EU-Parlamentarier wollen bessere Balance zwischen Bürgerrechten und Urheberrechtsschutz
Das EU-Parlament wird morgen über den seit 2007 unter Federführung des französischen Sozialisten Guy Bono erarbeiteten Bericht zur Förderung der Kulturwirtschaft (“Cultural Industries”) abstimmen. In vorliegenden Änderungsanträgen wird eine bessere Balance zwischen Bürgerrechten und Urheberrechtsschutz gefordert.
Im Januar hatte die Electronic Frontier Foundation (EFF) öffentlich davor gewarnt, dass die Musikindustrie versuche, durch die Hintertür des Bono-Berichts das Urheberrecht zu ihren Gunsten umschreiben zu lassen. So hatte die Musikindustrie im Dezember ein Positionspapier mit “technischen Optionen zur Bekämpfung von Online-Urheberrechtsverstößen bei ISPs” an Mitglieder mehrerer Parlamentsausschüsse verteilt. Mehrere Änderungsanträge, die Ziele der Musikindustrie im Bono-Bericht verankern sollten, waren allerdings gescheitert.
Nun schlägt das Pendel zurück, wie es scheint.
Für die am Mittwoch stattfindende, abschließende Abstimmung über den Entwurf des Bono-Berichts haben mehrere Parlamentarier zwei fast gleichlautende Änderungsanträge eingebracht. Ein von Berichterstatter Guy Bono selbst, dem ehemaligen französischen Ministerpräsidenten Michel Rocard und weiteren Parlamentariern unterstützte Änderungsantrag zu Abschnitt 22a des Berichts lautet:
“22a. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, anzuerkennen, dass das Internet eine breite Plattform für die kulturelle Ausdrucksmöglichkeit, den Zugang zu Wissen und die demokratische Teilhabe an der europäischen Kreativität darstellt und durch die Informationsgesellschaft Brücken zwischen den Generationen schlägt, und deshalb keine Maßnahmen zu ergreifen, die im Widerspruch zu den bürgerlichen Freiheiten und den Menschenrechten sowie den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, der Effizienz und der abschreckenden Wirkung stehen, wie z.B. die Unterbrechung des Internet-Zugangs;”.
Ein alternativer Entwurf, eingebracht von Christofer Fjellner und anderen, unterscheidet sich im Wortlaut nur marginal. Sollte einer der beiden Änderungsanträge morgen angenommen werden, wäre das ein starkes Signal an die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten, die Einführung der Zwangsabschaltung von Internetzugängen mutmaßlicher Urheberrechtsverletzer gründlich zu überdenken. Entsprechende Pläne werden derzeit in Frankreich umgesetzt; in Großbritannien laufen die Vorbereitungen dazu. Außerhalb Europas agieren zum Beispiel Internetprovider in Japan als “Urheberrechtspolizei”.
1 Kommentar
1 Robert A. Gehring am 10. April, 2008 um 15:38
Wie im Heise Newsticker heute berichtet wird, haben die Änderungsanträge zu einem Erfolg geführt:
“Mit knapper Mehrheit hat sich das Europäische Parlament bei der Entschließung zur europäischen Kulturwirtschaft am heutigen Donnerstag in Brüssel gegen Internetzugangssperren als Mittel im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen ausgesprochen. Mit gerade mal 17 Stimmen Vorsprung votierte die Parlamentsmehrheit, gestützt von Sozialdemokraten und Sozialisten sowie den Grünen, für eine Aufforderung an die Mitgliedsstaaten, von Internetsperren abzusehen.”
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