Jan Bernd Nordemann: Das Eigentumsrecht des Urhebers im Internet sicherstellen
“Sold my soul to the devil, but held onto the intellectual property rights”, ließ der Cartoonist Mike Baldwin einen Engel sagen. Und trifft damit den Kern des Urheberrechts: Das Urheberrecht ist ein Eigentumsrecht des Urhebers. Er kann grundsätzlich entscheiden, wie er seine Rechte vergibt. Das Urheberrecht ist deshalb auch nicht nur im deutschen Grundgesetz verfassungsrechtlich durch die Eigentumsgarantie geschützt. Auch die Carta der Grundrechte der Europäischen Union schützt in Art. 17 Abs. 2 das Urheberrecht als „geistiges Eigentum“ des Urhebers.
Der wichtigste Punkt für den „3. Korb“ ist deshalb, im Internet wieder die Eigentumsordnung herzustellen, wie wir sie aus der Offline-Welt kennen. Im Internet existiert für Filme, Musik, Hörbücher, eBooks, Games und Software das geistige Eigentum vielfach nur noch auf dem Papier.
Beispiel Streaming-Piraterie: Die anonymen Betreiber von kino.to und sein russischer Hostingprovider verdienten gut an den dort angebotenen aktuellen Kinofilmen. Nur nicht deren Eigentümer. Der Gesetzgeber des 3. Korbes ist aufgerufen, dem entgegenzutreten. Zum Beispiel könnten Provider Kunden vor illegalen Inhalten warnen. Empirische Untersuchungen belegen, dass das wirksam wäre. Auch sollte der Gesetzgeber Maßnahmen ergreifen, um „sicheren Häfen“ für illegale Sites im Ausland auszutrocknen.
Beispiel Tauschbörsen: Der Gesetzgeber hat vor einigen Jahren erlaubt, dass Urheber über die Internetzugangsprovider ihre Kunden identifizieren müssen, über deren Anschlüsse in Tauschbörsen Urheberrecht verletzt wurden. Rund 300.000 IP-Adressen geben die Internetzugangsprovider jeden Monat weiter, damit die Anschlussinhaber wegen Urheberrechtsverletzung abgemahnt werden. Das kann weder für Rechteinhaber noch für Nutzer der Weisheit letzter Schluss sein.
Es ist nicht fair, alle Anschlussinhaber gleich zu behandeln. Die Internetzugangsprovider, die ihr Geschäftsmodell auf Breitbandflatrates aufbauen, könnten in intelligente Frühwarnsysteme („Graduated Response“) investieren. So könnten die vielen rechtstreuen Anschlussinhaber vor kostenträchtigen Abmahnungen geschützt werden. Notorische Wiederholungstäter verdienen hingegen weniger Nachsicht.
Andere Reformüberlegungen erscheinen neben der Wiederherstellung der Eigentumsordnung im Internet fast als nebensächlich. Als sinnvoll erscheint es, verwaiste Werke für rechtstreue Verwerter in die Verwertbarkeit zurückzuholen. Es muss lediglich sichergestellt sein, dass wirklich hinreichende Anstrengungen unternommen werden, den Urheber oder den Rechteinhaber vorher zu ermitteln.
Die Einführung eines Leistungsschutzrechtes kann sicherstellen, dass Presseverlegern mehr Optionen für Geschäftsmodelle im Internet zur Verfügung stehen: Neben den wachsenden Bezahlangeboten bliebe es auch möglich, Qualitätsjournalismus im Internet anzubieten, ohne dass der Nutzer die Inhalte direkt bezahlen muss. Denn das Leistungsschutzrecht könnte auch durch eine Leermedienabgabe über Verwertungsgesellschaften vergütet werden.
Neue Ausnahmen für User Generated Content, wie er sich z.B. auf YouTube findet, braucht das Urheberrecht nicht. Die Rechtsfigur der erlaubten freien Benutzung bietet eine ausreichende Grundlage, um Parodie und Satire, aber auch Collagen legal nutzen zu können. Auch erlaubte Zitate können User Generated Content privilegieren; das Bundesverfassungsgericht hat das Zitatrecht sehr großzügig zu Gunsten von Nutzern ausgelegt.
Ansonsten gilt aber auch für User Generated Content, dass nicht alles erlaubt ist, was dem Nutzer gefällt. Die Grenze bildet der für den Urheber unverzichtbare Kern seines Eigentums. Auch andere Regelungen im „3. Korb“, die die Rechte des Urhebers beschränken (sog. Schranken), müssen auf einem gelungenen Ausgleich der Eigentumsinteressen des Urhebers mit den Interessen von Dritten (z.B. privaten Nutzern, geschäftlichen Nutzern, der öffentlichen Hand) beruhen.
Zur Person
Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei Boehmert & Boehmert in Berlin und Honorarprofessor an Humboldt-Universität zu Berlin. Prof. Nordemann ist Mitherausgeber des „Fromm/Nordemann“, einem der eingeführten deutschen Urheberrechtskommentar sowie Autor zahlreicher Kapitel im Standardwerk „Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts“. Gemeinsam mit Dr. Christian Czychowski berichtet er in der führenden juristischen Zeitschrift NJW zweijährlich über die neueste Entwicklung in Gesetzgebung und Rechtsprechung. Das JUVE-Handbuch 2010/2011 zählt Nordemann erneut zu einem der führenden deutschen Urheberrechtler, „Legal 500 Deutschland 2010/2011“ bezeichnet ihn als besonders anerkannten Urheberrechtler. Er ist Vorsitzender des Urheberrechtsausschusses der AIPPI (Internationale Vereinigung für den Schutz des geistigen Eigentums).
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