Armin Talke: Klare Regelungen für verwaiste Werke notwendig
Das größte Problem im Urheberrecht ist die Rechtsunsicherheit. BibliotheksmitarbeiterInnen brauchen für ihre Tätigkeit einen klaren juristischen Rahmen, der in der digitalen Gesellschaft sehr häufig urheberrechtsrelevant ist.
Dabei werden sie laufend mit dem Dilemma konfrontiert, dass sie einerseits den politischen Auftrag haben, ihre Dienste und Inhalte möglichst in elektronischer Form anzubieten, auf der anderen Seite aber die rechtlichen Grundlagen hierfür nicht klar sind.
Nur zwei Beispiele für Grauzonen, in denen klare Regeln helfen würden:
Die Digitalisierung von Werken des 20.Jahrhunderts, die von keinem Verlag mehr verwertet werden und deren Urheber bzw. Rechteinhaber nicht mit vertretbarem Aufwand auffindbar sind: Wo der Wunsch besteht, eine „Deutsche Digitale Bibliothek“ oder eine „Europeana“ zu erschaffen, die einen umfassenden digitalen Zugriff auf Wissensressourcen vermitteln soll, müssen hierfür auch die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen werden.
Hilfreich wäre hier eine klare Regelung der Voraussetzungen für die Digitalisierung und Online-Nutzung von Werken schwer auffindbarer Rechteinhaber (sog. „Verwaiste Werke“). Das gilt insbesondere für (zeit-) historisch herausragend wichtige Bereiche wie die Zeitungsdigitalisierung, wo eine unüberschaubare Anzahl von Autoren im Spiel ist.
Was in der analogen Welt ganz einfach war, wird in den digitalen Welt kompliziert: Die Fernleihe und der Kopienversand. Lizenzpflichtige elektronische Medien dürfen laut Lizenzbedingungen meist nur innerhalb der jeweiligen Einrichtung bzw. von deren registrierten Mitgliedern benutzt werden. Menschen, die nicht Mitglied dieser Einrichtungen sind, können nicht darauf zugreifen.
Wenn die Lizenzbedingungen die Fernleihe oder den Kopienversand durch die Bibliothek untersagen, haben die Nicht-Mitglieder keine Möglichkeit, an die Ressource heranzukommen. Für ein elektronisches Pay-per-view-Angebot des Anbieters müssen die Kunden oft viel Geld bezahlen.
Eine klare Regelung des Vorrangs urheberrechtlicher Ausnahmeregeln (z.B. der „Schranken“ für die Vervielfältigung und den Kopienversand), die zudem für Rechtsanwender verständlich sind, würden es den Bibliotheken erleichtern, ihren Dienst im Interesse der Wissensgesellschaft auf eine gesicherte Basis zu stellen.
Zur Person
Ass. jur. Armin Talke, Fachreferent für Rechtswissenschaft an der Staatsbibliothek zu Berlin, Mitglied der Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbandes und des Committee on Copyright and other Legal Matters des internationalen Bibliotheksverbandes (IFLA)
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