Smartphones: US-Richter haben genug vom Patentkrieg
Eigentlich sollten am Montag Apple und Google ihre Patentstreitigkeiten vor Gericht austragen. Die Google-Tochter Motorola Mobility und Apple werfen sich gegenseitig vor, Schutzrechte an Smartphone-Technologien zu verletzen. Beide Unternehmen forderten Vertriebsverbote und Schadensersatz. Doch der US-Bundesrichter Richard Posner wies vergangene Woche die Klagen der Kontrahenten ab. Er sehe weder bei Motorola noch bei Apple einen Schaden, der einen Prozess rechtfertigt. Für Unterlassungsansprüche finde er keine Grundlage. Posner will eine ausführliche Begründung noch nachliefern. Zunächst ordnete er an, dass die Klagen nicht erneut vorgebracht werden können.
Zuvor bezeichnete Posner Äußerungen von Apple als „albern“, und Positionen von Motorola als „lächerlich“. Dem renommierten Richter scheinen die zahlreichen Patentkriege in den USA prinzipiell nicht zu passen. In einem gemeinsamen Blog mit dem US-Ökonom Gary Becker nennt Posner das US-Patentsystem „funktionsgestört“ („dysfunctional“).
Apple, Microsoft, Samsung, HTC, Google – Jeder gegen jeden
Der Patentrechtsexperte und Journalist Jeff John Roberts erkennt in Posners Kritik eine mögliche Trendwende im Umgang der US-Justiz mit Patentklagen. „Die Entscheidung und der Blogeintrag könnten ein Wendepunkt für das US-Patentsystem sein, das außer Kontrolle geraten ist“, kommentiert Roberts auf der Blogplattform GigaOM. Denn nicht nur Posner scheint es auf die Nerven zu gehen, wenn Unternehmen wie Apple, Microsoft, Samsung, HTC und Google ihren Kampf um den Smartphone- und Tablet-Markt in kostspieligen und langwierigen Prozessen austragen.
Im Fall „Microsoft vs. Motorola“ erklärte der zuständige US-Richter James Robart vergangene Woche: „Das Gericht ist sich sehr wohl bewusst, dass es als Schachfigur in einer globalen, geschäftlichen Auseinandersetzung benutzt wird.“ Im Gerichtssaal warf Robart den Unternehmen Hybris und Arroganz vor. Sie seien allein darauf bedacht, sich einen kommerziellen Vorteil zu verschaffen. In dem Streit geht es um die Frage, ob Motorola für Patente überzogene Lizenzgebühren verlangt hat.
„Ich will nicht Apple-vs.-Samsung-Richterin sein“
Auch die US-Bundesrichterin Lucy Koh zeigt sich genervt. Sie ist im Patentstreit zwischen Apple und Samsung zuständig, will sich aber nicht zu schnellen Entscheidungen drängen lassen. „Ich kann und will nicht einzig und allein eine Apple-vs.-Samsung-Richterin sein”, so Koh. Apple will die Markteinführung des Samsung-Smartphones Galaxy S3 mit einer einstweiligen Verfügung stoppen. Die US-Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) warnt indes, es könne der Wirtschaft und dem Wettbewerb schaden, wenn mit Patentklagen Importverbote durchgesetzt werden.
„Ich werde Android zerstören“
Wie verbissen der Kampf geführt wird, zeigen Äußerungen des Apple-Gründers Steve Jobs. Zu Lebzeiten wetterte Jobs speziell gegen Android, das Google-Betriebssystem für Smartphones. „Ich werde Android zerstören, weil es ein gestohlenes Produkt ist“, sagte Jobs laut seinem Biographen Walter Isaacson 2010. „Ich bin bereit, den Atomkrieg zu erklären.”
US-Bundesrichter Posner gehört zu den Vertretern des „Law and Economics“-Ansatzes (was auf Deutsch so viel wie Rechtsökonomik bedeutet), wonach sich Gerichtsentscheidungen auch an wohlfahrtsökonomischen Effizienzkriterien orientieren sollten. Ein Prozess im Fall „Apple vs. Motorola“ stünde im Widerspruch zum öffentlichen Interesse, so Posner. Möglicherweise macht Posners Entscheidung Schule, und die mit Patentstreitigkeiten überlasteten US-Richter suchen künftig nach Wegen, Klagen einfach abzuweisen.
Wird der Streitstandort Deutschland attraktiver?
Der Patentrechtsexperte, Blogger und Unternehmensberater Florian Müller sieht allerdings noch keine Trendwende in den weltweiten Patentkriegen rund um Smartphone-Technologien. Allein in den USA seien weiterhin dutzende Patentklagen anhängig. Die Entscheidung Posners ist laut Müller vor einem ganz speziellen verfahrenstechnischen Hintergrund gefallen. „Die Schadensberechnungen beider Parteien wurden für unschlüssig befunden“, so Müller am Montag zu iRights.info.
Auch Müller meint, das US-Patentwesen habe grundlegende Probleme, allerdings sei die Lage in Europa nur graduell besser. „Auch das Europäische Patentamt behandelt Patentanmelder als Kunden, deren Nachfrage nach Monopolen zu befriedigen ist. Das öffentliche Interesse, schlechte Patente zu vermeiden, wird nicht ausreichend im Auge behalten“, so Müller, der die Kampagne NoSoftwarePatens.com gegründet hat. Die Akteure in den Patentkriegen verlagern ihre Streitigkeiten laut Müller zunehmend nach Deutschland, wo sich Verkaufsverbote einfacher erwirken ließen als in den USA.
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