahmen der pauschalen Geräteabgabe (letzter Stand: 6 Euro pro Computer und 50 Cent pro Festplatte die im Handel verkauft wird). Dies sei für Urheber eine Katastrophe aber “Realität in einer Urheberverwertungsgesellschaft”. Um dem entgegen treten zu können, sei eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Urhebern, Einrichtungen wie Museen und Archiven und der VG nötig. Allerdings machte er auch deutlich: “Wir machen keine Geschenke”.
Börries von Notz, Rechtsanwalt, und Prof. Dr. Nordemann gingen noch darauf ein, wie ein “Rechte-Clearing” bei der Ermittlung von Urhebern streng juristisch aussehen muss, damit Museen und Archive rechtlich auf der sicheren Seite stehen. Am Ende erwartete die Teilnehmer des Symposiums noch eine besondere Vorstellung. Frau Dr. Pakuscher, Leiterin des Referats Urheberrecht im Bundesministerium der Justiz, führte vor, wie man in einem 30-minütigen Vortrag mit möglichst ausgewogenen Worten möglichst wenig konkretes bis nichts sagt. Es konnte ihr lediglich entlockt werden, dass es einen 3.Korb zur Urheberrechtsnovellierung geben wird. Ansonsten verwies sie auf geltendes europäisches Recht, an das sich die Bundesrepublik halten müsse.
2 Kommentare
1 Matthias Spielkamp am 15. September, 2008 um 11:05
Danke für den informativen Bericht! Mein Vortrag zu Open Access ist hier online: http://immateriblog.de/?p=76
Matthias
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