Jan Engelmann: Nicht-kommerzielle Nutzung digitaler Werke neu regeln
Das größte Problem des Urheberrechts gegenwärtig ist, dass seine härtesten Verteidiger es ausschließlich als Mittel zur Verknappung begreifen. Das Geschäftsmodell der Copyright-Industrien besteht heute darin, Kopien zu kontrollieren. Wenn nun mit Maria Martin-Prat ausgerechnet eine Lobbyistin der Musikindustrie die Urheberrechtspolitik der EU-Kommission verantwortet, steht zu befürchten, dass wir es weiterhin mit den Rückzugsgefechten jener „content gatekeepers“ zu tun haben werden, die ihre veralteten Geschäftsmodelle gegen die Interessen der Allgemeinheit aufrechterhalten.
Dabei sollten sich unsere Energien eigentlich anders ausrichten: Das digitale Zeitalter benötigt dringend ein neues Urheberrecht, das möglichst einfach zu begreifen und im Alltag zu handhaben ist. Die vielen kleinen Urheberrechtsverstöße, die jedem Internetnutzer durch Kopiervorgänge oder Dateien-Uploads tagtäglich unterlaufen, könnten etwa durch eine offene Generalklausel nach dem Vorbild des amerikanischen „Fair use“ gemindert werden.
Niemand müsste mehr eine Abmahnung befürchten, nur weil er oder sie das Produktfoto eines Herstellers für eine eBay-Auktion benutzt hat. Zugleich könnten Leute, die aus Spaß und ohne Verwertungsinteresse Mash-Ups von Musikstücken oder Youtube-Schnipseln herstellen, dies auch weiterhin tun, ohne vorab komplizierte Lizenzverträge abschließen zu müssen.
Auch die Nachnutzung gebührenfinanzierter Inhalte auf Webseiten oder Blogs könnte so erleichtert werden, mithin etwas, worauf eine demokratische und digitale Öffentlichkeit nachgerade Anspruch erheben sollte.
Eine wünschenswerte Reform des Urheberrechts wiese also in Richtung einer Flexibilisierung, einer Abkehr vom starren Schutzinteresse der Verwerter. Zuvorderst sollte die nicht-kommerzielle Nutzung digitaler Werke im Sinne einer neuen informationellen Ökologie geregelt werden: nicht als restriktiver Ausschluss von Handlungen, sondern als produktiver Anreiz zum In-Gebrauch-Nehmen, im Sinne der Urheber und der Allgemeinheit.
Zur Person
Jan Engelmann ist Kulturreferent der Heinrich-Böll-Stiftung.
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