Buchvorstellung „Vergessene Zukunft. Radikale Netzkulturen in Europa“
Man sagt, dass ein Internetjahr wie 7 Hundejahre ist und so kommen einem manchmal die 1990er Jahre vor wie dunkelste Vergangenheit. Es waren die Gründungsjahre der Netzgesellschaft. Ein frisch erschienenes Buch, herausgegeben von Clemens Apprich und Felix Stalder, arbeitet diese Zeit in Essays und Originaldokumenten nun auf. Aus dem Verlagsblurb:
Mitte der 1990er Jahre ist in Europa eine vielfältige Netzkultur entstanden. Während die US-amerikanische Szene den Cyberspace als Raum jenseits der Politik imaginierte, waren die europäischen Netzpioniere darauf bedacht, die Möglichkeiten des Internet für neue politische und kulturelle Initiativen in der realen Gesellschaft zu nutzen.
Anhand von Zeitdokumenten, aktuellen Textbeiträgen und Interviews geht dieser Band erstmals auf die kritische Haltung europäischer Netzkulturen ein. Die Beiträge liefern so wichtige Referenzpunkte zur Gestaltung unserer techno-kulturellen Gegenwart jenseits von Facebook und Google.
In Berlin wird es am Freitag, den 30.3.2012, um 19.30 eine Diskussion mit Sonja Eismann (Journalistin; Missy Magazine), Carolin Wiedemann (Soziologin; Universität Hamburg) und dem Herausgeber Clemens Apprich (World-Information Institute), moderiert von Michael Willenbücher geben, die sich darüber unterhalten werden, ob diese historischen Netzkulturen uns Alternativen zeigen können, wie man mit Technologie und Vernetzung umgehen kann.
Clemens Apprich, Felix Stalder (Hg.); Vergessene Zukunft. Radikale Netzkulturen in Europa
Februar 2012, Transcript Verlag
Buchvorstellung und Diskussion
Freitag, 30.3.2012, 19.30 h
Wo: Büro/Bibliothek Menschen Formen,
Manteuffelstr. 20a, Berlin-Kreuzberg, 10997
3 Kommentare
1 Anne Roth am 28. März, 2012 um 11:50
Spannend, ich werde versuchen hinzugehen. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis hinterlässt bei mir den Eindruck, als ob es aber vor allem um eine Szene geht, die vielleicht am ehesten mit Netzkunstszene oder Tactical Media beschrieben werden könnte? (Ich bin sicher, damit in gleich mehreren Fettnäpfen zu landen..). Was ich nicht sehe, sind die Aktivitäten, die aus dem eher politischen oder Medienaktivismus-Bereich in der gleichen Zeit kamen (Indymedia z.B.), oder täuscht das? Schade, aber wahrscheinlich gab es in der Zeit genug solcher Aufbrüche für mehrere Bücher.
2 Valie Djordjevic am 28. März, 2012 um 12:01
Ja, das scheint so zu sein. Es ist auch sehr auf den Knoten Wien fokussiert. Sagen die Herausgeber aber auch in der Einleitung. Die Netz-Geschichtsschreibung hat da wahrscheinlich noch einiges zu tun.
3 Clemens Apprich am 28. März, 2012 um 17:38
Liebe Anne, in dem Interview mit Gerald Raunig findet sich beispielsweise ein Hinweis auf indymedia, indem dort die These aufgestellt wird, dass dieses damals neuartige Netzwerk – freilich aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen – die alten medienaktivistischen Player quasi überrannt hat; so wie indymedia heute ja selbst von neuen Medienpraxen abgelöst wird. Wir wollten daher nicht das eine dem anderen gegenüberstellen (indymedia selbst war ja letztlich auch von den taktischen Medien – Sprichwort: Digital Zapatismo – inspiriert), als vielmehr die Herkünfte jener (aktivistischen, künstlerischen, kulturellen) Medienpraxen untersuchen, die uns heute von Relevanz erscheinen. Und dabei fiel unser Fokus auf einen relativ kurzen Zeitraum Mitte der 1990er (also auch noch vor indymedia), als das Internet aus der Enge der Geek-Kultur befreit, aber eben noch nicht zum Massenmedium wurde. Würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn wir diese Fragen am Freitag noch eingehender diskutieren könnten.
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