Pauschalgebühr statt Klagen: Warner Music steuert auf „Kulturflatrate“ zu
Ironie der Geschichte: Der einstige DRM-Hardliner Edgar Bronfman, Jr., CEO von Warner Music, wird zum Vorkämpfer für eine Art „Kulturflatrate“, mit der die Musikindustrie gerettet werden soll. Er greift damit eine Idee von Jim Griffin auf, die der Geffen-Music-Veteran zuletzt auf der Musikmesse South by Southwest Mitte März verteidigt hatte. Mehr noch, Bronfman, Jr. hat jetzt Griffin sogar bei Warner Music angestellt, um das Projekt einer Pauschalabgabe auf Internetzugänge zur Kompensation von Kopien urheberrechtlich geschützter Musik aktiv voranzutreiben. Innerhalb von drei Jahren soll Griffin seine Pläne in die Praxis umsetzen, berichtet die Condé-Nast-Publikation Portfolio.com.
Griffins Vorschlag von „Musik als Service“ statt „Musik als Produkt“ kommt dem Modell einer „Kulturflatrate“ sehr nahe, wie sie seit Jahren von Kulturökonomen und reformorientierten Urheberrechtsfachleuten vor dem Hintergrund der nicht einzudämmenden Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke im Internet befürwortet wird. Wenn man denn die nicht autorisierte Nutzung der Werke nicht verhindern kann, dann sollten die Urheber und Rechteinhaber wenigstens angemessen kompensiert werden, so der Grundgedanke der Kulturflatrate.
Die finanziellen Mittel für die Kompensation würden durch eine monatliche Pauschalabgabe auf den Internetzugang eingesammelt werden. Je nach Bandbreite würden Internetnutzer ein paar Euro mehr oder weniger monatlich zahlen und dürften im Gegenzug Musik, Filme und andere geschützte Werke nach Belieben herunterladen oder weitergeben, ohne Post von Anwälten der Rechteinhaber fürchten zu müssen.
Die Ausschüttung der Einnahmen aus der Pauschalabgabe würde über eine oder mehrere Verwertungsgesellschaften nach einem zu vereinbarenden Schlüssel erfolgen. Als Maßstab für die Festlegung könnte beispielsweise die Verbreitungsquote von Werken in Tauchbörsen dienen. Im Grunde ähnelt das Modell den Rundfunk- und Fernsehgebühren, die in vielen Ländern schon existieren. Es geht bei der Kulturflatrate also keineswegs um eine Revolution sondern eher um eine Evolution.
Die Musikindustrie hat wie andere Medienindustrien den Gedanken an eine Kulturflatrate jahrelang stets von sich gewiesen. Stattdessen setzte die Industrie auf digitales Rechtemanagement, Klagen gegen Musiknutzer und Gesetzesinitiativen, die auf eine „Kriminalisierung der Schulhöfe“ hinausliefen. Genützt hat das alles nicht viel: Die Umsätze der Branche sind in den vergangenen Jahren auf den Stand von Ende der 90er Jahre gesunken. Das Geschäft mit digitalen Musikdateien erlebt jetzt zwar einen Aufschwung, nachdem die Musikindustrie endlich den Kundenwünschen nachkommt und auf DRM verzichtet, aber der Rückgang im Geschäft mit CDs kann dadurch nicht wettgemacht werden.
Jim Griffin fasst die Entwicklung so zusammen:
„Heutzutage ist es eine freiwillige Entscheidung, für Musik zu zahlen. Wenn ich Ihnen empfehle, eine bestimmte Band anzuhören, könnten sie dafür bezahlen, oder auch nicht. Das ist weitgehend Ihnen überlassen. Das Musikgeschäft ist zu einer großen Sammelbüchse für Trinkgelder geworden.“
Immer mehr Musikmanager (großer Labels) sind offensichtlich bereit, vor dieser Tatsache nicht länger die Augen zu verschließen und das Unvermeidliche zu akzeptieren. Bereits seit gut einem Jahr kann man auf Branchenveranstaltungen immer wieder Bemerkungen hören, die auf eine zunehmende Anfreundung mit dem Kulturflatrate-Modell schließen lassen.
Der Schritt von Warner Music, die Entwicklung der Kulturflatrate aktiv voranzutreiben, ist nun ein konsequenter Schritt in diese Richtung. Dieser Schritt dient auch dazu, ein bestimmtes Modell von Kulturflatrate durchzusetzen. Damit will das Unternehmen auch Diskussionen im manchen Ländern über die Schaffung einer echten Kulturflatrate den Boden entziehen. Statt die Verbreitung von urheberrechtlich geschützter Musik ins Belieben der Internetnutzer zu stellen, möchte Warner Music eine zentrale Datenbank einrichten, aus der sich die Musikfans gegen Gebühr bedienen dürfen. Mit diesem Abonnement-Modell würden die teilnehmenden Plattenfirmen im Internet eine ähnliche Kontrolle über die Vertriebswege für Musik bekommen, wie in der „Offline-Welt“. Ob das tatsächlich die richtige Antwort auf die durch Tauschbörsen demonstrierte Nachfrage im Internet sein kann, bleibt abzuwarten.
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