Nortel-Auktion: Google verliert gegen Microsoft und Apple
Foto: floorsixtyfour, The Smartphone Patent Thicket, CC BY
Vier Tage lief das Auktionsverfahren bei der Kanzlei Cleary Gottlieb in Manhattan, bis die Gewinner feststanden. Nicht Google, wie viele Beobachter erwartet hatten, sondern ein Konsortium aus sechs Bietern hat für viereinhalb Milliarden Dollar die 6000 Patente des insolventen Unternehmens Nortel ersteigert. Zum Konsortium gehören Apple, Microsoft, Ericsson, Sony, der Blackberry-Hersteller RIM und der Speicherproduzent EMC. Es geht dabei um Technologien aus nahezu allen Bereichen des mobilen und drahtlosen Internet, etwa dem neuen Mobildatenstandard LTE, aber auch aus dem Bereich Suche oder sozialen Netzwerken. Einen der „größten Verkäufe von geistigem Eigentum in der Technologiegeschichte” nannte es Joe Mullin bei paidcontent.org.
Patente als Rüstzeug und Einnahmequelle
Wie die Gewinner mit den Patenten verfahren – ob sie etwa nach der temporären Allianz für die Auktion erneut aufgeteilt werden –, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Zwar gilt die Sammlung als Schatztruhe, doch überraschende Funde werden die Gewinner nicht machen, denn Patente sind bereits öffentlich. Auf die konkreten Erfindungen kommt es ohnehin erst in zweiter Linie an. Gerade im Mobilfunk sind Patentbestände eine Einnahmequelle – und ein Rüstzeug, mit dem sich die Gefahr von Patentklagen durch Konkurrenten verringern lässt. In letzterer Hinsicht wären die Patente vor allem für Google interessant gewesen, das den Ausgang in einem Reuters-Statement zur Auktion dann auch „enttäuschend für alle, die an offene Innovationsprozesse glauben” nannte.
Denn auf dem Feld der Patente ist der Konzern bislang eine kleine Nummer: gerade einmal 576 Anmeldungen, die Mehrzahl davon bei der Suche, kann man vorweisen – ein Bruchteil dessen, was die alten Hasen besitzen. Und zu wenig für Google, um die eigene Android-Plattform effektiv gegen Klagen zu schützen, so die Einschätzung des Softwarepatent-Experten Florian Müller. Bei Smartphones steht nahezu jedes Unternehmen im Patentstreit oder zahlt bereits Lizenzgebühren an andere.
Meine Patente, deine Patente
Das lässt sich auch gar nicht vermeiden, etwa wenn Patente Teil von Industriestandards sind. Doch Schadensersatzansprüche können hier enorm kostspielig werden. Ein Experte der Patentrechtsfirma GPC, die bei der Auktion nicht dabei war, nannte die Patentsammlung laut Wall Street Journal dann auch ein „Atomwaffenarsenal” – wer sie besitzt, schreckt die Konkurrenz von Patentklagen ab, weil die eigenen Patentbestände eine Gegenklage ermöglichen.
Für die Gewinner, die bereits über Patentbestände verfügen, könnten deshalb vor allem Kreuzlizenzierungen wichtig werden. Dabei werden die Patente des jeweils anderen genutzt; Lizenzgebühren oder Einmalzahlungen werden nur dann geleistet, wenn die jeweiligen Bestände nicht gleichwertig sind. Auch ein solches Aufrüsten hilft allerdings nicht gegen sogenannte Patent-Trolle – Unternehmen, die selbst nicht operativ tätig sind, sondern allein mit aufgekauften Schutzansprüchen Klagen anstrengen. Da sie keine eigenen Produkte auf den Markt bringen, können sie auch keine Fremdpatente verletzen – die Abschreckungslogik geht hier nicht auf. Das gilt zwar nicht unbedingt als elegantes Geschäftsmodell, ist aber legal, denn die Inhaber von Patenten sind nicht verpflichtet, sie auch tatsächlich anzuwenden. Zumindests bei den Nortel-Patenten sind die Trolle nun aus dem Spiel.
Doch auch die Branchenriesen selbst müssen sich oft Kritik gefallen lassen, sie setzten ihre Patente zur Behinderung von Wettbewerbern ein – etwa mit dem Schutz von trivialen Funktionen wie Ladebalken oder dem Umblättern in elektronischen Dokumenten. Ohnehin sind Softwarepatente auch bei Entwicklern und in der Industrie grundsätzlich umstritten. Dass das bestehende US-Patentsystem Innovationen eher hemmt als fördert, wenn die Kosten die Anreize übersteigen, sagen viele Experten schon lange.
Zuerst veröffentlicht bei Hyperland.
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