Autorschaft als Weltherrschaft
Unter dem Titel „Autorschaft als Werkherrschaft in digitaler Zeit“ – den ich lange als „Autorschaft als Weltherrschaft“ gelesen und mir den Kopf zerbrochen habe, was das nun zu bedeuten hätte – fand gestern eine Urheberrechtstagung in Frankfurter Literaturhaus statt, in der Roland Reuß und Freunde über ihre Sicht der Dinge, was Google Books und Open Access angeht, reden durften.
Dass beides nicht so viel miteinander zu tun hat, wurde ihnen in den letzen Monaten zwar zu Genüge erklärt – auch von Kollege Matthias Spielkamp zum Beispiel im Perlentaucher –, aber sei drum, wen scheren schon solche Kleinigkeiten, wenn es doch so viel mehr Aufmerksamkeit erregt, wenn man ein bisschen vereinfacht. Auf der Tagung waren zwar ein oder zwei Vertreter der Gegenmeinung geladen, doch die hatten wohl einen schweren Stand wie die Zusammenfassungen und Kommentare diversen Weblogs und Online-Medien erzählen. Im Literaturcafé beschreibt Wolfgang Tischer Herr Reuß – gelinde gesagt – antiquiertes Autorenbild und enttäuscht, dass die Google-Vertreterin wie eine „lebende Google-Hilfe-Datei“ agiert, „in der man in der Regel auch nicht immer die Auskünfte erhält, die man sucht.“
Ben Kaden im IBI-Weblog hat sogar zwei Einträge geschrieben: In „Last night a Content-DJ killed my Publisher. Roland Reuß hat für Frankfurt eine schöne Metapher im Ärmel“ fragte er gestern, was denn so schlimm an Content-DJs, wo doch das Plattenauflegen seit spätestens den 90er Jahre eine anerkannte Kunstrichtung ist, die sogar vom Goethe-Institut in alle Welt verschickt wird, um die Deutsche Kultur vorzustellen. Der zweite Beitrag „Die Entführung aus dem Serail (des Werkes) in das Stadion (des Textes): Ein weiteres Heidelberger Sprachbild“ weist darauf hin, dass Reuß selber sein Geld damit verdient, dass er die Werke anderer kommentiert und editiert – und somit auch nichts anderes als ein Content-DJ ist. (Besonders pikant ist dabei, dass Kafka explizit seine hinterlassenen Werke nicht veröffentlicht haben wollte – was bekanntlich aber von Max Brod missachtet wurde.)
Eine weitere Zusammenfassung findet sich bei Andrea Diener und zu guter Letzt kommentiert auch Thierry Chervel vom Perlentaucher in „Die Früchte des Internets“. Letzten Endes kann man sich nur wundern, wie man es, auch wenn man nur Halbwissen vorweisen kann, mit ausschließlich mit Ressentiments und falscher Empörung so weit in unserer Medienlandschaft bringen kann wie die „Selbsthilfegruppe Heidelberger Appell“.
Addendum 17. Juli ’09: Inzwischen sind auch in den einschlägigen Tageszeitungen Berichte zur Tagung erschienen (siehe z.B. im Perlentaucher von heute), aber ich möchte noch auf den Blogeintrag in Bewegliche Lettern hinweisen, wo auf Reußens Appellierfreude hingewiesen wird, die sich durchaus im Gegensatz befindet zu seiner öffentlich geäußerten Furcht, dass seine Werke im Internet in die falschen Hände geraten.
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