Fundstücke zur Kreativwirtschaft
In den letzten Tagen hat sich wieder viel in Sachen Kreativwirtschaft angesammelt. Eine kleine Übersicht habe ich hier zusammengestellt und kommentiert.
Offener und nicht so offener Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen
Geht es um die Beschaffung von Fachliteratur, stecken die Hochschulen weltweit in einer schwierigen Lage. Die Etats für aktuelle Fachliteratur halten nicht mit der Preisentwicklung auf dem Markt für Fachliteratur Schritt. Immer wieder ist von der Bibliothekenkrise die Rede. Fachbücher und vor allem Fachzeitschriften werden jährlich teurer und die Hochschulbibliotheken kämpfen mit schrumpfenden, bestenfalls stagnierenden Etats. In der Folge sehen sie sich gezwungen, immer mehr Abonnements für Fachzeitschriften zu kündigen. Das Paradoxe daran: Die Inhalte der Fachzeitschriften, die wissenschaftlichen Aufsätze, werden von den Wissenschaftlern eben jener Hochschulen produziert, die sich die Zeitschriften nicht mehr leisten können. Dabei verdienen die Wissenschaftler gar nichts mit ihren Artikeln, sie werden als Angestellte der Hochschulen bezahlt.
Ein möglicher Ausweg aus dieser vertrackten Situation wäre, wenn die Wissenschaftler ihre Artikel den Fachzeitschriften nicht mehr exklusiv überlassen sondern zusätzlich im Internet frei veröffentlichen würden. Ein anderer Ausweg wäre, wenn die Wissenschaftler nur noch in Open-Access-Fachzeitschriften publizieren würden. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Open-Access-Klausel im Urheberrecht, wie sie der Bundesrat für den zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle in Deutschland allerdings abgelehnt hat.
In den USA und Großbritannien hat es in den vergangenen zwei Jahren große Fortschritte bei Open Access gegeben. Dort sind die Richtlinien für die Forschungsförderung teilweise so geändert worden, daß Wissenschaftler die Ergebnisse geförderter Forschung frei und kostenlos zugänglich machen müssen. Kein Open Access – keine Fördergelder. Die Harvard-Universität will nach einer Meldung der WAZ (7.3.2008) jetzt noch einen Schritt weiter gehen:
„Die Bibliothek der amerikanischen Elite-Universität Harvard will sämtliche Forschungsergebnisse und wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Fakultätsmitglieder ins Internet stellen – kostenfrei verfügbar für alle.“
Im selben Artikel wird auch erwähnt, daß deutsche Forscher nicht unbedingt Open-Access-Freunde sind:
„Allerdings würden Harvard-ähnliche Vorstöße hierzulande an der Eitelkeit der Professoren scheitern, denn die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Artikel lieber in renommierten Fachzeitschriften, statt sie den Uni-Bibliotheken zur Verfügung zu stellen.“
Soviel zum Thema “Forschungsstandort Deutschland”.
DRM-Standort Deutschland
Mit der Urheberrechtsnovelle (zweiter Korb) hat der deutsche Gesetzgeber auch den Bibliotheken neue Spielregeln verordnet. Der bei Wissenschaftlern beliebte Kopienversand wurde zugunsten der Fachverlage eingeschränkt. Am deutlichsten sind die Folgen bei Subito, einem von mehreren Bibliotheken betriebenen Dokumentenlieferdienst, zu spüren. Im Heise Newsticker (24.2.2008) hieß es dazu: „Online-Fernleihe via Subito nur noch mit digitalen Fesseln“. Gemeint ist damit, daß PDF-Kopien von Fachaufsätzen in Zukunft mit einem DRM-Schutz versehen werden. Für die Wissenschaftler bedeutet das: Sie können das Dokument innerhalb eines Monats „ansehen und zweimal ausdrucken“. Nach Fristablauf verfällt das Dokument und kann nicht mehr benutzt werden.
Subito hat dafür heftige Kritik einstecken müssen. Harald Müller, Direktor der Bibliothek des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, wird bei Heise mit den Worten zitiert, Subito habe sich von den Verlagen „über den Tisch ziehen lassen“.
Es ist interessant, zum Vergleich das Vorgehen der MIT-Bibliotheken in den USA zu betrachten. Vor etwa einem Jahr hatte die Society of Automotive Engineers (SAE) den Plan verkündet, Artikel aus ihren Fachzeitschriften nur mit DRM-Schutz anzubieten. Die MIT-Bibliotheken waren nicht bereit, diesen Schritt zu akzeptieren – sie kündigten ihre SAE-Abonnements. Es folgten Verhandlungen mit der SAE, die im November 2007 mit dem Ergebnis endeten, daß die SAE-Zeitschriften dem MIT auch in Zukunft ohne DRM (4.3.2008) zur Verfügung gestellt werden.
VG Musikedition meldet: „Rekordausschüttung im Geschäftsjahr 2007“
Den Musikverlagen geht es prächtig. Die zuständige Verwertungsgesellschaft, die VG Musikedition, hat für 2007 Einnahmen von 2,403 Milliarden Euro gemeldet (7.3.2008). Diese werden abzüglich der Verwaltungskosten und der Zahlungen an andere Verwertungsgesellschaften and Urheber und Rechteinhaber („Musikverlage, Komponisten, Textdichtern, und musikwissenschaftliche Herausgeber“) ausgeschüttet. Zum Vergleich: Die GEMA, die aufführende Künstler und die Inhaber von Rechten an Tonaufnahmen vertritt, hat im selben Jahr 844 Millionen Euro eingenommen, ein Rückgang um 30 Millionen Euro gegenüber 2006. Das Verlagsgeschäft ist also deutlich lukrativer als das Tonträgergeschäft.
Geburtstag: MP3-Player werden 10
The Register hat aus gegebenem Anlaß darauf aufmerksam gemacht (10.3.2008), daß vor zehn Jahren der erste MP3-Player erschienen ist. Der MPMan F10 kam im März 1998 auf den Markt. Er war mit 32 MB Speicher ausgestattet. Ein halbes Jahr später erschien der Rio PMP300 von Diamond und brachte dem Hersteller eine Klage vom Verband der US-Musikindustrie (RIAA) ein. (Der 2001 erschienene iPod von Apple weist übrigens optisch eine erstaunliche Ähnlichkeit zum Rio auf…)
Im selben Jahr in dem der MPMan das Licht der Welt erblickte, 1998, entwickelt Shawn Fanning die Tauschbörse Napster, der allerdings nur wenige Jahre Erfolg vergönnt waren. 2001 mußte Napster bekanntlich den Dienst einstellen, nachdem die Musikindustrie erfolgreich vor Gericht gezogen war.
Die Schlacht gewonnen, doch den Krieg verloren: MP3-Player und Tauschbörsen sind bis heute eine Erfolgsgeschichte. Das konnte die RIAA nicht verhindern. In Deutschland lag die Zahl der illegalen Musikdownloads im vergangenen Jahr immer noch bei 312 Millionen Musikdateien (SZ, 10.3.2008). Diese Zahl gibt jedenfalls eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) an. Im Vorjahr, 2006, sollen es noch 374 Millionen Dateien gewesen sein.
Die IFPI, das ist der internationale Verband der Plattenfirmen, wird übrigens in Zukunft in ihrem Kampf gegen die „Musikpiraterie“ mit weniger Geld auskommen müssen. EMI, eine der vier großen Plattenfirmen, hat die IFPI mit Austrittsdrohungen dazu gebracht (Ars Technica, 10.3.2008), ihr entsprechendes Budget zu kürzen.
CDU/CSU-Bundestagsfraktion lobt Entwurf zur Novelle des Filmfördergesetzes
Aus einer Pressemitteilung (10.3.2008) gehen ein paar Hinweise darauf hervor, wie die Filmförderung der Zukunft aussehen könnte:
- Die Eigenkapitalbasis der Kinos soll durch neue Förderrichtlinien gestärkt werden. In Zukunft gibt es „bis zu 30 Prozent als Zuschuss und zu mindestens 70 Prozent als zinsloses Darlehen“.
- Zur Förderung der Entwicklung von Drehbüchern werden in Zukunft im Einzelfall bis zu 50.000,- Euro bereitgestellt. Dazu CDU/CSU in der PM: „Dadurch wird insbesondere auch für bereits erfolgreiche Autoren der Anreiz erhöht, Drehbücher für Kinofilme zu erstellen, statt vorzugsweise für den Fernsehfilmbereich zu arbeiten.“
- Kinofilme sollen in künftig bereits 18 (statt bisher 24) Monate nach der Erstaufführung im Free-TV zu sehen sein dürfen. Im Pay-TV (Video-on-Demand) soll die Sperrfrist gar auf revolutionäre 6 Monate (statt bisher 12) verkürzt werden.
Zur Begründung der Notwendigkeit einer großzügigeren Filmförderung heißt es in der PM:
„Das Kino kann jede Förderung gut gebrauchen. Denn die Besucherzahlen waren zuletzt rückläufig. Waren 2006 noch 137 Millionen Besucher gezählt worden, gingen im letzten Jahr nur noch 122 Millionen in die Kinos.“
Um diese Zahlen ins Verhältnis zu setzen: 2005 gingen 10 Millionen Besucher weniger ins Kino als 2006 und 1996 waren es 132,9 Millionen Kinobesucher, fast genauso viele wie 2006. Am meisten Kinobesuche gab es (in den vergangenen zehn Jahren) 2001, als insgesamt 177,9 Millionen Tickets verkauft wurden. Die Zahl der Kinobesuche schwankt also ganz unabhängig von der Filmförderung.
Übrigens gab es 1942 1,062 Milliarden Kinobesuche, 1943 1,116 Milliarden und 1944 1,102 Milliarden. Die Zahlen stammen von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO). Dazu bei Gelegenheit mehr.
Jaja, Statistiken haben so ihre Tücken…
Lokales: Kultur in Köln
Die RheinEnergieStiftung Kultur hat einen Kulturwirtschaftsbericht Köln und eine Pressemitteilung (6.3.2008) dazu herausgegeben. Eine vielleicht interessante Zahl daraus:
„Rund 46 Prozent aller Künstlerinnen und Künstler des Landes NRW leben im Großraum Köln.“
Lokales: Kultur in Berlin
Es wird nicht allen Nichtberlinern/innen und wohl auch nicht allen Berlinern/innen bekannt sein: In der Stadt wird um den Flughafen Tempelhof gestritten. Die einen wollen ihn für ihre Privat- und Geschäftsflugzeuge offen halten, die andern in Ruhe schlafen. Der Berliner Senat hat beschlossen, den Flughafen zu schließen. Unklar war bisher, was der Senat dann mit dem Riesengebäude (Länge: 1230 m laut Wikipedia) und dem Flughafengelände genau vorhat. Jetzt heißt es dazu beim RBB (5.3.2008), es sollten ein Park – „so groß wie der New Yorker Central Park“ – und ein „Tempelhofforum“ eingerichtet werden. Zweck des Forums: eine „Adresse für Kultur-, Medien- und Kreativwirtschaft“.
Da frage ich mich (und das fragen sich vielleicht auch die Kölner): „Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?“ Berlin ist bekanntlich lediglich „sexy aber arm“… ;-)
Was sagen Sie dazu?