Eva-Maria Schnurr: Freie Journalisten werden schleichend enteignet
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, sagt das Sprichwort. Doch bei den aktuellen Konflikten um das Urheberrecht liegt man damit falsch: In den Hakeleien zwischen Verwertern und Nutzern um Piraterie und die Vergütung digitaler Nutzungen wird die dritte Partei rüde ins Abseits gedrängt – die Urheber selbst.
Freie Journalisten haben das zuletzt in der Debatte um das Leistungsschutzrecht für Verlage erlebt. Während die Verlage laut klagen, dass ihre Inhalte ohne Bezahlung kommerziell genutzt würden, tun sie genau dies mit den Werken freier Autoren: Für ein einmaliges Honorar müssen freie Journalisten inzwischen bei fast allen Verlagen umfangreiche Rechte abtreten, sogar für den Weiterverkauf an Dritte fließt kein zusätzliches Geld. Unterschreiben die Autoren die „Buyout-Verträge“ nicht, drohen die Verlage mit Auftragsentzug.
„Zum Verschenken unseres Eigentums ohne vorherige Zustimmung möchten wir nicht gezwungen werden", heißt es in der „Hamburger Erklärung", mit der die Verleger ihren Lobby-Feldzug für ein Leistungsschutzrecht starteten. Freie Journalisten können diesen Satz genau so unterschreiben, denn auch sie werden schleichend enteignet – von den Verwertern. Die Umsonst-Mentalität, die die Verlage bei den Nutzern beklagen, herrscht zunehmend auch bei den Verlagen selbst. Doch alles sieht danach aus, als werde das Urheberrecht wieder nicht zum Vorteil der Urheber verändert, sondern erneut zu Gunsten der Verwerter.
Ein Urheberrecht, welches das Machtgefälle zwischen Verwertern und Nutzern auf der einen und Urhebern auf der anderen Seite leugnet, verfehlt jedoch seine Wirkung. Exemplarisch zeigt dies das Urhebervertragsrecht: Zwar gibt es seit 2010 nach schier endlosen Verhandlungen gemeinsame Vergütungsregeln für freie Journalisten an Tageszeitungen, doch nur eine Minderheit der Verlage hält sich daran – und das, obwohl die vereinbarten Honorare immer noch erschreckend niedrig sind. Freie Journalisten, die auf die Einhaltung der Regeln pochen, bekommen nicht selten keine neuen Aufträge mehr. Der Gang vor Gericht ist für den Einzelnen nur machbar, wenn er dem Auftraggeber ohnehin den Rücken kehren will – eine Verbandsklage zur Durchsetzung der Regeln ist nicht vorgesehen. Das Recht, das freien Journalisten auf dem Papier zusteht, nützt ihnen so in der Praxis wenig.
Urheber sind das schwächste Glied in der Kette aus Urhebern, Verwertern und Nutzern. Und zugleich sind sie das entscheidende: Wenn ihre Kreativität versiegt, ihre Glaubwürdigkeit leidet (zum Beispiel, weil freie Journalisten ihren Lebensunterhalt durch PR-Jobs sichern müssen) oder wenn sie sich einen neuen Job suchen müssen, weil sie vom alten nicht mehr leben können, haben Verwerter nichts mehr zum Verwerten, Nutzer nichts mehr zum Nutzen, egal ob im Internet oder außerhalb.
Das Urheberrecht muss deshalb bei aller Weiterentwicklung vor allem den Schutz derjenigen sichern, auf deren Leistungen die gesamte Kette beruht: den der freien Journalisten, Fotografen, Autoren, Musiker, Übersetzer… Dafür notwendig wären vor allem erstens eine verbindliche Schlichtung bei den gemeinsamen Vergütungsregeln und insbesondere eine Verbandsklagebefugnis zur Durchsetzung der Vergütungsregeln, zweitens ein Verbot von einseitig diktierten Buyout-Verträgen und drittens Informationspflichten der Verwerter über die tatsächlichen Nutzungen von Werken und die damit erzielten Erlöse sowie eine angemessene Beteiligung der Urheber daran.
Foto: Knut Gärtner
Zur Person
Dr. Eva-Maria Schnurr ist freie Wissenschaftsjournalistin in Hamburg und stellvertretende Vorsitzende von Freischreiber e.V., dem Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten.
Was sagen Sie dazu?