Entwicklung des Urheberrechts in der digitalen Gesellschaft: Antworten auf die Fragen zur öffentlichen Anhörung Urheberrecht der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft
Hier meine Antworten auf den Fragenkatalog zur öffentlichen Anhörung Urheberrecht der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft am 29. November. Für wertvolle Hinweise und Kommentare bedanke ich mich bei Till Kreutzer, Hergen Wöbken, Marcel Weiss, John Weitzmann, Ilja Braun und Philipp Otto.
Eigentlich wollte ich die Antworten bereits in der vergangenen Woche veröffentlichen, um Kommentare und Hinweise aufzunehmen, bevor ich sie an die Kommission schicke. Das habe ich leider nicht geschafft. Dennoch würde ich mich weiterhin über Anmerkungen freuen, die sowohl in die Anhörung, als auch in diese Antworten einfließen könnten. Es spricht nichts dagegen, der Kommission später eine aktualisierte Fassung zu schicken.
Die Nummerierung habe ich angepasst, um eine besser Referenzierung zu ermöglichen, denn hinter den meisten Ziffern verbergen sich mehrere Fragen.
I. Grundlagen – Bestandsaufnahme – Herausforderungen
I.1.a) Haben sich die Motivation zur Produktion und die Kreativität der Urheber mit dem Internet verändert?
Antwort: Der Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig vertritt die These, dass sich unsere Kultur zu einer Read/Write-Kultur verändert. Damit ist gemeint, dass diejenigen, die Zugriff auf Internet und Computer haben, einen größeren Fundus von Werken in elektronischer Form nutzen können, die leichter zu bearbeiten und abzuwandeln sind, als das früher der Fall war. Weiterhin kann man die Ergebnisse dieses Schaffens besser anderen zur Verfügung stellen, indem man sie veröffentlicht – im eigenen Weblog, auf einer Video-Hosting-Site wie Youtube, bei einem Netlabel oder in Social Networks.
Es kommt hinzu, dass die Bedingungen zur Zusammenarbeit sich durch Digitalisierung und Internet völlig verändert haben. Das wird am besten beschrieben von Autoren wie Yochai Benkler in „Wealth of Networks“ oder Clay Shirky in „Here Comes Everybody“.
Im Resultat zeigen Open-Source-Projekte (wie Linux, Firefox, Open Office und viele andere), die Wikipedia, aber auch Musik, Texte, Fotos und Filme unter Creative-Commons-Lizenzen (und ähnlichen Lizenzen für freie Inhalte), dass diese Möglichkeiten nicht einfach nur technische Möglichkeiten sind, sondern neue Formen der kollaborativen Produktion schaffen, die in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß genutzt werden.
I.1.b) Können das Internet und digitale Techniken kreatives Schaffen fördern?
Antwort: Ja. S. I.1.a)
I.1.c) Können das Internet und digitale Techniken die Vermarktung kreativen Schaffens fördern?
Antwort: Ja. Zum einen dadurch, dass die eingeführten Verwerter/Intermediäre sich die Strukturen des Netzes zu Nutze machen, zum anderen dadurch, dass Kreative ihre Werke/Produkte selbst vermarkten, wofür es zahlreiche Beispiele gibt.
I.1.d) Wie lässt sich der Wert kreativer Leistungen bemessen?
Antwort: Die Frage lässt sich ich in dieser Offenheit m.E. nach nicht beantworten. Ein inhärenter Wert einer Ware oder eines Werks existiert nicht. Der Preis eines Werks wird über den Markt gefunden, mit all seinen politischen Voraussetzungen (Eigentumsgarantie, Monopolrechte etc.). Ein anderer Aspekt ist, dass der gesellschaftliche Wert einer kreativen Leistung steigt, je mehr die Gesellschaft mit dieser Leistung arbeiten kann (lesen, hören, weiterverarbeiten etc.). Das heißt, der gesellschaftliche Wert einer bestehenden Schöpfung steigt, je geringer die Schutzrechte darauf sind, weil um so mehr Leute darauf aufbauen können, ohne mit Monopolisten verhandeln zu müssen.
I.1.e) Wie viel sind Nutzer bereit, für Inhalte aus dem Netz zu bezahlen? (CDU/CSU)
Antwort: Darauf lässt sich keine konkrete Antwort geben. Preisfindungsprozesse sind überaus dynamisch und von vielen Faktoren abhängig. So ist z.B. die New York Times mit ihrem Versuch gescheitert, Leser für Inhalte bezahlen zu lassen (TimesSelect), zugleich sind ca. 400.000 Nutzer bereit, zwischen 8 und 9 US-Dollar pro Monat für die Online-Ausgabe des Wall Street Journals zu bezahlen. Ähnliche Spannen gibt es bei Musik und Film.
I.2.a) Gehen mit den neuen Möglichkeiten, die das Internet und die Digitalisierung eröffnen, seinen technischen Gegebenheiten und seiner Dynamik Veränderungen bei Wertmaßstäben der Nutzer einher?
Antwort: Davon ist auszugehen. S. dazu die gerade erschienene Umfrage unter so genannten „Webaktiven“ des IFSE. Darin wird beispielsweise festgestellt, dass die Bedeutung klassischer Werte wie Verschwiegenheit, Geduld, Höflichkeit, Ehrlichkeit und Disziplin abnimmt. Dafür sind Flexibilität, Toleranz, Solidarität und Gerechtigkeit gefragt. Diese Angaben sind im Abgleich mit weiteren Ergebnissen plausibel.
I.2.a) Wie kann dem begegnet werden? (CDU/CSU)
Antwort: Es müsste erst einmal festgestellt werden, ob einem Wertewandel „begegnet“ werden muss, statt zu fragen, wie ihm begegnet werden kann. Die Formulierung unterstellt, dass einem Mentalitätswandel begegnet werden sollte und zeichnet sich damit nicht durch Offenheit für einen Dialog und ein ernsthaftes Interesse aus.
I.3.a) Lässt sich das System zum Schutz geistigen Eigentums auf das Internet übertragen?
Antwort: Es ist bereits übertragen worden, was insofern problematisch ist, als die Wohlfahrtsgewinne, die Digitalisierung und Internet ermöglichen, dadurch zum Teil zunichte gemacht werden, weiterhin die Akzeptanz des Urheberrechts eher schwindet, da ein Teil der Regulierungen Möglichkeiten behindern, die die „neuen“ Technolgien bieten.
I.3.b) Muss das Verhältnis von Urhebern, Verwerter und Nutzern neu justiert werden?
Antwort: Ja. S. Antwort zu Fragen I.1.a), 9.c) und I.10.b)
I.3.c) Sollte aus Ihrer Sicht der Urheber oder der Nutzer im Mittelpunkt stehen? (CDU/CSU)
Antwort: Weder noch. Es geht darum, eine Balance zu finden zwischen den Interessen der Urheber, der Nutzer und der Verwerter, die hier nicht genannt sind (warum nicht?). In der bisherigen Gesetzgebung sind Nutzerinteressen marginalisiert und die Interessen der Urheber mit denen der Verwerter gleichgesetzt worden. Beides entspricht nicht den Verhältnissen und Problemlagen, wie sie sich derzeit darstellen. S. dazu auch die Antwort auf Frage I.10.b).
I.4. Verändert das Internet die Produktion kreativer Güter in einer Weise, die es empfehlenswert erscheinen lässt, die Strukturen des Urheberrechtes – insbesondere auch im Hinblick auf die Rolle der Werknutzer und die Zuordnung des Werks zum Schöpfer – zu überdenken? (SPD)
Antwort: Ja. Es muss eine Unterscheidung getroffen werden zwischen der gewerblichen / kommerziellen Nutzung von Werken und der nicht-gewerblichen, nicht-kommerziellen. S. auch Antwort zu 1.a)
I.5.a) Verändern sich durch die – insbesondere auch mit dem Aufkommen des Internets verknüpfte – „Informationsgesellschaft“ die Anforderungen an die Informationsordnung in einer Weise, die auch die Ziele des Urheberrechtes und seine Funktion innerhalb dieser Ordnung betreffen?
Antwort: Ja. S. Antworten auf Fragen I.1.a) und I.4.
I.5.b) Besteht ein Zielkonflikt zwischen Informationszugang und Förderung des kreativen Potenzials der Gesellschaft und wie ist er ggf. aufzulösen? (SPD)
Antwort: Es besteht u.U. ein Zielkonflikt zwischen einem sehr restriktiven Informationszugang und der Förderung des kreativen Potenzials der Gesellschaft. Wie er aufzulösen ist, lässt sich nicht zum einen pauschal beantworten – s. Antwort zu 4. Weiterhin lässt er sich individuell abgestimmt auf einzelne Fälle auflösen. So ist es z.B. nicht einzusehen, dass Werke, die zu einem weit überwiegenden Teil aus Steuern finanziert werden, nicht auch der Allgemeinheit zur Verfügung stehen (Stichwort Open Access in den Wissenschaften). Bei anderen Werkarten müssen andere Lösungen gefunden werden.
I.6. Welche technischen Neuerungen, die das Urheberrecht unterminieren könnten und in die Überlegungen der Kommission eingehen sollten, sind bereits jetzt in Sicht, bzw. mittelfristig denkbar (z.B. größere Verbreitung von Streaming)? (SPD)
Antwort: Diese Frage ist meiner Ansicht nach falsch gestellt. Es geht darum, Wege zu finden, wie das Urhberrecht den technischen Entwicklungen so angepasst werden kann, dass ein möglichst gerechter Ausgleich der Interessen aller betroffenen Akteure – Urheber, Verwerter, Nutzer – gefunden wird.
I.7.a) Sind Sie der Meinung, dass das geltende Urheberrecht die Interessen von Urhebern, Verwertern und Nutzern im digitalen Zeitalter angemessen ausgleicht?
Antwort: Nein. S. Antwort zu Fragen I.1.a), 9.c) und I.10.b)
I.7.b) Wo liegt aus Ihrer Sicht Konfliktpotential, wo besteht Änderungsbedarf?
Antwort: Konfliktpotential liegt dort, wo es Digitalisierung und Internet ermöglichen, Daten verlustfrei und nahezu kostenlos zu vervielfältigen und zu verbreiten, also im Grunde bei allen digitalen Gütern. Bisher existiert das Interesse der Allgemeinheit in der Gesetzgebung nur sehr vermittelt: ihr soll dadurch gedient sein, dass durch den Schutz des Urhebers sein Schaffen angereizt wird. Und auch diese Überlegung spielt im kontinentaleuropäischen Urheberrecht eine untergeordnete Rolle. In erster Linie folgt es weiterhin dem Schöpfergedanken und spricht dem Urheber daher sehr starke Rechte zu.
I.7.c) Sind Sie der Meinung, dass die Interessen von Bildung und Forschung ausreichend berücksichtigt werden? (DIE LINKE.)
Antwort: Nein. Hier verweise ich auf die Analysen und Forderungen des „Aktionsbündnisses ‚Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft’“. http://www.urheberrechtsbuendnis.de/index.html.de
I.8.a) Sind die Rechte der Bürgerinnen und Bürger als Mediennutzer (Verbraucher) in ausreichendem Maße gewahrt?
Antwort: S. Antworten zu den Fragen I.8. b) – d)
I.8.b) Besteht beim Abschluss urheberrechtlicher Lizenzverträge mit Telemedienanbietern ein hinreichender Schutz?
Antwort: Nein. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind meist so lang und für Laien unverständlich, dass nicht von ausreichender Information, geschweige denn Transparenz ausgegangen werden kann. Prominentes Beispiel dafür sind die AGB der Firma Apple für ihren iTunes Musicstore (ITM), die seit 2008 Gegenstand eines Rechtsstreits zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) sind. Der vzbv hat gegen Apple in Deutschland Klage erhoben, weil seiner Ansicht nach die Geschäftsbedingungen der Firma Verbraucher benachteiligen. Über die Klage ist bis heute nicht abschließend entschieden.
I.8.c) Wird das Instrument der strafbewehrten Unterlassungserklärung (Abmahnung) Ihres Erachtens missbräuchlich eingesetzt?
Antwort: Ja. Es sind zahlreiche Beispiele dokumentiert, bei denen Nutzer wegen Lappalien oder sogar ohne entsprechende Rechtsgrundlage abgemahnt wurden – in der Hoffnung, dass die Betroffenen aus Unkenntnis dennoch die geforderten Gebühren zahlen. Ein Vertreter der Forschungsstelle Abmahnwelle berichtet, es gebe Kanzleien, die pro Jahr auf rund 50 000 Aktenzeichen für Abmahnungen kommen.
I.8.d) Besteht hier oder in verwandten Feldern Regelungsbedarf? (DIE LINKE.)
Antwort: Zumindest kann festgestellt werden, dass die bisherigen Regelungen wenig bis nichts genützt haben. Der Gesetzgeber hatte sich im Jahr 2008 entschlossen, Abmahngebühren bei Urheberrechtsverletzungen in sehr eng definierten Fällen auf eine Pauschale von maximal 100 Euro zu begrenzen. Diese Deckelung gilt aber nur, wenn es sich um eine erstmalige Abmahnung handelt, einen einfach gelagerten Fall und eine nur unerhebliche Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs. Das eigentliche Problem wird durch § 97a UrhG nicht gelöst. Es liegt in der Bemessung des Gegenstandswertes (§ 3 ZPO), der den Abmahnkosten zugrunde liegt. Dieser ist bei Immaterialgüterrechtsverletzungen, v. a. Unterlassungsansprüchen, kaum konkret zu bemessen und Einfallstor für Wertungen nicht nur der Abmahnenden, sondern auch der Gerichte. In vielen Gerichtsentscheidungen wurde ein hoher Gegenstandswert gerade bei Internet-Rechtsverletzungen mit generalpräventiven Erwägungen gerechtfertigt, die jedoch – da sich die Höhe allein nach der wirtschaftlich zu bemessenen Beschwer des Verletzten richten darf – hier völlig sachfremd sind.
Eine Alternative zum Schutz vor Abmahnmissbrauch, die gegenüber der Deckelung im Urheberrechtsgesetz im Zweifel effektiver wäre, läge darin, die Möglichkeit zu schaffen, den Gegenstandswert bei Rechtsverletzungen von Verbrauchern zu mindern. Danach wirkt es sich wertmindernd aus, wenn die Kostenbelastung einer Partei nach dem vollen Wert angesichts ihrer Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht tragbar erscheint. Die Regelung setzt dabei keine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage voraus.
I.9.a) Wie beurteilen Sie das geltende Urheberrecht im Hinblick auf derivatives Werkschaffen, (z.B.Remixes, Mash-?ups)?
Antwort: Als sehr restriktiv, da zum einen keine Unterscheidung getroffen wird zwischen gewerblicher und nicht-gewerblicher Nutzung, zum anderen nicht zwischen reinem Kopieren und einer kreativen/künstlerischen Auseinandersetzung mit einem vorliegenden Werk.
I.9.b) Würden Sie im Bereich nicht-?kommerzieller, kreativer Werknutzung die Reduktion des Ausschließlichkeitsrechts auf einen Vergütungsanspruch für vertretbar halten?
Antwort: Ja.
I.9.c) Wie stehen Sie in dieser Hinsicht zum Vorschlag einer Entkopplung von Urheberpersönlichkeitsrechten und Verwertungsrechten im Sinne einer Trennung von Urheber- und Werkschutz? (DIE LINKE.)
Antwort: Das ist der Ansatz, der die weiteren Überlegungen zur Reform des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft bestimmen sollten. Das Urheberrecht sollte, so z.B. Kreutzer, nicht mehr Auftrag haben, „die Interessen des Urhebers oder der Verwertungsindustrie zu schützen, sondern einen multipolaren Schutzauftrag[…]. Die Interessen der Urheber und Verwerter sollen also nur insoweit geschützt werden, wie sie auch gerechtfertigt sind – gemessen an den Interessen der Allgemeinheit.“ Um das zu erreichen wäre es denkbar, in erster Linie Vergütungsansprüche zu gewähren: „Bloße Vergütungsansprüche sind, was die Innovation und den kulturellen Fortschritt angeht, viel weniger einschneidend als Verbotsrechte. Trotzdem können sie die Interessen der Berechtigten durchaus wahren. Häufig entsprechen sie den Interessen der Urheber mehr, als Ausschließlichkeitsrechte. Denn viele Kreative wollen ja gar nicht, dass vor jeder Nutzung eine Vereinbarung geschlossen und Rechte eingeholt werden müssen. Sie wollen vielmehr, dass sich ihre Werke möglichst weit verbreiten können und sie für die Nutzungen angemessen vergütet werden. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die meisten Urheber selbst Nutzer sind, die auf Nutzungsmöglichkeiten ohne unzumutbaren Aufwand angewiesen sind.“
I.10.a) Wie haben sich die Einnahmen von UrheberInnen, VerwerterInnen und Verwertungsgesellschaften aus urheberrechtlichen Vergütungsansprüchen in den letzten zwanzig Jahren entwickelt?
Antwort: Das wüsste ich auch gern.
I.10.b) Welche Tendenz lässt sich zwischen dem Einkommen aus sogenannter Erst- und Zweitverwertung etwa durch Verlage insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Buy-?Out-Verträge feststellen? (B’90/ DIE GRÜNEN)
Antwort: Die Frage, welchen Einfluss urheberrechtliche Regulierungen auf die wirtschaftliche Lage von Freiberuflern haben, ist äußerst schwer zu beantworten. Der bisher methodisch am weitesten entwickelte und damit aufschlussreichste Versuch wurde von Kretschmer und Hardwick unternommen, die in einer vergleichenden Umfrage unter britischen und deutschen „writers“ (im Folgenden „Autoren“) herauszufinden versuchten, welcher Anteil am Einkommen der Autoren auf der Basis des Urheberrechtsschutzes zustande kommt.
Die Umfrage unter 25.000 Autoren in Deutschland und Großbritannien ergab für professionelle Autoren (definiert als Autoren, die mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Schreiben verbringen) in Deutschland im Jahr 2005 folgende Ergebnisse (Auswahl):
- Sie erzielten ein mittleres Einkommen von 12.000 Euro („median income“, also der Wert, der die Stichprobe in zwei Hälften teilt, nicht zu verwechseln mit dem Durchschnittseinkommen). Das entsprach 42 Prozent des mittleren Nettoeinkommens aller deutschen Erwerbstätigen.
- Das Einkommen aus tatsächlicher urheberrechtlicher Nutzung (aus Tantiemen der VG Wort) ist stärker verzerrt als alle anderen Einkommensarten: der Gini-Koeffizient1 für das Einkommen aus Autorentätigkeit ist 0,52, für das vollständige individuelle Einkommen ist 0,43 und für das Haushaltseinkommen ist 0,42. Der Gini-Koeffizient für das aus der VG-Wort-Ausschüttung erzielte Einkommen liegt bei 0,67. Das legt nahe, dass die momentane Urheberrechtsregulierung das Risiko der Ungleichverteilung verschärft, so Kretschmer und Hardwick. Die VG Wort hat im Jahr 2005 46.100.528 Euro an 94.101 Autoren ausgeschüttet, was ein Durchschnittseinkommen von 490 Euro und ein mittleres Einkommen von 197 Euro bedeutet.
- Autoren, die mit ihren Verlagen bzw. Produzenten über das Honorar verhandeln, verdienen etwa das Doppelte dessen, was andere Autoren einnehmen. Die Ursache dafür kann nicht genau geklärt werden; Kretschmer und Hardwick gehen davon aus, dass es sich um ein „two way relationship“ handelt: Publishers or producers may only listen to authors with bargaining power – but equally, engaging in bargaining may increase the author’s bargaining power. (Verlage hören unter Umständen nur auf Autoren mit einer gewissen Verhandlungsmacht – gleichzeitig kann zu einer verbesserten Verhandlungsposition führen, überhaupt erst Verhandlungen zu führen.)
- Verstärkte Verwertung im Internet hat nicht dazu geführt, dass Autoren mehr verdienen. 14,7 Prozent der britischen und 9,2 Prozent der deutschen Autoren haben Zahlungen für Internetverwertungen ihre Werke erhalten.
- Das typische Einkommen der Autoren ist seit dem Jahr 2000 gefallen (sowohl in Deutschland, als auch in Großbritannien).
Es stellt sich also heraus, dass das Einkommen aus urheberrechtlicher Nutzung zum einen gering ist, zum anderen stark zugunsten der stärksten Marktteilnehmer verzerrt. Dabei ist zu beachten, dass Kretschmer und Hardwick unterscheiden zwischen Urheberrechts- und Nicht-Urheberrechtseinkommen („copyright and non-copyright earnings“), und Urheberrechtseinkommen als den Teil des Einkommens definieren, der aus Zahlungen der Verwertungsgesellschaften für abgabepflichtige Zweitnutzungen rührt, nicht jedoch vertraglich vereinbartes Einkommen. Diese Einschätzung kann vor allem aufgrund der Analysen zu Urhebervertragsrecht und AGB-Regelungen geteilt werden, da sie nahe legen, dass das Urheberrecht – zumindest derzeit – die Verhandlungsposition der Autoren nicht stärkt.
II. Vertriebsformen und Vergütungsmodelle
II.1.a) Ist die Pauschalvergütung, eingeführt als Kompensation für Privatkopien mittels analogen Aufnahmemedien, heute noch zeitgemäß?
Antwort: So lange kreative Leistung so vergütet wird wie bisher, ist sie weiterhin zeitgemäß. Verwerter fordern seit langem eine Einzelabrechnung pro Nutzung und argumentieren, dass damit eine Pauschalvergütung überflüssig werde. Das setzt allerdings ein so genanntes „hartes“ Digital Rights Management (DRM) voraus (Kopierschutz). Dieses harte DRM ist zum einen in seinen bisherigen prominenten Ausführungen am Widerstand der Kunden gescheitert (z.B. beim Einzelverkauf von Musikstücken), zum anderen setzt seine Durchsetzung starke Eingriffe in bürgerliche Freiheitsrechte voraus, von individueller Mediennutzungskontrolle bis hin zur Möglichkeit der Unterhaltungsindustrie, auf die Geräte der Kunden zuzugreifen (Stichwort „Trusted Computing Platform“). Das ist nicht akzeptabel.
II.1.b) Gibt es Alternativen zu dieser Pauschalabgabe – z.B. eine Kulturflatrate – und wenn ja, in welchem Umfang ist der Urheber zu entschädigen?
Antwort: S. Antworten zu II.5.a) – c)
II.1.c) Hat sich das Schrankensystem im Urheberrecht bewährt?
Antwort: Zumindest ist es in vielen Belangen nicht mehr zeitgemäß. S. Antworten auf Fragen II.7.c) und II.9.c)
1.d) Hat sich die Regulierung der kollektiven Rechtewahrnehmung – letzteres insbesondere im europäischen Kontext – bewährt? (CDU/CSU)
Antwort: S. Antwort auf II.5.a) – c) und e)
II.2.a) Was kann getan werden, um ein möglichst innovatives Umfeld für neue Geschäfts- und Lizenzmodelle nach den Prinzipien des geltenden Urheberrechts im Internet zu schaffen?
Antwort: Das Urheberrecht muss in wichtigen Teilen grundlegend reformiert werden; s. Antworten auf Fragen 7.c) und 9.c). Zudem sollte der Gesetzgeber grundsätzlich davon absehen, neue Immaterialgüterrechte einzuführen, ohne vorher eine genaue Analyse der Wohlfahrtsverluste bzw. -gewinne vorgenommen zu haben. Beispielhaft ist hier das Leistungsschutzrecht für Presseverlage zu sehen, das ohne eine derartige Prüfung als Ziel in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde und nach Einschätzung einer großen Mehrheit unabhängiger Experten unter anderem dazu führen könnte, die Entwicklung genau der neuen Geschäftsmodelle zu behindern, die gefordert werden.
II.2.b) Was kann getan werden, um dabei vor allem die Urheber noch besser zu fördern?
Antwort: Das Urhebervertragsrecht muss durchsetzungsfähig gestaltet werden.
Beispielhaft die Situation freiberuflicher Journalisten: die Nutzungsrechte an den Werken, die sie an die Verwerter lizenzieren, sind ihr Kapital. Doch das Urheberrecht schützt sie derzeit in keiner Weise vor einer Übervorteilung durch ihre Auftraggeber. Das Ungleichgewicht in der Verhandlungsmacht zwischen Autoren und Verwertern, das vom Gesetzgeber als Begründung für die Reform des Urhebervertragsrechts vorgebracht wurde, ist sieben Jahre nach Inkrafttreten des „Stärkungsgesetzes“ unverändert.
Auch das AGB-Recht entpuppt sich als stumpfes Schwert. Zwar konnten die Vertreter der Journalisten einen Teilerfolg gegen den Axel-Springer-Verlag und seine Geschäftsbedingungen erzielen, von dem sie hoffen, dass er auf andere Verlage ausgedehnt werden kann. Angesichts der Gesetzeslage ist die Hoffnung darauf, dass das gelingen kann, allerdings gering.
Nicht zuletzt muss es als unrealistisch angesehen werden, über Nachbesserungen bei Geschäftsbedingungen substanzielle Honorarerhöhungen durchzusetzen. Sollten z.B. Gerichte im Sinne von Journalisten entscheiden, dass es rechtswidrig ist, wenn Verwerter sich einen weiten Katalog von Nutzungsrechten abtreten lassen, gäbe das den Autoren die Möglichkeit, die Lizenzierung dieser Rechte neu zu verhandeln. Es ist ebenso wenig vorstellbar, dass Verwerter bereit sein werden, mehr als einen Aufschlag von 10 Prozent zu zahlen, wie es vorstellbar ist, dass die Journalisten in der Lage sein werden, sie dazu zu zwingen.
Aber selbst ein Aufschlag, der erheblich über dem derzeit gezahlten Honorar liegt, würde bei Zeilenhonoraren von 70 Cent bei großen regionalen Tageszeitungen (wie dem Berliner Tagesspiegel) bis zu 30 Cent und weniger bei Regionalzeitungen, nicht entfernt zu Honoraren führen, die es Journalisten ermöglichen, vom Journalismus allein ein Einkommen zu erzielen, das in die Nähe der in der Branche tarifvertraglich vereinbarten Gehälter kommt.
Einzige Hoffnung für freiberufliche Pressejournalisten, vor allem solchen, die bei Tageszeitungen arbeiten, war eine Einigung auf eine angemessene Vergütung. Die Einigung, die nach sechs Jahre währenden Verhandlungen zwischen dju/DJV und BDZV getroffen wurde, hat nicht zu einer angemessenen Vergütung geführt.
Daher muss das allzu unverbindliche Schlichtungsverfahren auf den Prüfstand gestellt werden. Können sich die Berufsverbände nicht einigen, sollte die Möglichkeit bestehen, den Rechtsweg zu beschreiten und ein Gericht über den Abschluss der gemeinsamen Vergütungsregel entscheiden zu lassen. Diese Regelung war zunächst von der Bundesregierung vorgeschlagen worden, dann auf Druck der Rechteinhaber wieder verworfen worden. Das schwächt die Verhandlungsposition der Urheber in einem so großen Maß, dass das eigentliche Ziel der Reform verfehlt wurde.
Nicht zuletzt sollte stärker darüber nachgedacht werden, wie alle Betroffenen ihre Position in den Verhandlungen über angemessene Vergütungen vertreten können (Stakeholder-Modell). Derzeit verhandeln darüber nur die Tarifpartner, was dazu führt, dass die Positionen vieler Betroffener nicht – oder nicht ausreichend – repräsentiert sind.
II.2.c) Worin liegen die konkreten Hemmnisse und gibt es Vorbilder in anderen Ländern? (FDP)
Antwort: S. Antwort auf 2.b)
II.3.a) Auf welche neuen Nutzungsarten müssen wir uns – vor dem Hintergrund der Digitalisierung – einstellen?
Antwort: Es wäre Spekulation, hierauf zu antworten.
II.3.b) Wie lassen sich diese neuen Nutzungsarten Verwertungsrechten zuordnen? (FDP)
Antwort: S. Antwort auf II.3.a)
II.4. Empfiehlt es sich, angesichts des mit dem Internet verbundenen Wandels die Regelungskonzeption des Urheberrechtes grundlegend zu verändern (etwa modulares „Taylormade-Urheberrecht“, Flexibilität durch Generalklauseln)? (SPD)
Antwort: S. Antworten auf Fragen II.7.c) und II.9.c)
II.5.a) Welche Vornachteile sehen Sie in kollektiven Vergütungsmodellen wie der Kulturflatrate für Urheber und Nutzer?
Antwort: Die Vorteile für die Nutzer lägen darin, eine Handlung, die von einem großen Teil der Bevölkerung als legitim betrachtet wird, auch tatsächlich zu legalisieren und damit den Forderungen vieler Rechteinhaber, bürgerliche Freiheitsrechte (Netzsperren, Überwachung) den Boden zu entziehen. Zugleich müsste ein entsprechendes Modell dafür sorgen, dass die Kreativen für ihr Schaffen entlohnt werden.
II.5.b) Welche Nachteile sehen Sie in kollektiven Vergütungsmodellen wie der Kulturflatrate für Urheber und Nutzer?
Antwort: Es gibt weiterhin viele offene Fragen, die zu klären sind, bevor beurteilt werden kann, wie Erfolg versprechend eine Kutlurflatrate umgesetzt werden kann. Das ist kein Nachteil des Modells, aber ein Nachteil in der Debatte, der so schnell wie möglich behoben werden sollte.
II.5.c) Was wären aus Ihrer Sicht die wichtigsten Anforderungen, die solche Modelle erfüllen sollten?
Antwort: Ein entsprechendes Modell müsste fair, transparent und flexibel sein, vor allem aber müsste dafür gesorgt sein, dass die EInnahmen tatsächlich in einem substanziellen Ausmaß den Urhebern zugute kommen. Das sind sehr allgemein formulierte Anforderungen, doch es ist unmöglich, die Komplexität der Debatte und die bisher vorgebrachten Vorschläge hier abzubilden.
Es sollte vor allem vermieden werden, die Kulturflatrate als One-size-fits-all-Lösung für alle Werkgattungen bzw. alle Märkte kultureller Güter zu verstehen. Das Modell ist ursprünglich entwickelt worden, um die Frontstellungen in der Musikindustrie aufzubrechen, mit der Option, sie evtl. auch auf den Filmmarkt zu übertragen. Nun wird von einigen Befürwortern dafür plädiert, sie als das zu verstehen, was der Name auch nahelegt: Als Vergütungsmodell für alle Güter, die irgendwie als „Kulturgüter“ bezeichnet werden können – also zB. auch den Buchmarkt, den Journalismus, Computerspiele etc. M.E. wird damit der zweite Schritt vor dem ersten getan. Es gibt abgegrenzte Märkte, in denen die Funktionsfähigkeit und Akzeptanz eines solchen Vergütungsmodells erprobt werden kann, etwa im Musikmarkt. Sollte das funktionieren und die Entwicklung in anderen Märkten es als wünschenswert erscheinen lassen, dieses Modell zu übertragen, kann das immer noch gemacht werden.
Ich verweise daher auf folgende exemplarische Texte:
- William Fisher: Promises to Keep – Technology, Law, and the Future of Entertainment, Stanford University Press 2004, vor allem Kapitel 6: An Alternative Compensation System (PDF)
- Volker Grassmuck: The World Is Going Flat(-Rate)
- Bundesverband Musikindustrie (BVMI): Positionspapier zur Kulturflatrate
- Volker Grassmuck: Erwiderung auf das Musikindustrie-Positionspapier zur Kulturflatrate
- Malte Spitz, Volker Beck, Konstantin von Notz, Jan Philipp Albrecht, Grietje Staffelt, Oliver Passek: Stellungnahme zum Positionspapier des Bundesverbandes der Musikindustrie zur Kulturflatrate vom 25. Januar 2010 (PDF)
- Marcel Weiss: Eine schlechte Idee, die sich hartnäckig hält
- Robin-Meyer Lucht: Die Vogel-Strauß-Debatte um die Kulturflatrate
- Tim Renner: Die Kulturflatrate als dritter Weg
II.5.d) Welche Gefahren würde es vor allem zu vermeiden gelten?
Antwort: S. Antworten zu II.5.a) / b) / c)
II.5.e) Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund das Vergütungsverfahren der VG WORT für „Texte in Online-Medien“, insbesondere im Hinblick auf seine technischen Voraussetzungen, den Verteilungsschlüssel und die Transparenz?
Antwort: Das System ist kompliziert, unausgereift und kann dazu führen, dass Autorinnen und Autoren gerade nicht die ihnen zustehende Vergütung bekommen. Die Gründe dafür sind komplex, daher hier lediglich der Verweis auf den Beitrag Die VG Wort stellt sich taub (https://irights.info/index.php?q=node/852), der die Situation analysiert. Es ist mir nicht bekannt, dass sie sich geändert hat, seit der Artikel erschienen ist.
II.5.f) Inwiefern stehen Modelle kollektiver Vergütung in Konkurrenz zu Creative-Commons-Lizenzen? (DIE LINKE.)
Antwort: Sie stehen – entgegen Behauptungen mancher Verwertungsgesellschaften – nicht in Konkurrenz, sondern können sich ergänzen. Die Annahme bzw. Behauptung etwa der GEMA, dass Werke, die unter einer CC-Lizenz veröffentlicht werden, nicht kommerziell verwertet werden können und damit die GEMA auch die Rechte an diesen Werken nicht wahrnehmen kann, ist falsch. Werke, die unter einer CC-NC-Lizenz (für nicht-kommerziell – jede kommerzielle Nutzung bedarf damit einer weiteren Lizenzierung) veröffentlich werden, erlauben die kommerzielle Verwertung und damit auch eine Wahrnehmung durch die GEMA.
II.6.a) Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Abrechnungsformen der VerwerterInnen und die Ausschüttungen an die UrheberInnen aus?
Antwort: Diese Frage verstehe ich nicht.
II.6.b) Wie lässt sich die Theorie der öffentlichen Güter mit den Interessen der berechtigten UrheberInnen in Einklang bringen?
Antwort: Wahrscheinlich ist mit der Frage gemeint, wie Urheber finanziert werden können, wenn ihre Werke durch Digitalisierung und Internet den Charakter öffentlicher Güter bekommen. Ein Antwort darauf könnte die Kulturflatrate sein (s. Antworten auf ), eine andere ein bedingungsloses Grundeinkommen.
II.6.c) Wie kann rechtlich und tatsächlich gewährleistet werden, dass alle mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Werke der Allgemeinheit frei zugänglich gemacht werden? (B‘90/ DIE GRÜNEN)
Antwort: Diese Frage kann nicht generell beantwortet werden, sondern nur differenziert nach den Arten von Werken, um die es geht. So liegen z.B. unter dem Stichwort “Open Access” verschiedene Vorschläg vor, wie dafür gesorgt werden kann, dass Urhebern wissenschaftlicher Beiträge, die in Periodika (journal articles) veröffentlicht werden und überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind, ein unabdingbares Recht zur Zweitveröffentlichung eingeräumt wird. S. dazu die Vorschläge von Hansen (Zugang zu wissenschaftlicher Information – alternative urheberrechtliche Ansätze, PDF) und in der Petition des Aktionsbündnisses Urheberrecht zum Zweitverwertungsrecht für Wissenschaftler. Das allein wäre jedoch selbst in den Wissenschaften nicht ausreichend und nur ein erster Schritt, weil außerdem darauf hin gearbeitet werden müsste, dass Universitäten und andere mit öffentlichen Mitteln finanzierte Einrichtungen der Wissenschaftsförderung dafür Sorge tragen, dass mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschungsergebnisse (und Rohdaten) auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
In anderen Feldern hat eine entsprechende Diskussion gerade erst begonnen, etwa bei der Frage, wie mit Filmen umgegangen werden soll, die mit Mitteln der Filmförderung finanziert werden.
II.7.a) Ist das heutige Schutzregime des Urheberrechts zielführend für eine Verfügbarmachung vor dem Hintergrund der enormen Bestände an verwaisten und vergriffenen Werken?
Antwort: Nein. Zu Lösungsansätzen s. den Vorschlag der Deutschen Literaturkonferenz und die Kritik dran.
II.7.b) Ist das heutige Schutzregime des Urheberrechts zielführend für eine angemessene Vergütung von UrheberInnen?
Antwort: Nein. S. Antwort auf Frage II.2.b)
II.7.c) Welche Konsequenz hat der Anspruch einer angemessenen Vergütung heute für die Persönlichkeitsrechte des/der UrheberIn?
Antwort: Keine.
II.7.d) Welche Konsequenz hat der Anspruch einer angemessenen Vergütung heute für das Recht zur Veröffentlichung?
Antwort: Keine.
II.7.e) Welche Konsequenz hat der Anspruch einer angemessenen Vergütung heute für die benötigte Zustimmung von UrheberInnen zur Bearbeitung? (B‘90/ DIE GRÜNEN)
Antwort: Keine.
II.8.a) Ist eine Tendenz in Bezug auf die Einnahmequellen in der Kulturwirtschaft feststellbar? Verlagern sich die Einnahmequellen von UrheberInnen etwa von gespeicherten Werken hin zu Live-Auftritten?
Antwort: Es gibt wenig belastbare Zahlen, um diese Frage zu beantworten. Im Musikmarkt etwa ist es so, dass schon relativ lange bekannte Musiker mehr Geld durch Konzerte, als durch den Verkauf von Tonträgern verdienen. (s. Robert A. Gehring, Branchenportrait Musikwirtschaft, in: Arbeit 2.0 – Urheberrecht und kreatives Schaffen in der digitalen Welt) (https://irights.info/wp-content/fileadmin/texte/material/Abschlussbericht.pdf) Andererseits ist der Umsatz des Veranstaltungsmarkts (inkl. Musikveranstaltungen) von 3,872 Mrd. Euro im Jahr 2007 auf 3,173 Mrd. Euro im Jahr 2009 gesunken.
II.8.b) Welche dieser Veränderungen wurden speziell durch Digitalisierung vorangetrieben? (B‘90/ DIE GRÜNEN)
Antwort: Diese Frage kann ich nicht beantworten.
III. Lösungsansätze
III.1. Welche Maßnahmen sind anzuraten, um Aushöhlungen des Ausschließlichkeitsrechts der Urheber (durch gesetzliche Lizenzen, Zwangslizenzen, Verwertungsgesellschaftenpflichtigkeit) abzubauen? (FDP)
Antwort: Keine.
III.2.a) In welchem Umfang sollten staatliche Einrichtungen (inkl. Politik, Verwaltung) intensiver auf Open Access und Creative-?Commons-?Lizenzen hinarbeiten?
Antwort: Als Leitlinie für den Umgang mit Daten können die 10 Prinzipien offener Regierungsinformationen dienen. Es sollte untersucht werden, inwieweit Politik und Verwaltung Creative-Commons-Lizenzen und andere Free Content Licenses dafür verwenden können, Daten besser nutzbar zu machen. Der Status vieler Daten aus Politik und Behörden, mithin der öffentlichen Hand, ist unklar, wenn es darum geht, wie sie weiter verwendet/verarbeitet werden dürfen.
III.2.b) Wie gut werden solche Angebote bislang angenommen? (FDP)
Antwort: Das Open Data Network zeigt zahlreiche Beispiele dafür, wo eine Nutzung bereits stattfindet, aber auch, wo sie verhindert wird.
III.3. Unter welchen Maßgaben kann bei Urheberrechtsverstößen durch erweiterte Vermutungsregeln zugunsten der Urheber die Nachweispflicht reduziert werden? (FDP)
Antwort: Ich sehe keine solchen Maßgaben, noch dazu, weil bei Übertragungen von Nutzungsrechten kein gutgläubiger Rechteerwerb möglich ist. Eine stärkere Rechtsposition der Urheber (ich habe den Eindruck, die Frage zielt eher auf die Verwerter) ist schwer vorstellbar.
III.4.a) Wären grundlegende Änderungen im Urheberrecht bzw. anderen Rechtsgrundlagen, wie z.B. Providerhaftung oder Pauschalvergütung, auf nationaler Ebene noch effektiv?
Antwort: Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Jede Regulierung, die das Internet betrifft, muss wegen seines grenzüberschreitenden Charakters auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.
III.4.b) In welchen Bereichen muss eher europäisch bzw. global gedacht werden?
Antwort: S. Antwort auf III.4.a)
III.4.c) In welchen Bereichen kann man national aussichtsreich agieren? (SPD)
Antwort: S. Antwort zu III.4.a)
III.5.a) Kann der urheberrechtliche Anspruch auf angemessene Vergütung nach §32 UrhG in der Praxis durchgesetzt werden, oder besteht hier Nachbesserungsbedarf?
Antwort: S. Antwort zu III.2.b)
III.5.b) Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund Modelle der freiwilligen Selbstverpflichtung (two strikes) oder des graduated response (three strikes)?
Antwort: Beide Varianten wären schwerwiegende Eingriffe in die Bürgerrechte und somit als Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen völlig unverhältnismäßig.
III.5.c) Tragen die vorgeschlagenen Verfahren zur Stärkung der Interessen von Urhebern bei?
Antwort: Das ist äußerst unwahrscheinlich. Zuerst einmal muss davon ausgegangen werden, dass derartige Verfahren nicht greifen. Doch selbst wenn sie es täten, könnte nur von einem sehr mittelbaren Zusammenhang ausgegangen werden. Die meisten Urheber müssten darauf hoffen, dass Mehreinnahmen, die die Verwerter als Folge solcher Maßnahmen verdienen, dazu führen, dass sie höhere Honorare aushandeln können, oder – bei Festangestellten – ihre Arbeitsplätze gesichert würden. Für beide Szenarien gibt es historisch wenig Anhaltspunkte. Die wenigen Urheber, die ihre Rechte selbst wahrnehmen, etwa indem sie Musik, Texte oder Fotos direkt vertreiben, wären wahrscheinlich damit überfordert zu versuchen, ihre Rechte auf diese Art durchzusetzen.
III.5.d) Erkennen Sie Gefahren für die Informationsfreiheit? (DIE LINKE.)
Antwort: Ja. Denn es ist schlicht keine Technik vorstellbar, bei der Zugriffe auf Websites umgeleitet werden können – egal, ob auf ein „Stoppschild“ oder einen Warnhinweis –, ohne vorher festzustellen, dass ein solcher Zugriff erfolgen soll. Die Mechanismen, die dazu nötig wären, sind mit denen vergleichbar, die Länder wie China oder Saudi-Arabien nutzen, um zu verhindern, dass Netz-Nutzer auf Websites mit Informationen zugreifen, die Informationen enthalten, deren Verbreitung die Regierungen verhindern wollen. Einen Zugriff auf eine bestimmte Website verhindern, ohne den Datenverkehr zu kontrollieren, das könnte nur der Betreiber dieser Website – indem er selber einen derartigen Warnhinweis schaltet. Da das nahezu ausgeschlossen ist, weil es den Interessen des Website-Betreibers natürlich völlig zuwider laufen würde, bleibt kein anderer Weg: Internetprovider müssten gezwungen werden, zu beobachten, welche Seiten ihre Nutzer aufrufen wollen, um sie dann umzuleiten.
III.6.a) Gibt es zum gegenwärtigen Ansatz der VerwerterInnen alternative, durch die Digitalisierung begründete, Abrechnungsmodi, um eine angemessene Vergütung von UrheberInnen zu ermöglichen?
Antwort: S. Antworten zu III.5.a) – c)
III.6.b) Welche dieser Modi werden durch die Digitalisierung begünstigt? (B‘90/ DIE GRÜNEN)
Antwort: S. Antworten zu III.5.a) – c)
20 Kommentare
1 Tobias Schulze am 25. November, 2010 um 12:14
Das hört sich doch alles gut an. Es ist übrigens nicht unbedingt nötig, auf jede Einzelfrage einzugehen, sondern auch erlaubt, Fragen zusammenzufassen oder Fragen wegzulassen, um einen “runden” Text hinzubekommen.
2 Christian Scholz am 25. November, 2010 um 14:29
Moin!
Danke für die Antworten. Da ich das hier im kleinen Kommentarfeld für etwas unübersichtlich halte, habe ich die Antworten mal in ein Etherpad kopiert (ich hoffe, Du hast da nichts gegen), so dass man dort direkt bei den Antworten kommentieren kann:
http://openetherpad.com/eidg-urhg
Könnte man dann ja wieder hierher kopieren bzw. ein aktualisiertes Dokument posten.
Ich hoffe daher auch, dass “Keine Bearbeitung” bei der Lizenz für diesen Post nicht gilt ;-)
3 Andrea Kamphuis am 25. November, 2010 um 15:47
Hallo Matthias,
ich bin noch nicht ganz durch mit der Lektüre, finde die Antworten gut und hoffe, dass wenigstens einige Empfänger sie gründlich lesen und den Querverweisen zu Antworten auf andere Fragen zu folgen.
Zur Frage II.5.e), Beurteilung des Vergütungsverfahrens der VG WORT für „Texte in Online-?Medien“, könntest du noch auf die kürzlich gescheiterten Verhandlungen zwischen der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation (DINI) und der VG Wort über eine Proxy-Lösung für PDF-Dokumente in Repositorien hinweisen. Die VG Wort hat nach 18 Monaten einen Rückzieher gemacht, weil sie einen Missbrauch des gemeinsam entwickelten Verfahrens fürchtet – siehe http://permalink.gmane.org/gmane.culture.libraries.inetbib/17733
Dort zieht Uwe Müller von der DINI-AG Elektronisches Publizieren das Fazit: “Nachdem es lange Zeit nach einer vernünftigen Einigung in dieser Sache aussah, hat uns diese Entscheidung sehr überrascht. Sie zeigt, dass die VG Wort an einer praktikablen und ihrem Auftrag gerecht werdenden Lösung kein Interesse hat bzw. Betreibern von Repositorien ein unbrauchbares Verfahren aufzwingt, weil den meisten Autoren natürlich schwer zu
vermitteln ist, warum Repositorien nicht umsetzen können, was für eine private Homepage doch so einfach scheint.”
Viele Grüße
Andrea
4 b. schillo am 25. November, 2010 um 16:54
Das scheint mir alles sehr richtig und sinnvoll.
Ich würde gerne noch anmerken, dass in dieser Debatte meines Erachtens oft übersehen wird, dass sich ein großer Teil urheberrechtlich relevanten Schaffens nicht in den üblicherweise damit assoziierten Bereichen abspielt, also Musik- und Film-Markt, Journalismus und Schriftstellerei, Wissenschaft, Bildung etc. sondern auch in der Werbung. Die ist, bezüglich des Anteils am BSP, im Vergleich zur gesamten Kultur- und Kreativwirtschaft ziemlich bedeutend. Dort ist aber keiner der Urheber in der Lage, von Pauschalvergütung, Kulturflatrate oder ähnlichem zu profitieren. Wenn man die dort beschäftigten “Kreativen” auch noch mit berücksichtigt, ergibt sich eine noch stärkere Bedeutung der Verhandlungsmacht des Urhebers.
5 Andrea Kamphuis am 25. November, 2010 um 18:17
Christians Kommentar zu deiner Antwort auf I.4 schließe ich mich an: “Na da bin ich auf die Definition der Grenze gespannt. Veröffentliche ich einen Remix auf meiner Webpage und da ist ein Banner, ist das gewerblich” – das ist in der Tat ein Problem, solange es keine Geringfügigkeitsgrenze gibt.
6 Gerhard Lindemann am 27. November, 2010 um 06:51
Das bisherige zwei Klassen Urheber Unrecht
1) Das Urheberrecht in seiner geltenden Form, rechtlichen Durchsetzbarkeit und insbesondere der Kontrolle eventueller Urheberrechtsverletzungen dient ausschließlich den Verwertern von Urheberrechten, also sowohl den Verwertungsgesellschaften als auch der so genannten Content Industrie.
2) Die Interessen der eigentlichen Urheber spielen in der bisherigen Realität bestenfalls eine mittelbare Rolle. Die mittelbare Rolle kann der Erhalt von Arbeitsplätzen sein oder im Rahmen eines Vertrages höhere Vergütungen durch Mehreinnahmen des Verwerters. Die Interessen von Urhebern, die nicht durch ein Unternehmen der Content Industrie beziehungsweise eine daran interessierte Verwertungsgesellschaft vertreten werden, spielen im geltenden Urheberrecht praktisch keine Rolle.
3) Es ist längst ein Zweiklassenurheberrecht geworden, indem diejenigen, um deren Interessen es vorgeblich geht, zunehmend benachteiligt werden. Insoweit stimmt auch die Antwort auf die Frage III.5.c) nicht unbedingt.
4) Es sind nämlich nicht wenige Urheber, die ihre Interessen und Rechte selbst wahrnehmen müssen und damit überfordert sind. Es dürfte sogar genau umgekehrt sein, es sind nur wenige Urheber, um deren zumindest mittelbare Interessen (siehe 2) sich eine Verwertungs-Industrie beziehungsweise Verwertungsgesellschaft kümmert. Gerade auch bezogen auf das Internetzeitalter.
4a) Wir reden immer nur von Leistungsschutzrechten beziehungsweise Urheberrechten in jenen Zusammenhängen, in denen zumindest vor dem digitalen Zeitalter unmittelbar durch den Verkauf von Zugangsberechtigungen (beispielsweise Kino) oder eines Mediums (Zeitung, Zeitschrift, Schallplatte usw.) direkt Geld verdient wurde. Dabei übersehen wir, dass es im Internetzeitalter zahllosen Publikationen gibt, die zuvor überhaupt keine Chance hatten, einen eigenen Markt zu finden. Millionen von Webseiten mit Texten von Hobbyautoren, mehr oder minder Hobbygrafikern und Fotografen. Keiner von ihnen ist durch das geltende Urheberrecht tatsächlich nennenswert geschützt. Und zwar unter anderem, weil die Verfolgung von Rechtsverletzungen den einzelnen restlos überfordert.
Als Beispiel sei ein Fotograf genannt. Es gibt inzwischen Systeme, mit denen ein Foto so geschützt werden kann, dass zwar nicht die Kopie verhindert wird, dass jedoch eine zweite Veröffentlichung im Web durch entsprechend spezialisierte Suchmaschinen entdeckt und verfolgt werden kann. Der Einstieg in diese Technik ist jedoch für den normalen Fotografen absolut unerschwinglich. Systeme, die wirklich leistungsfähig sind, haben einen Einstiegspreis von jenseits 50.000 €. Diese Techniken werden entsprechend nur von Bildagenturen genutzt, also wiederum Unternehmen, die ebenso wie die übrige Contentindustrie kreative Werke Einzelner vermarkten. Mit anderen Worten, der einzelne Fotograf ist der unerlaubten Kopie auf anderen Webseiten nahezu schutzlos ausgeliefert. Es sei denn, er würde den Hauptteil seiner Arbeit nicht mehr der Fotografie widmen, sondern dem durchsuchen des Webs nach Urheberrechtsverletzungen zu seinen Lasten.
Doch auch Bildagenturen setzen die Technik nur dann ein, wenn der Fotograf beziehungsweise Grafiker seine sämtlichen Nutzungsrechte an die Bildagentur abgetreten hat. Das ist sogar logisch, denn im anderen Fall könnte sie nicht ermitteln, ob der Fotograf Nutzungsrechte an den Betreiber der Webseite abgetreten hat oder nicht. Das lässt sich zuverlässig nur vermitteln, wenn die Bildagentur im Besitz sämtlicher Nutzungsrechte ist. Was wiederum einen Enteignung des Fotografen an seinem eigenen Werk darstellt. Er darf es noch nicht einmal mehr auf seiner eigenen Webseite ohne ausdrückliche Genehmigung der Bildagentur verwenden. Eine ganz ähnliche Situation wie die Situation von Wissenschaftlern, die sämtliche Rechte an einen wissenschaftlichen Verlag abtreten mussten.
4b) Das nämliche gilt für Grafiker und Webdesigner. Urheberrechtsverletzungen zu ihren Lasten werden bestenfalls zufällig entdeckt. Sie sind für den einzelnen mit vertretbaren Aufwand nur innerhalb des eigenen Nationalstaats überhaupt verfolgbar. Was kann ein deutscher Fotograf, Grafiker oder Webdesigner gegenüber einer Rechtsverletzung, die beispielsweise in den USA stattfindet, ausrichten? Richtig, mit vertretbaren Aufwand nichts.
Der Autor ist immerhin insoweit noch besser gestellt, als Suchmaschinen bei der Suche nach Textabschnitten tatsächlich auch sämtliche Fundstellen als Ergebnisse zurückliefern.
5) Die Enteignung der Urheber findet nicht etwa durch unerlaubte private Nutzung atatt, sondern durch Unternehmen, die sich sämtliche Nutzungsrechte oft sogar zeitlich unbeschränkt an einem Werk abtreten lassen. Sie sind es auch, die im angeblichen Interesse der Urheber ständige Verschärfungen sowohl des Urheberrechts als auch der Überwachung fordern und bisherige bürgerliche Rechte zunehmend aushebeln.
6) Die Enteignung der Urheber findet durch die Rechtsprechung statt. Urheberrechtsverletzungen werden gemäß des kommerziellen Interesses von der Rechtsprechung geahndet. Das benachteiligt sämtliche Urheber, deren Werke nicht unter den Topsellern auftauchen. Es geht soweit, dass ein Fotograf, entgegen der sonst üblichen juristischen Praxis noch nicht einmal für eine Abmahnung einen Anwalt einschalten darf, möchte er nicht riskieren, auf den Anwaltskosten sitzen zu bleiben. Er muss also zunächst einmal privat tätig werden und darum bitten, die Rechtsverletzung zu unterlassen. Nur wenn das innerhalb einer zumutbaren Frist nicht umgesetzt wird, kann er auf dem Rechtsweg tätig werden.
Ganz anders stellt sich die Situation dar, sobald ein kommerzielles Unternehmen, bleiben wir bei der Fotografie, beispielsweise eine Bildagentur Rechtsverletzungen verfolgt.
Ganz besonders im Bereich der Fotografie zeigt sich in unterschiedlichen Gerichtsurteilen das Ungleichgewicht des bisherigen Urheberrechts und die eklatante Benachteiligung des Urhebers gegenüber kommerziellen Unternehmen zur Verwertung von Rechten Dritter.
7) Providerhaftung
In der Diskussion über die Providerhaftung geht es wiederum nur um die kommerziellen Interessen bedeutender Unternehmen der Content Industrie und nicht etwa um Urheberrechte der tatsächlichen Urheber.
Bestenfalls können durch Überwachung oder Filtermaßnahmen bekanntere, urheberrechtlich geschützte Werke auch tatsächlich mehr oder minder geschützt werden. Es ist nämlich schlichtweg unmöglich, herauszufinden, was dem Urheberrecht unterliegt und nicht beispielsweise durch eine cc Lizenz freigegeben ist, es ist schon dreimal nicht möglich, herauszufinden, zumindest nicht für einen Provider, ob die Verteilung über das Internet mit Zustimmung der Rechteinhaber oder ohne deren Zustimmung stattfindet, spätestens im Bereich der viel diskutierten Providerhaftung wird das Urheberrecht endgültig zum Zwei Klassen Recht.
Die Provider haften dann nämlich nur noch für die aktuellen kommerziellen Interessen der Content Industrie, nicht jedoch im Sinne des Urheberrechts. Doch selbst das ist technisch kaum noch durchführbar.
Damit wirkungsvolle Filtermaßnahmen, Sperrmaßnahmen oder sonstiges überhaupt implementiert werden können, müsste es eine Datenbank geben, die für sämtliche noch dem Urheberrecht unterliegenden Werke Titel, Autor, Inhaber der Nutzungsrechte beziehungsweise Verwertungsrechte (das ist im Bereich der Filmindustrie jedoch national und selbst innerhalb der Nationen für verschiedene Vertriebswege unterschiedlich geregelt) aufschlüsselt und das in Echtzeit.
Daran kann man wohl erkennen, dass es schlichtweg unmöglich ist. Wird dennoch die Providerhaftung immer wieder ins Spiel geworfen, kann es sich nur um eine Haftung für die aktuellen kommerziellen Interessen der größeren Unternehmen der Contentindustrie handeln und nicht etwa um eine Haftung für Urheberrechtsverletzungen.
Im Bereich des Usenet habe ich mich schon oft mit den Forderungen der Content Industrie befasst und spätestens, wenn ich die Vertreter der Content Industrie auf das Zwei Klassen Urheberrecht ansprach, das entstehen würde, wenn im Usenet tatsächlich gemäß den Forderungen der Content Industrie aktuelle Titel gefiltert werden könnten, war das Gespräch der Regel zu Ende.
Ein Usenet Provider müsste nämlich, bevor ein Upload an einen News-Server und damit in das Usenet weitergeleitet wird, zunächst einmal feststellen, wer der Urheber beziehungsweise Inhaber der Nutzungsrechte ist, denjenigen anschreiben und auf das Posting aufmerksam machen und ihn fragen, ob es mit seinem Einverständnis oder unerlaubt über das Usenet verbreitet wird. Angesichts von aktuell etwa 12 Millionen neuer Uploads pro Tag ein schlichtweg unmögliches Unterfangen. Würde es sich jedoch nur um die aktuellen Titel handeln, an denen große Unternehmen der Content Industrie ein aktuelles kommerzielles Interesse haben, dann hätten wir wiederum ein Zweiklassenurheberrecht, das nur einige wenige Unternehmen der Content Industrie schützt. Denn alle anderen wären den Rechtsverletzungen praktisch schutzlos ausgeliefert.
8) Lösungsansätze
Das Urheberrecht in seiner geltenden Form, das gilt ebenso für das amerikanische DMCA, ist ein gesetzliches Instrument zum Schutz von Verwertungsgesellschaften und großen Unternehmen der Content Industrie. In den USA wird es noch viel deutlicher, weil das dortige Äquivalent zum Urheberrecht, das Copyright insgesamt ein veräußerliches Rechtsgut darstellt und der eigentliche Urheber in diesem Spiel, nachdem er sein Copyright veräußert hat, überhaupt keine Rolle mehr spielt. Er ist nicht die Bohne besser gestellt als ein Arbeitnehmer, der sämtliche Rechte an einem von ihm entwickelten Patent an den Arbeitgeber abtreten muss.
Das Urheberrecht sollte zunächst einmal umbenannt werden, um schon alleine dadurch klarzumachen, dass die Urheber für die kommerzielle Verwertung nur das Mittel zum Zweck sind, ebenso wie in der Diskussion um das Urheberrecht.
Die amerikanische Bezeichnung Copyright ist auf jeden Fall sehr viel treffender auf die tatsächliche Rechtssituation. Es geht um das Recht, legale Kopien herzustellen und zu vertreiben. Und nicht etwa um das Recht des Urhebers.
Die Privatkopie sollte uneingeschränkt erlaubt sein, völlig unabhängig von der Quelle, aus der die Datei bezogen wurde. Alles andere führt nur zu einer totalen Schnüffelei und zu einem Überwachungsstaat, gegen den eine Orwellche Fantasie schon geradezu paradiesisch anmutet.
Sämtliche gesetzlichen Regelungs-Ansätze müssen der Tatsache, dass das Internet kein nationales Medium ist, Rechnung tragen. Sie können nur sinnvoll sein, wenn sie weltweit Gültigkeit und Durchsetzbarkeit erlangen und, das ist gerade für den einzelnen Urheber sehr wichtig, eine Klage wegen missbräuchlicher Nutzung am Wohnort beziehungsweise Geschäftssitz des Urhebers verhandelt werden kann und von einem ausländischen Staat anerkannt wird. Sonst sind wir nämlich im Rechtsbereich des stärkeren, nämlich des finanziell stärkeren. Was im Zivilrecht allerdings ohnehin schon sehr lange der Fall ist.
Das Urheberrecht sollte den Urheber vor unerlaubter kommerzieller Verwertung schützen. Es sollte also dort ansetzen, wo mit der unerlaubten Verwertung durch Dritte tatsächlich Geld verdient wird, das dem eigentlichen Urheber dadurch vorenthalten wird. Insoweit sollte auch der Begriff der gewerblichen Urheberrechtsverletzung auf den ursprünglichen Sinn eines Gewerbes, nämlich damit Geld zu verdienen, zurück geführt werden.
Das Urheberrecht sollte auch in seinen Bezeichnungen wie auch der Diskussion darum ehrlich werden. Immer wieder wird das angebliche Recht des Urhebers, alleine darüber entscheiden zu können, ob und gegebenenfalls wo und wie seine Werke veröffentlicht werden, in die Waagschale geworfen. Wie sieht es denn tatsächlich aus? Sobald der Urheber einen Vertrag unterschrieben hat, durch den die Nutzungsrechte an einem x-beliebigen Verwerter abgetreten werden, hat er sein Mitbestimmungsrecht verwirkt. Doch diese Verträge sind die Regel, daran ändert auch die juristische Tatsache nichts, dass das eigentliche Urheberrecht in Deutschland unveräußerlich ist. Was nützt mir als Urheber ein unveräußerliches Recht, über das ich nicht verfügen kann, weil sämtliche Nutzungsrechte abgetreten wurden? In diesem Zusammenhang von Rechten des Urhebers zu sprechen, ist eigentlich schon eine Verhöhnung des Urhebers.
Die gesellschaftliche Diskussion würde ganz anders aussehen, wenn tatsächlich öffentlich um das verhandelt würde, warum es tatsächlich geht, nämlich den Interessen großer Verwertungsgesellschaften und einiger weniger sehr großer, weltweit operierender Firmen und Pressezare. Damit würde man wohl die Bevölkerung nicht für eine stetige Verschärfung des Urheberrechts gewinnen können. Dann würde sie nämlich merken, dass sowohl die eigentlichen Urheber als auch die Nutzer (Verbraucher) lediglich Spielbälle einer Macht sind, die an beiden Seiten das Maximum an Gewinn abschöpfen möchte.
In der bisherigen Diskussion um das Urheberrecht geht es einseitig um die Interessen großer Verwertungsgesellschaften und einer noch größeren Industrie. Beide haben mit dem Internetzeitalter größte Schwierigkeiten und kämpfen um das Überleben, und sei es, dass sie Zustände wie in einer Diktatur und des eigenen Überlebens willen befürworten und damit zu Feinden von Demokratie und Freiheit werden.
Man kann keine neuen Lösungen finden, wenn man überholte Modelle um jeden Preis verteidigen möchte. Man kann bei Lösungen bestenfalls stattfinden, wenn man stattdessen ein Tabula Rasa macht und über die zukünftigen Rollen von Urhebern, Verwertungsgesellschaften beziehungsweise der Content Industrie, Verlage und so weiter nachdenkt und das berechtigte Interesse der breiten Bevölkerung am ungehinderten Zugang zu Informationen in den Mittelpunkt stellt und nicht etwa an das Ende der Skala.
7 Daniel Schultz am 28. November, 2010 um 11:41
Zu I.6. und II.3.a) Hier wäre für mich die Entwicklung im Bereich der Prothetik relevant. Retinaimplantate haben mittlerweile eine Auflösung von 1500 Bildpunkten, vor ein paar Jahren waren es gerade mal 100. Gleichfalls kann die Bildinformation am Retinaimplantat abgegriffen und gespeichert werden. Zwar mag die Qualität noch sehr bescheiden sein, doch scheint dies nur eine Frage der Zeit zu sein. Und soweit mir bekannt ist, ist die Qualität der Kopie für einen Urheberrechtsbruch nicht von Bedeutung. (Stichwort: Privatkopie, Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen)
http://yuccatree.de/2010/11/muss-prothetik-reguliert-werden/
3D-Scanner und 3D-Drucker werden zunehmend für den Einzelnen erschwinglich und damit sind ganz neue Bereiche von der Digitalisierung betroffen. (Stichwort: thingiverse.com)
Gilt die Privatkopie auch für Gegenstände?
Zu II.6.a) Ist damit vielleicht gemeint, dass beim Verkauf von Musikdateien im Internet Anbieter von DRM bzw. Bezahlungssystemen auch noch die Hand aufhalten und sich damit die Ausschüttung an die Urheber verkleinert?
Was sagen Sie dazu?