PlayFair – Respect Music: Musikindustrie-Lobbying an Schulen
“Nur weil man digitale Produkte nicht anfassen kann, sind sie nicht weniger wert”, weiß Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie. Aber die deutschen Schülerinnen und Schüler wissen es nicht, sondern es fehlt ihnen an „Bewusstsein für den Wert geistigen Eigentums“. Doch nicht nur ihnen, auch ihren Lehrern, die deshalb in den kommenden drei Jahren „auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse“ dazu ausgebildet werden sollen, in den Schulen zur “Sensibilisierung für kreative Leistungen” beizutragen, wie einer Presseerklärung des Bundesverbands Musikindustrie vom 19. März zu entnehmen ist. Nachdem die Peitsche nicht geholfen hat und an Zuckerbroten nichts zu verdienen ist, versucht die Musikindustrie es nun also mit einem „Aufklärungsprojekt“: Zucker ist schlecht für die Zähne.
Ob man das in den 70er Jahren wohl Indoktrination genannt hätte? Jedenfalls hat der Verband Deutscher Schulmusiker, welcher es sich auf die Fahnen geschrieben hat, für ein “breites Lern- und Erfahrungsspektrum im Umgang mit Musik“ einzustehen, damit genauso wenig ein Problem wie die Hannoveraner Hochschule für Musik und Theater. Es fällt auch kaum noch auf, dass wieder einmal das Urheberrecht zur Verteidigung von Interessen vorgeschoben wird, die primär jene der Verwerter sind, während die konkreten ökonomischen Bedingungen künstlerischer Arbeit keinerlei Erwähnung finden. Interessanter als all dies wäre jedoch, warum Begriffe wie „Respekt“ (laut Duden „auf Anerkennung, Bewunderung beruhende Achtung“) Verwendung finden, wo es um rein ökonomische Verteilungskämpfe geht. Oder wie es dazu gekommen ist, dass unter „fair“ in etwa das Gegenteil von „fair use“ verstanden wird: nämlich nicht eine Einschränkung der Monopolrechte, die Urhebern zugestanden werden, sondern im Gegenteil durch Anstand und Kameradschaftlichkeit legitimiertes Beharren auf solchen.
4 Kommentare
1 Martin Hufner am 31. März, 2009 um 06:26
Indoktrination ist vielleicht dann doch etwas zu scharf. Ich hatte im Anschluss an die Pressekonferenz mit Hans Bäßler gesprochen und ein bisschen den Text zusammengeschnitten. http://www.nmz.de/media/video/wege-aus-der-krise-die-musikindustrie-und-ihr-play-fair-konzept
Das Thema ist an sich doch etwas ein anderes. Jedenfalls der Idee nach, ob es denn funktioniert, stnoch eine ganz andere Frage. Ich stehe dem Ganzen durchaus sehr skeptisch gegenüber.
Aber Indoktrination ist dem Verfahren gegenüber genauso der falsche Begriff, wie Diebstahl auf der anderen Seite.
Das Probem hängt zugleich höher und tiefer.
2 mo. am 31. März, 2009 um 10:22
irgendwie finde ich das alles arg peinlich. lehrer sollen kinder etwas beibringen und nicht der verlängerte arm der musikindustrie sein.
das wirkt einfach so, als ob man hier einem ein schlechtes gewissen machen möchte und sich immer noch nicht den änderungen durch das internet stellen will.
3 Martin Hufner am 1. April, 2009 um 08:04
Wer bestimmt denn, was geht? Ist das Internet einfach nur das neue Dogma, dem man sich beugt, egal, was es hervorbringt und -hervorruft?
Es geht nicht um schlechtes Gewissen (oder in manchen Fällen vielleicht doch), sondern um die Fähigkeit, einmal auch die Perspektive anderer einzunehmen, ein menschliches Vermögen. (Womit eben nicht die abstrakte Musikindustrie gemeint ist – die ist ebenso wenig menschlich wie das Internet als solches, sondern nur eine Institution.)
Was sagen Sie dazu?